Hamburg. Zum zehnten Mal in dieser Saison muss sich Kurt Krägel auf neue Kapazitätsgrenzen einstellen. Worauf er nun hofft.

An diesem Donnerstag gibt es beim HSV wieder Redebedarf. Alle Gewerke, die für den Club arbeiten, kommen auf Einladung von Stadionchef Kurt Krägel im Volkspark zusammen, um über das Heimspiel am Sonnabend (13.30 Uhr) gegen Heidenheim zu sprechen.

Seit ein paar Tagen steht fest: 10.000 Zuschauer dürfen kommen, was allein in dieser Saison die zehnte Kapazitätsänderung bedeutet. „Die Stadionordnung muss neu geschrieben werden, und jedem Ordner müssen die Regeln neu erklärt werden“, sagt Krägel, der bereits am Dienstag die kleine und die große Sicherheitsbesprechung mit bis zu 30 Fachkräften hinter sich gebracht hat.

HSV News: Krägel seit 1997 Chef im Volkspark

Kurt Krägel hat schon viel in seinem Leben als Bereichsleiter Arenatechnik erlebt. Seit 1997 ist der Eppendorfer Chef im Volkspark. An seinem ersten Arbeitstag schoss Dirk Weetendorf zwei Tore zum 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund. Der HSV war am vorletzten Spieltag gerettet – und für Krägel sollte das große, bunte Stadionerlebnis beginnen.

Helene Fischer half er, ihre verloren gegangenen Schuhe zu suchen, Udo Lindenberg durfte sich mit Couch, Sack und Pack in der HSV-Kabine breitmachen, und Diego Maradona musste er helfen, in die Kabine der argentinischen Nationalmannschaft zu kommen. Seit 25 Jahren ist Krägel der Mann für alles im Volkspark – doch die Geschehnisse in dieser Saison sind eine ganz eigene Herausforderung.

„Die Zuschauerzahlen ändern sich ja ständig“

„Die Zuschauerzahlen ändern sich ja ständig“, sagt Krägel bei seinem Besuch in der Abendblatt-Redaktion am Großen Burstah – und geht in Gedanken die unterschiedlichen Kapazitätsgrenzen in dieser Spielzeit durch: 5700 Fans durften bei der Saisoneröffnung rein, 17.100 beim ersten Heimspiel gegen Dresden. Dann 17.950 (gegen Darmstadt), 19.950 (gegen Sandhausen), ab dem Düsseldorf-Heimspiel waren zwischendurch sogar 57.000 Zuschauer wieder möglich.

Gegen Rostock waren es wieder „nur“ 15.000, dann erlaubte die Politik sogar nur 5000, ehe Geisterspiele beschlossen wurden. Im Heimspiel gegen St. Pauli kam die Stadt Hamburg dem HSV entgegen und genehmigte 2000 Zuschauer, nun sind es 10.000 gegen Heidenheim.

„Ich vermisse jeden einzelnen Zuschauer"

HSV-Stadionchef Kurt Krägel zu Besuch beim Abendblatt.
HSV-Stadionchef Kurt Krägel zu Besuch beim Abendblatt. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Doch wer mit Diego Maradona, Eminem und Bruce Springsteen fertig wird, der lässt sich auch von den ständig wechselnden Zuschauerregeln nicht aus dem Konzept bringen. „Gegen Bremen würden wir auch 25.000 Zuschauer schaffen“, sagt Krägel, der vor dem Nordderby am 27. Februar und vor dem Pokalviertelfinale gegen Karlsruhe (2. März) auf eine erneute Aufstockung hofft.

Die Gespräche mit den Verantwortlichen würden aber Direktor Daniel Nolte und Neu-Vorstand Thomas Wüstefeld führen, er sei dann für die Umsetzung zuständig. Für die Partie gegen Heidenheim hat am Mittwoch der Kartenverkauf begonnen, alle A- und B-Ränge mit Ausnahme der Stehplatzbereiche werden im Schachbrettmuster benutzt. „Ich vermisse jeden einzelnen Zuschauer – auch die Ultras“, sagt Krägel.

Ultras hielten vor vier Jahren Anti-Krägel-Plakate hoch

Der 63-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass er zur aktiven Fanszene ein spezielles Verhältnis hat. Vier Jahre ist es her, dass beim Heimspiel des HSV gegen Freiburg eine ganze Reihe von Anti-Krägel-Plakaten hochgehalten wurden. „Krägel raus“ oder „Hau ab“ waren nur zwei der Botschaften, die sich der Hamburger zu Herzen nehmen musste. „Die Anfeindungen haben mich schon betroffen gemacht“, gibt er zu. „Ich war die einzige Person, die für die Fans noch greifbar war. Trainer, Sportchef, Präsident – alle waren rausgeworfen. Aber am meisten hat es meine Familie bedrückt.“

Der Hintergrund der Hass-Nachrichten: Der Sicherheitsbeauftragte hatte 106 Stadionverbote ausgesprochen, nachdem „Fans“ im Anschluss an eine 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC versucht hatten, die Kabine zu stürmen. „Ein Spieler war so erschrocken von der Wucht der Reaktion, dass er weinend zurück in die Kabine musste“, erinnert sich Krägel, der trotz der Anfeindungen den Dialog mit den Ultras suchte. Was bis heute niemand weiß: Alle 106 Anhänger wurden anschließend in den Presseraum im Volksparkstadion zu Gesprächen gebeten – und danach begnadigt. „Die Schmährufe gingen trotzdem weiter“, sagt Krägel, der die aktive Fanszene dennoch vermisst: „Die Ultras fehlen!“

HSV News: EM 2024 als wohl letztes Karriere-Highlight

Sein größter Wunsch: eine gemeinsame Aufstiegsfeier im ausverkauften Stadion im Sommer. „Ich glaube schon, dass es dieses Jahr klappen kann“, sagt Krägel, der bereits seit 1968 Mitglied beim HSV ist. Als Fan war er 1977 beim Europacupsieg gegen Belgiens Serienmeister RSC Anderlecht in Amsterdam dabei, als Stadionchef half er 2000 nach dem Tor zum 4:3 gegen Juventus Turin, den Rasen von auf das Feld geworfenen Sitzkissen zu befreien. Den Abstieg 2018, als eine Reiterstaffel der Polizei Ausschreitungen verhindern musste, verfolgte er mit Ex-Vorstand Frank Wettstein aus der Einsatzzentrale der Polizei.

Wer all das erlebt hat, den schocken weder wöchentlich wechselnde Corona-Regeln noch ein Anforderungskatalog der Uefa. Denn die ist nach der Fifa bei der WM 2006 im Sommer 2024 zur Europameisterschaft im Volkspark zu Gast. „Das könnte mein letztes großes Highlight werden“, sagt Krägel, dessen Rentenzeit eigentlich schon im Mai 2024 losgehen würde. Die EM als Schlusspunkt will er sich aber nicht nehmen lassen. Einen Nachfolger für die Zeit danach habe er allerdings schon ausgesucht. „Es gibt viele schöne Stadien in Deutschland“, sagt Krägel. „Aber das Volksparkstadion ist das schönste.“

Hier darf gerne die EM stattfinden – und hier darf auch gerne Heidenheim vor 10.000 Zuschauern geschlagen werden.