Murcia/Hamburg. Der frühere Torwart Andreas Reinke stand für die Nordrivalen und den HSV auf dem Feld. Für die Tabelle hat er nur einen Wunsch.

19, 20 Grad, die Sonne steht am blauen Himmel, der Frühling naht. Es gibt gerade schlimmere Orte als Murcia im Südosten Spaniens. Andreas Reinke hat es offenbar gut getroffen. Seit sechs Jahren lebt der 53-Jährige wieder überwiegend dort, „zwischen Oliven- und Zitronenbäumen“, wie er sagt. Doch trotz der großen räumlichen Entfernung schaut der ehemalige Torwart sehr genau hin, was seine Nachfolger bei Werder Bremen, dem FC St. Pauli und dem HSV so machen – für alle drei Nordclubs hat der Mecklenburger schließlich mal gespielt.

„Ich wünsche mir natürlich, dass alle drei aufsteigen“, sagt Reinke im Telefonat mit dem Abendblatt. Dabei ist ihm klar, dass nur zwei Clubs direkt in die Bundesliga hoch können und der dritte in die Relegation muss. Und? Sein Tipp? „Ich glaube, dass sich Werder mit Trainer Ole Werner stabilisiert hat. St. Pauli hat seinen Negativlauf gestoppt, und in der Truppe stimmt es, der Trainer Timo Schultz strahlt Ruhe aus“, meint Reinke, „beim HSV aber traue ich dem Frieden noch nicht so recht, die haben in den vergangenen drei Jahren ja immer den Aufstieg verspielt.“

Reinkes Profikarriere begann 1990 beim HSV

Beim HSV begann 1990 seine Profikarriere. Er kam von Dynamo Schwerin und war als Torwart für die damals drittklassigen „Amateure“ vorgesehen, trainierte aber bei den Profis mit. Im August 1991 stand er für den HSV bei einer 0:3-Niederlage bei den Stuttgarter Kickers erstmals in der Bundesliga im Tor. 1993 wechselte er zum FC St. Pauli, wo er Stammtorwart vor Klaus Thomforde in der Zweiten Liga war, schon 1994 aber ging er zum 1. FC Kaiserslautern. Über weitere Stationen in Saloniki (2000/2001) und Murcia (2001) kam er 2003 nach Bremen, wo er 2007 seine Laufbahn beendete.

Reinke ist der einzige Stammtorwart in der Bundesligageschichte, der mit zwei Vereinen (Kaiserslautern 1998, Werder 2004) deutscher Meister wurde. Außerdem stieg er mit Kaiserslautern (1997) und Real Murcia (2003) in die oberste Klasse auf. Er weiß also, wie Erfolg geht. „Das Wichtigste ist immer, dass du als Spieler nur an morgen denkst, nur an das nächste Spiel“, sagt er, „das ist heute mit den ganzen Einflüssen von außen sicherlich schwerer als zu meiner Zeit.“

Reinke ist noch Teil von Werder Bremens Traditionsmannschaft

Bei Bremen, in dessen Traditionsmannschaft Reinke ab und an noch aufläuft, wenn es passt, scheint das zu gelingen. „Ole Werner kriegt das gut hin, die anfänglichen Anpassungsprobleme in der Liga sind offenbar überwunden“, meint Reinke angesichts von sieben Siegen in Folge und erinnert sich: „Als wir mit Kaiserslautern 1996 abgestiegen waren, hat es auch einige Zeit gedauert, bis wir uns angepasst hatten.“

Die Bremer haben allerdings noch ein knüppelhartes Restprogramm vor sich. Sie müssen gegen alle fünf weiteren Topteams antreten, und nur gegen Darmstadt 98 haben sie Heimrecht. Vor allem tauchen sie zu entscheidenden Spielen – mal wieder – in Hamburg auf. Am 27. Februar reisen sie zum Nordderby beim HSV an, man ahnt, wie viel Zündstoff da wieder in der Luft liegen wird. Am 9. April kreuzt Werder dann am Millerntor auf. Auch nach Schalke und Heidenheim müssen die Bremer reisen. Allerdings stellt Werder bei sieben Siegen aus zwölf Spielen das derzeit beste Auswärtsteam der Liga.

HSV und St. Pauli sind die heimstärksten Teams der Liga

Das Gegenteil ist der HSV: Das Nordderby im Volkspark gegen Werder ist das letzte Spiel gegen einen der derzeitigen Top sechs, und daheim ist der HSV zudem ungeschlagen. Er stellt mit 24 Zählern die beste Heimmannschaft nach St. Pauli, das am Millerntor achtmal gewann und 26 Punkte sammelte. Noch sieben Heimspiele, darunter die Top-Partien gegen Bremen, Darmstadt und Heidenheim, sind St. Paulis Faustpfand im Aufstiegskampf.

Die Unterstützung der Heim-Fans für St. Pauli könnte insbesondere dann noch ein ganz entscheidender Vorteil werden, wenn sich Bund und Länder in ihrem Gipfel an diesem Mittwoch gemäß eines ersten Beschlussvorschlags darauf verständigen, ab dem 4. März eine Auslastung der Stadien von bis zu 60 Prozent und maximal 25.000 Zuschauer zuzulassen. Für St. Pauli wären das immerhin 18.000 erlaubte Fans und eine Stimmung, die den „Millerntor-Roar“ möglich macht. Der HSV müsste bei 25.000 bleiben.

Unterstützung der Fans sei "ganz wichtig"

„Dass die Fans voll hinter der Mannschaft stehen, ist ganz wichtig“, weiß Andreas Reinke aus Sicht eines ehemaligen Spielers. Dabei meint er nicht nur die Unterstützung im Stadion, sondern auch außerhalb. Die Spieler kriegen eben mit, was auch in sozialen Netzwerken so veröffentlicht wird, wie die Stimmung auf der Straße ist. „Das Beste ist, wenn die Jungs sich überhaupt nicht ablenken lassen, aber das ist nicht so einfach.“

Problematisch sind beim Tabellenführer vom Millerntor die große Zahl der Gegentore seit Beginn der Rückrunde. In allen fünf Spielen traf der Gegner mindestens zweimal ins Schwarze. „Es ist nicht die Zeit für Eleganz, es geht darum sich zu wehren“, sagte Schultz nach dem 3:2 in Regensburg und forderte mehr Konsequenz in der Abwehrarbeit: „Es geht darum, was hinten nicht ganz so gut klappt, mit noch mehr Einsatz und noch mehr Willen wettzumachen.“

Einsatz, Wille, eine eingeschworene Truppe mit dem gleichen Ziel – das ist auch für Aufstiegsexperte Reinke entscheidend. „Du brauchst eine intakte Mannschaft, eine gute interne Stimmung“, weiß er, „da helfen auch nicht die besten Einzelkönner oder Stars – es ist jetzt ganz wichtig, als Team immer stabil zu bleiben.“ Er wird den spannenden Aufstiegskampf aus Murcia verfolgen, ohne sich festlegen zu wollen, wem er den Erfolg am meisten gönnt. „Ich habe überall Freunde und Kontakte“, sagt er, „auch wenn ich manchmal denke, es ist schon so lange her.“