Hamburg. 90 Minuten + Nachspielzeit: Sven Töllner (Sky) und das Abendblatt analysieren die HSV-Hinrunde und blicken auf die Rückserie voraus.
Passend zum 111. Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ gingen kurz vor Silvester im Studio am Großen Burstah um 11.11 Uhr die Diskussionen so richtig hoch her. Allerdings hat weder Sky-Experte Sven Töllner mit Schnaps angestoßen, noch wurde Alaaf oder Helau gerufen. Stattdessen konzentrieren sich Töllner und das Abendblatt darauf, die abgelaufene Hinrunde des HSV und die bevorstehende Rückserie in verschiedenen Kategorien zu analysieren. In wie vielen? Natürlich in elf.
Unter anderem gesucht wurden die Gewinner, Verlierer, die Youngster und die Überraschungen der bisherigen Saison. Und – Achtung Spoiler! – Überflieger Faride Alidou war in den 90 Minuten plus Nachspielzeit fast immer Gesprächsthema Nummer eins, wurde aber in keiner einzigen Kategorie nominiert.
HSV: Hinrunde und Rückserie in der Analyse
1. Die Gewinner: Sonny Kittel wäre ein würdiger Sieger dieser Kategorie – da war man sich im Podcast-Studio schnell einig. Gewählt wurde der Mittelfeldregisseur aber nicht. Töllner entschied sich für Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der nach seiner Degradierung in der vergangenen Saison eine Art Comeback des Jahres feierte. Und die beste Nachricht: Der Keeper, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft, soll in Kürze verlängern. Sein Management und Sportdirektor Michael Mutzel haben sich grundsätzlich geeinigt, auch die Vertragslaufzeit steht fest. Letzte Details sollen bis zum Trainingslager geklärt werden. Neben dem Keeper ist für Töllner auch Trainer Tim Walter einer der Gewinner dieser HSV-Vorrunde. Der Coach sei mit viel Skepsis empfangen worden und habe bislang einen sehr starken Job gemacht.
Das Abendblatt entschied sich für Teammanager Lennard Coerdt und Mannschaftsarzt Götz Welsch, die es unter größten Anstrengungen geschafft haben, den HSV bislang in dieser Hinserie von Corona zu verschonen – und unter den Profis eine einhundertprozentige Impfquote hinzubekommen.
2. Die Verlierer: Wo es Gewinner gibt, da gibt es auch Verlierer. Hierbei waren sich Töllner und das Abendblatt komplett einig und haben Manchester-City-Leihgabe Tommy Doyle auserkoren. Der 20-Jährige spielte trotz großer Vorschusslorbeeren keine Rolle unter Trainer Walter – und dürfte deswegen in den kommenden Tagen die ursprünglich einjährige Leihe bereits vorzeitig beenden. Schade, Schokolade.
3. Der Youngster: Faride Alidou? Von wegen! Auch hier waren sich der Sky-Moderator und das Abendblatt einig: Als vielversprechendste Nachwuchskraft wurde Innenverteidiger Mario Vuskovic (20) gewählt. Der Kroate ist für 1,2 Millionen Euro für zwei Jahre von Hajduk Split ausgeliehen, kann anschließend für 3,5 Millionen Euro gekauft werden. Ein stolzer Preis für einen nicht auf Rosen gebetteten Zweitligisten. Aber: „Vuskovic ist jeden Euro wert“, sagt Töllner.
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4. Die Überraschung der Hinrunde: Und nun Alidou? Wieder nichts. Töllner entschied sich für Jonas David, dem nach drei wenig erfolgreichen Jahren bei den Profis kaum einer zugetraut hätte, sich mit 21 Jahren noch durchzusetzen. Außer Tim Walter. Der baute voll auf den spielstarken Innenverteidiger, der dieses Vertrauen bis zu seiner Verletzung mit starken Leistungen zurückzahlte.
Das Abendblatt verließ für den Moment den Rasen und nominierte die Vereinspolitik. Die Begründung: Der Aufsichtsrat wurde auf links gedreht, die Zukunft des Vorstands ist nach dem angekündigten Rückzug von Finanzchef Frank Wettstein, der spätestens Ende Mai gehen wird, ungewiss – und trotzdem ist es HSV-untypisch ruhig hinter den Kulissen. Bleibt nur die Frage, ob es nur die Ruhe vor dem Sturm der Mitgliederversammlung am 29. Januar ist.
5. Die mögliche Überraschung der Rückrunde: Robin Meißner! Glaubt Sven Töllner. Oder besser: Hofft Sven Töllner. Dem 22-Jährigen traut der Fernsehmann sehr viel mehr zu, als dieser bislang zeigen konnte. Das Abendblatt hat sich dagegen für Josha Vagnoman (21) entschieden. Der Außenverteidiger konnte verletzungsbedingt in der Vorrunde nur 14 Minuten spielen, soll im Januar wieder voll einsteigen und könnte in der Rückrunde eine echte Verstärkung werden.
6. Das beste Spiel: Es gab viele gute Spiele: Zuletzt das 4:1 gegen Regensburg, das 3:0 gegen Ingolstadt oder das 3:0 gegen Rostock. Aber für das Abendblatt war das erste Spiel der Saison auch das beste: das fantastische 3:1 auf Schalke.
Töllner hat sich für den wahrscheinlich emotionalsten HSV-Sieg entschieden: der 2:0-Erfolg im ersten Zweitliga-Nordderby gegen Werder Bremen.
7. Das schlechteste Spiel: Doch auch in dieser Hinserie gab es nicht nur Hurra-Fußball. Zweimal verlor der HSV – 2:3 gegen St. Pauli und 0:1 in Hannover. Doch in beiden Spielen konnte man dem HSV nicht einmal vorwerfen, besonders schlecht gespielt zu haben. Das taten die Hamburger dafür in der quälend langen Serie von 1:1-Remis. Und so einigte man sich auch im Podcast-Studio, dass das schlechteste Spiel des HSV in dieser Hinrunde das glückliche 1:1 in Überzahl bei Erzgebirge Aue war. Beim Zuschauen dachte man eher an Aua als an Aue ...
8. Der Transfer der Saison: Schwierig. Es gab viele gute Neuzugänge: Jonas Meffert zum Beispiel, der für 500.000 Euro aus Kiel kam. Der ausgeliehene Vuskovic oder der ablösefreie Ludovit Reis. Töllner entschied sich allerdings für Kapitän Sebastian Schonlau, der ebenfalls ablösefrei aus Paderborn kam. Für das Abendblatt ist Trainer Walter der entscheidende Neuzugang der Saison. Und Alidou? Wieder nichts – und das, obwohl der 20-Jährige wohl noch in diesem Winter transferiert werden soll. Die Gespräche zwischen dem HSV und Eintracht Frankfurt laufen – als Ablöse stehen 500.000 Euro im Raum.
9. Die größte Enttäuschung: Könnte der bevorstehende Wechsel Alidous sein – oder die erneute Derbyniederlage gegen St. Pauli. Doch Töllner hat sich für das Verhalten einiger „Fans“ entschieden, die beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf (1:1) nicht nur den Ex-Hamburger Khalid Narey auspfiffen, sondern diesen auch noch rassistisch beleidigten. Dass man über solche Dinge im Jahr 2021 noch immer sprechen und schreiben muss, ist tatsächlich die Enttäuschung des Jahres. Setzen, Sechs – und bitte nicht wieder ins Stadion kommen!
10. Die möglichen Abendblatt-Überschriften nach dem letzen Spieltag: Wie könnte die Titelzeile am 16. Mai, am Tag nach dem letzten Spiel in Rostock, lauten? „Aller schlechten Dinge sind vier“, weil zum vierten Mal auf Platz vier der Aufstieg verpasst wird? Oder im Gegenteil: „Die Bayern feiern: Wir dürfen zweimal an die Elbe!“, nachdem neben dem HSV auch St. Pauli aufsteigt? Töllner, der früher bei der „Mopo“ gearbeitet hat, hätte noch einen boulevardesken Vorschlag: „HSV-Fan nach Wiederaufstieg selig: Jetzt heißt mein Gott Walter.“ In fünf Monaten sind wir schlauer ...
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11. Die Top drei: Das gilt natürlich auch für die Tabelle. Aber ein bisschen orakeln wird ja wohl rund um Silvester erlaubt sein … Sven Töllner, der für Sky Sports News HD neben dem HSV auch alle anderen Nordclubs covert, hat sich auf eine echte Nordspitze festgelegt: 1. St. Pauli, 2. HSV, 3. Werder Bremen. Das Abendblatt erlaubt sich lediglich, Töllners drittplatzierten Bremer mit Schalke zu tauschen. Doch sicher ist ohnehin nur eines: Am Ende kommt es eh anders.
Das Podcast-Gespräch war nach 90 unterhaltsamen Minuten plus Nachspielzeit vorbei – das Rennen um den Aufstieg soll dagegen jetzt so richtig losgehen. Am 30. Dezember wird erstmals wieder im Volkspark trainiert, ehe es vom 2. bis zum 8. Januar ins Trainingslager nach Spanien geht. Das Fußballjahr 2022 startet so richtig am 14. Januar mit dem HSV-Spiel in Dresden, anschließend folgt auch schon das Stadtderby gegen St. Pauli. Sven Töllner wird definitiv dabei sein. Und Alidou? Schau’n mer mal ...