Hamburg. Wieder einmal verspielt der HSV im Frühjahr den Aufstieg. Sportvorstand Boldt regt eine Debatte über eine Strukturreform an.

Seinen Humor hatte Jonas Boldt auch am Tag danach nicht verloren. Der Sportvorstand des HSV sprach am Sonntagvormittag im Volkspark über die ernüchternde 1:2 (0:1)-Heimniederlage gegen den SC Paderborn und über die letzte Chance, durch einen Heimsieg im Nachholspiel gegen den FC Erzgebirge Aue am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) noch einmal eine zaghafte Hoffnung im Aufstiegskampf zu erzeugen. „Wir haben das Spiel extra in den April verlegt, damit wir den Fluch auch mal besiegen können“, sagte Boldt im Spaß, nachdem am Sonnabend auch der zehnte Versuch des HSV misslang, in seiner Zweitligahistorie ein Ligaspiel im April zu gewinnen.

Zum Lachen war dem 40-Jährigen allerdings überhaupt nicht zumute. Viel schwerer als der April-Fluch wiegt bei Boldt und dem HSV die Erkenntnis, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im vierten Anlauf nichts wird mit der Rückkehr in die Bundesliga. Nach dem fünften sieglosen Ligaspiel in Serie und dem fast schon gewohnten Absturz in der Rückrundentabelle auf Platz elf geht beim HSV zum vierten Mal in Folge die Frage um: Wie konnte das passieren? Wie konnte der HSV innerhalb von zwei Monaten seine gute Ausgangsposition verspielen und plötzlich neun Punkte hinter den ersten drei Plätzen liegen?

Wie Boldt den HSV-Absturz erklärt

„Letztendlich stehst du da, wo du stehst, auch verdient“, sagte Trainer Tim Walter nach der Niederlage gegen eine keinesfalls überzeugende Mannschaft aus Paderborn, die mit ganz einfachen Mitteln drei Punkte aus dem mit 27.136 Zuschauern mäßig besetzten Volksparkstadion entführte. 47 Sekunden war das Spiel gerade alt, als Dennis Srbeny den HSV aus 37 Metern schockte. Zuvor war Bakery Jatta gleich zweimal in Folge in zwei Gegenspieler reingelaufen. Torwart Daniel Heuer Fernandes stand weit vor dem Tor, Srbeny traf mit einem Schuss der Kategorie Tor des Monats.

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Der Rest des Spiels ist schnell erzählt. Trotz 70 Prozent Ballbesitz erspielte sich der HSV gegen tief stehende Paderborner nur wenig Torchancen. Und wenn, dann fehlten im Abschluss die technischen Fähigkeiten (Jatta) oder die Entschlossenheit, wie beim vergebenen Elfmeter von Robert Glatzel (57.) zum möglichen Ausgleich. Stattdessen nutzten die Gäste ihren einzigen gefährlichen Angriff in der zweiten Halbzeit, als erneut Srbeny vollendete (61.).

Die HSV-Einzelkritik:

Dem HSV fiel auch danach nicht viel ein. Er spielte fehlerhaft, umständlich und mit dem „Hemmschuh“ (Boldt) und kam nur noch durch einen Fernschuss des eingewechselten Giorgi Chakvetadze zum Anschluss, der durch einen kapitalen Torwartfehler von Jannik Huth ermöglicht wurde (90.+1). „Die Lockerheit und die Überzeugung waren gestern nicht da“, sagte Boldt und zog Parallelen zur vergangenen Saison, als ebenfalls nach einem starken 2:0-Heimsieg gegen Heidenheim der Einbruch erfolgte. „Danach war vielleicht eine Erleichterung drin. Vielleicht hat der eine oder andere zu sehr geglaubt, man sei gereift. Aber das ist nicht so. Du musst es in jedem einzelnen Spiel 90 Minuten abrufen.“

Boldt stärkt HSV-Coach Walter den Rücken

Vor einem Jahr folgten auf das Heidenheim-Spiel unter Daniel Thioune fünf sieglose Spiele in Serie und schließlich das Aus für den Trainer, der laut Boldt nicht mehr die Energie verkörpert habe, um auch über die Saison hinaus noch die Überzeugung für einen Neustart zu vermitteln. Aktuell sehe das anders aus. Walter bekommt trotz seiner ersten Krise beim HSV Rückendeckung. „Es gibt keine Veranlassung dazu“, sagte Boldt über mögliche Konsequenzen auf der Trainerposition. „Alles andere wäre komplett am Thema vorbei, wenn wir über Glaubwürdigkeit reden.“

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Doch auch Boldt selbst wird sich fragen, ob er noch die Kraft hat, gegen all die Widerstände einen weiteren Neustart zu planen. Der Aufsichtsrat wiederum wird sich fragen, ob Boldt nach drei vergeblichen Aufstiegsanläufen noch der Richtige ist, um einen vierten Versuch anzugehen.

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Boldt regt HSV-Debatte an

Noch aber ist die Saison ja nicht gelaufen, auch wenn es sich am Sonnabend nach dem Schlusspfiff im Stadion so anfühlte. Auch Boldt kann die Situation realistisch einschätzen. Aufgeben aber will er nicht. „Ich werde definitiv nicht die Flinte ins Korn werfen. Ich bin der Allerletzte, der sagt, die Saison ist vorbei.“ Angesichts der aktuellen Verfassung der Mannschaft spricht aber kaum etwas dafür, dass der HSV noch einmal die ersten drei Plätze angreifen kann.

Boldt regt daher eine Grundsatzdebatte über den Weg des HSV an. „Entweder man ist bereit, hier wirklich etwas aufzubauen, auch auf die Gefahr hin, dass die Maximalziele nicht eintreten“, sagte er. „Die Alternative ist, über Anteilsverkäufe, veränderte Strukturen und amerikanische Verhältnisse so viel Gelder einzusammeln, die auch Hoffenheim und Leipzig gebraucht haben, um einen Aufstieg zu garantieren. Das scheint hier nicht gewollt und das verstehe ich auch.“

Das Maximalziel wird wohl wieder verpasst. Die Debatten gehen weiter.

Die Statistik

  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim (69. Vagnoman) – Meffert – Reis (76. Rohr), Kittel – Jatta, Glatzel (86. Chakvetadze), Alidou (69. Kaufmann).
  • Paderborn: Huth – Schuster, Hünemeier, van der Werff – Ananou, Schallenberg (46. Thalhammer), Klement (90.+3 Yalcin), Collins – Pröger (83. Ademi), Muslija (72. Justvan) – Srbeny (72. Cuni).
  • Tore: 0:1 Srbeny (1.), 0:2 Srbeny (61.), 1:2 Chakvetadze (90.+3). SR: Thomsen (Kleve).
  • Zuschauer: 27.136.
  • Bes. Vork.: Huth hält Foulelfmeter von Glatzel (57.) nach Videobeweis.