Hamburg. Will der HSV eine kleine Aufstiegschance wahren, muss er gegen Aue gewinnen. Ein Ex-Publikumsliebling erklärt, wie es gehen könnte.

Am Dienstagabend wird Rick van Drongelen wieder seinen Laptop aufklappen. Der Niederländer will zumindest digital dabei sein, wenn der HSV im Volksparkstadion gegen den FC Erzgebirge Aue (18.30 Uhr/Sky und Liveticker bei Abendblatt.de) um seine letzte Chance kämpft, im Rennen um den Aufstieg noch einmal heranzurücken.

„Natürlich verfolge ich, was der HSV macht. Ich habe noch viele Kontakte in die Mannschaft“, sagt der 23-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt. So wie am Sonnabend, als der aktuell von Union Berlin an den belgischen Erstligisten KV Mechelen verliehene Innenverteidiger vor seinem eigenen Spiel beim Mittagessen im Hotel noch die HSV-Partie gegen den SC Paderborn verfolgte. „Es war viel Pech dabei mit zwei Abseitstoren und einem verschossenen Elfmeter“, sagt van Drongelen über die 1:2-Niederlage.

HSV News: Hamburger hatten nicht nur Pech

Dass die Hamburger nicht nur Pech hatten, sondern vor allem spielerisch enttäuschten, hat auch der langjährige Fanliebling gesehen. Von 2017 bis 2021 spielte van Drongelen beim HSV und hat in dieser Zeit viele Enttäuschungen erlebt. Im ersten Jahr folgte der Abstieg, danach drei verpasste Aufstiege. Dazu kam der Kreuzbandriss am letzten Spieltag der Saison 2019/20.

Van Drongelen weiß, wie es sich in den vergangenen drei Jahren angefühlt hat, wenn der HSV regelmäßig in der entscheidenden Saisonphase den Aufstieg verspielte. Warum das nun auch im vierten Jahr in Folge passiert, fällt ihm trotzdem schwer zu beantworten. „Für viele Vereine ist es immer noch etwas Besonderes, gegen den HSV zu spielen. Vor allem im großen Volksparkstadion“, sagt van Drongelen über die Probleme in den Heimspielen gegen vermeintlich kleinere Vereine.

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So wie in der Rückrunde der ersten Zweitligasaison, als der HSV in der Endphase gegen die späteren Absteiger FC Magdeburg (1:2) und FC Ingolstadt (0:3) verlor. Auch gegen Erzgebirge Aue gab es zu Hause nur ein 1:1. Nun trifft der HSV wieder auf den Abstiegskandidaten Aue. Jeder erwartet einen Heimsieg. Und genau das mache es so schwer. „Für den HSV sind das immer Must-win-Spiele. Man muss gewinnen. Aber die Gegner haben auch einen Plan und können Fußball spielen, auch wenn die individuelle Qualität beim HSV größer ist.“

HSV: Unter Tim Walter sind Flugbälle eigentlich verpönt

Wie man als HSV im eigenen Stadion gegen Aue gewinnt, erlebte van Drongelen vor zweieinhalb Jahren. Beim 4:0-Heimsieg machte der Abwehrspieler sein wohl bestes Spiel für den HSV, bereitete zwei Tore vor und wurde vom „Kicker“ zum Spieler des Spiels gewählt. Gegen die traditionell tiefstehenden Gäste waren es die langen Flugbälle des Niederländers, die das Spiel entschieden. „Martin Harnik kam damals während des Spiels zu mir und hat gesagt, dass er immer frei ist, wenn er tief läuft. Dann habe ich die Bälle noch häufiger gespielt“, erinnert sich van Drongelen.

Lange Bälle als Mittel gegen defensiv eingestellte Gegner? Unter Tim Walter sind Flugbälle eigentlich verpönt. Der HSV-Trainer will, dass seine Verteidiger mutig hinten herausspielen. „Das ist seine Philosophie, und damit hat er auch schon Erfolg gehabt. Wenn es klappt, sieht es geil aus. Wenn es nicht klappt, kommt schnell Kritik auf“, sagt van Drongelen, der auch gar nicht für vermehrte Flugbälle werben will. „Das funktioniert nicht in jedem Spiel. Es kommt immer darauf an, welche Räume der Gegner anbietet. Aue hat damals kein Pressing gespielt.“

Die Spieler beim HSV sind aktuell nicht frei im Kopf

Zudem gibt es einen entscheidenden Unterschied zum 4:0-Sieg im September 2019. Es war der siebte Spieltag. „Der Druck der Tabelle ist am Anfang nicht so groß, da sind uns die Siege immer leichter gefallen. Natürlich ist es etwas anderes, mit dem HSV um den Aufstieg zu spielen als mit Kiel“, sagt van Drongelen.

Ein tiefenpsychologisches Problem sieht er trotz des wiederkehrenden Einbruchs nicht. „Ich denke nicht, dass es ein Kopfproblem ist. Die Spieler, die zum HSV kommen, wissen, worum es geht. Jeder Spieler kennt den Druck. Eigentlich geht es um etwas Geiles, um etwas Schönes. Aber Fußball ist besonders. Es gewinnt nicht immer der Bessere. Details entscheiden über den Ausgang.“

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Trotzdem ist offensichtlich, dass die Spieler beim HSV aktuell nicht frei im Kopf sind. Genau wie in den Jahren zuvor. Auch deshalb hat sich der HSV im Sommer von Spielern wie Gideon Jung, Khaled Narey oder auch van Drongelen getrennt, die zu viele Negativerlebnisse mit sich herumgetragen haben. „Ich war beim HSV in einer Dauerschleife. Ich wusste, dass es bei einem neuen Verein wieder besser laufen wird“, sagte der bei Fortuna Düsseldorf wieder aufgeblühte Narey kürzlich im Abendblatt.

Sportvorstand Jonas Boldt sieht Sportpsychologen kritisch

Sportvorstand Jonas Boldt aber sieht es ähnlich wie van Drongelen und hält die Hilfe eines Sportpsychologen nicht für zwingend notwendig. „Wir haben auch schon mit einem gearbeitet. Das hat auch nicht funktioniert“, sagte Boldt am Sonntagabend im NDR-„Sportclub“. In der vergangenen Saison war der Reflexionscoach Martin Daxl Teil des Trainerteams.

In dieser Saison gibt es keinen Mentaltrainer beim HSV. „Einen Sportpsychologen in ein Team einzubauen, gerade im Fußball, muss in der ganzen Kombination funktionieren. Wenn, dann muss man das zu Beginn einer Saison machen. Wir machen uns darüber Gedanken, aber das ist nicht das Problem alleine.“

Mit der aktuellen Problematik kennt sich Boldt in seinem dritten Jahr aus. Für den Manager und den HSV wird die Aue-Partie nun bereits zum Schicksalsspiel. Der Plan, mit Trainer Walter auch im Falle des Nichtaufstiegs weiterzumachen, kann nur funktionieren, wenn die Hamburger die Saison jetzt nicht komplett aus der Hand geben. Auch für Boldt selbst geht es um die Zukunft. Angesprochen darauf, ob er in der kommenden Saison noch dabei sei, sagte er im NDR: „Es gibt für mich jetzt keinen Grund, warum man das infrage stellen sollte.“

Trainer- und Managerwechsel werden das Kernproblem des HSV nicht lösen

Rick van Drongelen weiß jedenfalls, dass die ständigen Trainer- und Managerwechsel das Kernproblem des HSV nicht lösen werden. Im Gegenteil. Der Holländer hat seinen alten Verein aber auch noch nicht aufgegeben. „Der HSV ist jetzt der Jäger, der von unten kommt. Das war in den vergangenen Jahren anders“, sagt van Drongelen. „Die Welt kann in zwei Wochen schon wieder anders aussehen.“ Nicht ausgeschlossen, dass aber auch der HSV in einigen Wochen wieder ganz anders aussieht.

HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Vagnoman – Meffert – Reis (Suhonen), Kittel – Jatta, Glatzel, Chakvetadze.

Aue: Männel – Strauß, Gonther, Cacutalua, Barylla – Schreck, Fandrich – Kühn, Nazarov, Hochscheidt – Jonjic.