Hamburg. Der HSV geht als Favorit ins Pokalviertelfinale – und will sich zwei Wochen vor der Lizenzierung dringend benötigte Einnahmen sichern.

Bernd Wehmeyer hat sich für den kommenden Sonntag noch nichts Besonderes vorgenommen. Doch wie die meisten Fußballer ist auch der frühere Außenverteidiger des HSV, der in seiner Karriere so ziemlich alles bis auf den DFB-Pokal gewinnen konnte, abergläubisch und will nicht vor der Jagd das Fell des Bären verteilen.

„Erst einmal wollen wir das Viertelfinale spielen“, sagt der HSV-Clubmanager, der bei der Partie am Mittwoch (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) gegen den Karlsruher SC „selbstverständlich“ im Volksparkstadion dabei sei. Sollte sein HSV aber tatsächlich der Favoritenrolle gerecht werden, dürfte Wehmeyer bereits am Tag danach eine Anfrage für den kommenden Sonntag erhalten. Denn dann folgt die obligatorische Auslosung im Fußballmuseum in Dortmund. Und Pokalauslosungen waren beim HSV zuletzt Wehmeyer-Sache.

DFB-Pokal: Für den HSV geht es um ziemlich viel Geld

„Ich freu mich jetzt erst einmal auf das Spiel gegen den KSC“, sagt Hamburgs personifizierter Glücksbringer, der sich am Tag vor dem Viertelfinale doch ein Wenn-dann-Szenario erlaubt. „Wenn wir wirklich gewinnen sollten, dann würde uns das natürlich auch finanziell ziemlich guttun“, sagt Wehmeyer.

Ziemlich gut ist noch ziemlich untertrieben. So geht es für den HSV an diesem Mittwochabend neben dem größtmöglichen sportlichen Erfolg seit der Halbfinalteilnahme 2019 gegen RB Leipzig (1:3) in finanziell schweren Zeiten vor allem um ziemlich viel Geld. Neben der offiziellen DFB-Prämie in Höhe von 2,008 Millionen Euro dürfte der Sieger auch – abhängig vom Gegner und der Größe des Stadions – noch einmal mit zusätzlichen Zuschauereinnahmen von knapp einer Million Euro rechnen.

„Die oberste Priorität ist die sportliche Perspektive“

Zur Erinnerung: Die Zuschauereinnahmen werden im Pokal nach Abzug aller Kosten unter den Gegnern geteilt. Aber bei einem nach den Corona-Einschränkungen wahrscheinlich erstmals wieder voll ausgelasteten Stadion (egal ob beispielsweise in Hamburg, Leipzig oder Hannover) am 19. oder 20. April ist jeweils eine hohe sechsstellige Einnahme wahrscheinlich. Sollte der HSV sogar den Pokal in Berlin holen, würde es darüber hinaus auch noch Prämienzahlungen der Sponsoren im sechsstelligen Bereich geben. Einziger Wermutstropfen bei all den Rechnereien: Gelingt dem HSV an diesem Mittwoch tatsächlich der Halbfinaleinzug, wären auch Prämien in Höhe von rund 250.000 Euro für die Spieler fällig. Viel Geld, das der Vorstand ausnahmsweise aber gerne ausgeben würde.

Auf die Frage, was die Partie finanziell, atmosphärisch und sportlich für den HSV bedeuten würde, machte Sportvorstand Jonas Boldt seine Prioritäten schnell klar: „Ich würde die Reihenfolge umdrehen. Die oberste Priorität ist die sportliche Perspektive“, sagte Boldt, der aber auch nicht verhehlen wollte, dass ein Weiterkommen „natürlich wirtschaftlich helfen“ würde.

HSV-Trainer Walter lässt sich nicht in die Karten gucken

Gerade einmal eine Woche ist es her, dass Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam über die bevorstehende Lizenzierung gesprochen haben. Und obwohl die vollständigen Unterlagen spätestens bis zum 15. März eingereicht werden müssen, wurden sie nach Abendblatt-Informationen eben noch nicht abgeschickt. Der Hintergrund: Mögliche Zusatzeinnahmen aus dem Pokal, bei dem vor der Saison nur das Erreichen der zweiten Runde prognostiziert wurde, würden dem HSV finanziell ganz neue Spielräume ermöglichen.

Trainer Tim Walter machte sich am Tag vor dem Viertelfinale aber vor allem darüber Gedanken, wie er die Räume auf dem Spielfeld am Mittwochabend neu besetzen will. Beim Abschlusstraining am frühen Dienstagnachmittag ließ sich der frühere Karlsruher allerdings nicht in die Karten gucken. Dabei wäre es wenig verwunderlich, wenn er mit David Kinsombi neben den Ex-KSC-Mittelfeldmann Jonas Meffert noch einen weiteren Ex-Karlsruher ins Zentrum beordert. Kinsombi, den kurioserweise einst Ex-HSV-Sportchef Jens Todt als 20-jährigen Jungspund in den Wildpark geholt hat, wusste bei seinen letzten Kurzeinsätzen sehr zu gefallen und könnte den formschwachen Ludovit Reis ersetzen.

DFB-Pokal: RB Leipzig ist das letzte echte Großkaliber im Viertelfinale

Auch in der Offensive scheint ein Wechsel in der zuletzt zementierten Startelf denkbar: Winter-Neuzugang Giorgi Chakvetadze könnte für den etwas überspielten Faride Alidou von Anfang an auflaufen. Chakvetadze hat übrigens keine Karlsruher Vergangenheit, was nur deswegen erwähnenswert ist, weil neben Meffert und Kinsombi auch alle sportlichen HSV-Startelf-Entscheider mit Trainer Walter, Co-Trainer Julian Hübner und sogar Sportdirektor Michael Mutzel eine ausgeprägte KSC-Historie haben.

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An diesem Mittwoch steht allerdings zu viel auf dem Spiel, als dass man sich beim HSV zu viele Gedanken über Klassentreffszenarien machen sollte. Nach dem Exodus der Spitzenteams um Bayern München und Dortmund ist RB Leipzig das letzte echte Großkaliber, das im Viertelfinale übrig geblieben ist. Mit ein bisschen Losglück am Sonntag (und ein bisschen Spielglück an diesem Mittwoch und im April) könnte der erste Finaleinzug seit 1987 tatsächlich möglich sein.

„Jetzt wollen wir uns erst einmal auf diesen Mittwoch konzentrieren“

An das damalige Endspiel kann sich auch Bernd Wehmeyer noch bestens erinnern. Nicht, weil er dabei war. Sondern, weil er nicht dabei war. Der heutige Vizepräsident des HSV e. V. hatte 1986 ein Jahr zu früh seine Karriere beendet, nachdem er alles – bis auf den DFB-Pokal – gewonnen hatte. Doch auch die Zuschauerrolle blieb Wehmeyer beim Endspiel gegen die Stuttgarter Kickers verwehrt. Gerade noch rechtzeitig vor einem drohenden Blinddarmdurchbruch lag der damalige Adidas-Repräsentant im Krankenhaus Heidberg und erholte sich von den Folgen seiner Operation. Den 3:1-Triumph gegen die Stuttgarter Kickers konnte er nur im Radio verfolgen.

35 Jahre später hätte Wehmeyer nichts dagegen, wenn er diesmal live im Stadion dabei wäre, wenn er seinen letzten fehlenden Titel feiern könnte. „Wenn man nicht als Spieler dabei ist, wäre der Anteil natürlich ungleich kleiner. Aber meine Freude wäre genauso groß“, sagt Wehmeyer, der schnell wieder in den Bloß-nicht-über-ungelegte-Eier-sprechen-Modus zurückwechselt: „Jetzt wollen wir uns aber erst einmal auf diesen Mittwoch konzentrieren.“

Geht alles gut – Achtung: ungelegte Eier! –, dürfte eine Einladung zur Auslosung am Sonntag (19.15 Uhr) folgen. Losfee (Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte) und Ziehungsleiter (Bundestrainer Hansi Flick) stehen bereits fest. Fehlt also nur noch der HSV-Glücksbringer.