Hamburg. Der HSV zeigt um Torwart Daniel Heuer Fernandes lange vermisste Attribute, die den Club von großen Zielen träumen lassen.
Seine Augen sehen noch etwas müde aus, als Daniel Heuer Fernandes am Donnerstagvormittag am Trainingsplatz im Volkspark vor vier Fernsehkameras steht. „Die Nacht war kurz“, sagt der HSV-Torhüter, der aber sofort wieder große Augen macht, als er über die emotionalen Erlebnisse am Abend zuvor spricht. „Das sind die Spiele, für die man Profi geworden ist“, sagt Heuer Fernandes, der am Mittwochabend mit zwei gehaltenen Elfmetern am Ende entscheidend dazu beigetragen hatte, dass der HSV durch das 5:4 (2:2) nach Elfmeterschießen gegen den Karlsruher SC in das Halbfinale des DFB-Pokals eingezogen war.
Und den ganzen Club träumen lässt, erstmals seit dem Pokalsieg 1987 wieder in das Finale von Berlin einzuziehen. Heuer Fernandes konnte sich zwar nicht mehr erinnern, was er in der Nacht geträumt hatte, aber die Gedanken an ein mögliches Endspiel sind bereits da. „Wenn du im Halbfinale bist, willst du auch eine Runde weiterkommen“, sagte der erneute Pokalheld.
HSV News: Heuer Fernandes hat Manuel Neuer als Vorbild
Zum dritten Mal in Folge konnte sich der 29-Jährige die DFB-Trophäe des „Man oft the match“ in sein Wohnzimmer stellen. Zum dritten Mal in Folge hatte Heuer Fernandes im Elfmeterschießen den Sieg gesichert. Wie schon zuvor in der zweiten Runde beim Ligakonkurrenten 1. FC Nürnberg und im Achtelfinale beim Bundesligisten 1. FC Köln. Der Torwart ist zum Sinnbild einer Mannschaft geworden, die in dieser Saison beim HSV lange vermisste Tugenden ausstrahlt: Widerstände überwinden, bis zum Ende an sich glauben. Oder wie es der berühmte Oliver Kahn 2001 nach der Münchner Last-minute-Meisterschaft auf dem Rasen des Volksparkstadions in den Armen von Trainer Ottmar Hitzfeld rief: „Weiter, immer weiter.“
An dem Ort, an dem Kahn seine so oft zitierten Worte sagte, stand am Mittwoch um 21.20 Uhr Heuer Fernandes inmitten einer Jubeltraube. Der HSV-Torhüter hat zwar nicht Oliver Kahn als Vorbild, sondern dessen Nach-Nachfolger Manuel Neuer, doch mit seinen Auftritten in dieser Saison erinnert Heuer Fernandes an den mehrfachen Welttorhüter Kahn und dessen Leitsätze.
Heuer Fernandes lobt Jatta
Und mit ihm ein ganzes Team. „Diese Mannschaft hört einfach nie auf“, sagte ein stolzer Trainer Tim Walter nach dem Spiel. Nur drei Tage nach der am Ende ungekrönten Aufholjagd im Nordderby gegen Werder Bremen (2:3) gab sich der HSV in der zweiten Halbzeit gegen den KSC trotz eines 0:2-Rückstands kurz nach der Pause nicht geschlagen. Stürmer Robert Glatzel brachte die Hamburger mit seinem Doppelpack (52./90.+1) in die Verlängerung und hätte sich die Auszeichnung zum „Man of the match“ ebenso verdient wie Bakery Jatta, der in der zweiten Halbzeit wie ein Verrückter lief.
„Baka ist der Wahnsinn. Wie man so marschieren kann, ist mir ein Rätsel“, sagte Heuer Fernandes, der nicht nur seine zwei Kollegen, sondern auch den neuen Geist in der gesamten Mannschaft herausstellte. „Gestern haben uns einige schon abgeschrieben. Aber wir haben immer an uns geglaubt.“
„Was Ferro darstellt, steht für diese Mannschaft“
Attribute, die auch für Heuer Fernandes und seine Zeit beim HSV stehen. Trotz mehrfacher Nackenschläge blieb der gebürtige Bochumer beim HSV beharrlich. Ex-Trainer Dieter Hecking degradierte ihn vor zwei Jahren nach 29 Spieltagen trotz ordentlicher Leistungen. Dann setzte ihm Sportvorstand Jonas Boldt mit Sven Ulreich einen neuen Stammkeeper vor die Nase. Und auch vor dieser Saison war nicht klar, ob der Torhüter die Nummer eins wird. Bis Tim Walter neuer Trainer wurde und sich klar zu Heuer Fernandes bekannte. Dieses Vertrauen zahlt der Torwart zurück. Der „Kicker“ führt ihn als notenbesten Spieler der laufenden Zweitligasaison, obwohl seine Mannschaft in dieser Wertung nur auf Rang zehn liegt.
„Was Ferro darstellt, steht für diese Mannschaft“, sagte Walter am Mittwochabend. Der Chefcoach hat es geschafft, eine neue Energie in die Mannschaft zu bringen und seine Trainingsreize auf die Spiele zu übertragen. Insbesondere dann, wenn die Schlussphase anbricht. „Wenn man sich unser Training anguckt, sieht man, dass in den Abschlussspielen am Ende viel Spannung drin ist. Das ist unsere Philosophie“, sagt Heuer Fernandes. Die Mannschaft macht zwar Fehler. Aber die Fans honorieren, dass sie bis zum Ende alles gibt.
Heuer Fernandes blieb im Viertelfinale mutig
Auch Heuer Fernandes blieb im Viertelfinale nicht fehlerfrei. Einen seiner Manuel-Neuer-Ausflüge nutzte Benjamin Goller beinahe zur Führung aus, zudem stellte der Torhüter die Freistoßmauer vor dem 0:1 falsch. Doch Heuer Fernandes blieb mutig, machte mehrfach erfolgreich den Neuer, als er weit aus seinem Tor kam. So fordert es Torwarttrainer Sven Höh ein. Passend zu dieser Woche hatte der HSV in seinem Clubmagazin eine monothematische Ausgabe zu den Torhütern veröffentlicht. Darin wurde auch Heuer Fernandes interviewt, der über Höh sagte: „Seine Idee vom ganzen Torwartspiel ist anders, und diese hat jeden von uns weitergebracht.“
Als der KSC am Mittwochabend den letzten Elfmeter verschossen hatte, lief Heuer Fernandes direkt los. „Eigentlich wollte ich zum Torwarttrainer. Es ist eine besondere Beziehung zwischen uns. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Dann bin ich einfach zu den Fans“, sagt Heuer Fernandes. Wieder leuchten die Augen. „Ich liebe es. Gerne mehr davon.“
HSV tritt gegen den 1. FC Nürnberg an
Dabei ist Heuer Fernandes bis zu dieser Saison gar nicht als Elfmeter-Killer in Erscheinung getreten. In der regulären Spielzeit hat er von den letzten zehn Elfmetern keinen gehalten. Zuletzt parierte er 2018 für Darmstadt 98 gegen Paderborn, kurioserweise gegen seinen heutigen Kapitän und Abwehr-Partner Sebastian Schonlau. Erstmals hielt Heuer Fernandes 2019 in der ersten Pokalrunde beim Chemnitzer FC einen Versuch im Elfmeterschießen. Dann wieder beim Zweitrundenspiel in Nürnberg im Oktober. Es war der Elfmeter, bei dem sich Heuer Fernandes eine Kapselverletzung im Knie zuzog und zwei Monate ausfiel.
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Am Sonnabend geht es nun wieder zum 1. FC Nürnberg (20.30 Uhr). Es ist das dritte schwere Spiel innerhalb von sechs Tagen. Nürnberg (39 Punkte) könnte mit einem Sieg sogar am HSV (41) vorbeiziehen. Es wird auch wieder auf Heuer Fernandes ankommen, der bislang die Saison seines Lebens spielt.
HSV News: Heuer Fernandes heiratet Freundin Joana
Im Sommer könnte er gleich dreifach Grund zum Feiern haben. Im vierten Anlauf soll endlich die Rückkehr in die Bundesliga gelingen. Und womöglich spielt der HSV eine Woche nach der Saison dann auch noch das DFB-Pokalfinale. Das größte Highlight steht für Heuer Fernandes aber erst im Juni an. Dann wird er seine langjährige Freundin Joana heiraten, die er vor acht Jahren in Osnabrück kennengelernt hat.
Terminprobleme könnte es nur für den HSV geben, wenn er ins Pokalfinale einzieht und gleichzeitig in der Relegation um den Aufstieg spielt. Beim Termin seiner Hochzeit hat Heuer Fernandes alle möglichen Szenarien bedacht. „Es ist alles gut eingeplant. Ich kann beim Pokalfinale dabei sein“, sagt der Torhüter, lacht und macht wieder große Augen. Zunächst steht ohnehin erst einmal das Halbfinale an (19./20. April), das am Sonntag in der ARD-Sportschau ausgelost wird. Bis dahin darf nicht nur Heuer Fernandes von mehr träumen.
Die DFL hat die Spieltage 28-30 terminiert: HSV – Paderborn (Sa., 2.4., 13.30 Uhr), Kiel – HSV (So., 10.4., 13.30 Uhr), HSV – Karlsruhe (Sa., 16.4., 20.30 Uhr).