Hamburg. Der HSV-Stürmer lässt sich auch von 552 torlosen Minuten nicht beirren. Dabei hilft dem 27-Jährigen auch ein Song seines Namensgebers.

Es gibt da dieses eine Lied. „Get up, stand up“ von Bob Marley. „Komm hoch, steh auf: gib den Kampf nicht auf”, singt Künstler Marley, mit bürgerlichem Vornamen Robert Nesta. „Get up, stand up, don’t give up the fight.“ Und weiter heißt es: „Die Geschichte wurde nie ganz erzählt.“

Robert Nesta mag diesen Song. Der Fußballer Robert Nesta, gerne auch Bobby genannt. Robert Nesta „Bobby“ Glatzel. Denn auch seine Geschichte wurde nie so ganz erzählt.

„Es war immer ein ständiges Durchkämpfen“, sagt der HSV-Stürmer, als er vor Kurzem im sehr hörenswerten Podcast „Pur der HSV“ dann doch mal einen Einblick in diese sehr persönliche Geschichte gibt. „Ich habe gelernt, dass es immer weiter geht. Dass man immer wieder aufstehen muss. Egal, wie schlecht mal eine Phase ist.“

HSV-Stürmer Glatzel: Torquote ist nicht alles

Vielleicht muss man Glatzels ganze Geschichte kennen, um zu verstehen, warum den Torjäger möglicherweise einiges aus dem Konzept bringen kann, aber ganz sicher nicht ein paar Fußballspiele ohne eigenen Treffer.

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„Ein Stürmer wird immer an seinen Toren und an seiner Quote gemessen. Aber zum Profil eines Stürmers gehört viel mehr als nur das Toreschießen“, sagt nun Glatzel, als mal wieder die Minuten aufaddiert werden, seitdem der Angreifer nicht mehr ins Tor getroffen hat. 552 Minuten sind es vor der Partie am Sonntag gegen Hannover 96 (13.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de).

HSV: Walter gibt Glatzel Rückendeckung

„Auch die Arbeit gegen den Ball und das Teamplay sind wichtige Faktoren“, entgegnet Glatzel – und erhält dabei Rückendeckung von Trainer Tim Walter: „Wir brauchen einen Stürmer, der Qualitäten im Strafraum hat. Jetzt ist er da. Dafür wird er sich auch belohnen“, sagte Walter nach dem 4:1-Sieg des HSV gegen Ingolstadt – und bleibt auch nach dem glatzellosen 3:0-Sieg gegen Ingolstadt bei seiner Meinung: „Bobby arbeitet sehr hart für das Team und macht viele Bälle fest.“

Sein torloser Torjäger sei wichtig für das Team, „auch, wenn er aktuell nicht trifft. Aber das wird noch kommen.“ Vielleicht früher als man denkt. „Get up, stand up, don’t give up the fight!“

Robert Glatzel hat mit sechs Treffern am meisten Saisontore beim HSV, wartet aber seit fünf Spielen auf Tor Nummer sieben.
Robert Glatzel hat mit sechs Treffern am meisten Saisontore beim HSV, wartet aber seit fünf Spielen auf Tor Nummer sieben. © Imago/Michael Schwarz

Robert Glatzel ist nach Bob Marley benannt

Glatzels Vater Seium war es, der seinen Sohn nach dem Reggae-Sänger Bob Marley benannte. „Die VHS-Kassetten von seinen Konzerten liefen bei uns rauf und runter im Wohnzimmer“, sagt Glatzel, der die Leidenschaft für die Musik von seinem Papa aus Eritrea geerbt hat: „Auch ich liebe es zu singen.“

Dabei war Glatzels Karrierestart im Fußball eher zum Schreien als zum Singen. Nachdem der kleine Bobby das Fußball-Einmaleins eher nicht im Verein, sondern auf unzähligen Bolzplätzen in seiner Heimatstadt München („zum Beispiel auf dem Steinplatz am Eisbach“) gelernt hat, waren es der SC Fürstenfeldbruck, die zweite Mannschaft der SpVgg Unterhaching und die A-Jugend von 1860 München, bei denen sich Glatzel mehr schlecht als recht versuchte. „Je weiter ich vom Ziel entfernt war, desto entschlossener wurde ich“, erinnert sich Glatzel an die Zeit, als das tiefste Tal noch immer nicht durchschritten war.

Glatzel hatte seinen Tiefpunkt in der Bezirksliga

„Das war der schwerste Moment“, sagt der Angreifer, der bei 1860 keinen Vertrag mehr erhielt und schließlich von Amateurclub zu Amateurclub tingelte. Die Schule abgebrochen in der Fach-Oberstufe, ein Ausbildungsplatz nicht in Sicht, genauso wenig wie eine ernstzunehmende Profikarriere als Fußballer.

Der Tiefpunkt dann beim SV Heimstetten: Beim Regionalligaclub wurde er nach nur wenigen Trainingseinheiten in die zweite Bezirksliga-Mannschaft verbannt, wo es dann auch nicht besser für ihn laufen sollte. „Ich habe dann meinen Vertrag nach einem Monat aufgelöst“, erinnert sich der heutige Fußballprofi im Podcast „Pur der HSV“ zurück. „Ich stand vor dem Nichts.“

Glatzels Leistung explodierte mit der Vaterschaft

Die einzigen, die noch an Glatzels Durchbruch glauben wollten: Er selbst und Bob-Marley-Fan Seium. „Nur mein Vater hat mich noch unterstützt. Ich habe von ihm diese felsenfeste Überzeugung“, sagt Glatzel. „Get up, stand up, don’t give up the fight!“

Über Drittlist Wacker Burghausen, 1860 II und die zweite Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern erarbeitete sich Glatzel eine Profiperspektive. „Es ging erst einmal steil bergab, ehe es langsam wieder bergauf ging“, sagt Glatzel, dessen Leistung erst mit der Nachricht, dass seine damalige Freundin und heutige Frau Natascha mit Tochter Elea schwanger war, explodierte. Mit 22 Jahren durfte er schließlich in der Zweiten Liga für die erste Mannschaft des 1. FCK debütieren: „Ich bin ein Spätstarter.“

HSV? „Habe schon höhere Hürden überwunden“

Der Rest von Glatzels Geschichte ist dann schnell erzählt. Der Durchbruch beim 1. FC Heidenheim, 17 Profitore, darunter das denkwürdige Pokalviertelfinale gegen Bayern München mit drei Treffern. Der Wechsel auf die Insel zu Cardiff City, eine Bundesligaleihe zum 1. FSV Mainz 05 und schließlich seit Sommer Stammspieler beim HSV. „Ich weiß, dass ich schon viel Schlimmeres durchgemacht habe“, fasst Bobby die Glatzel-Geschichte zusammen.

Mittlerweile ist der kleine Bobby 27 Jahre alt, hat 27 Zweitligatore geschossen und ist auch bereits 27-mal in der Zweiten Liga ausgewechselt worden. „Ich merke, dass ich nun einer der Älteren bin“, sagt Glatzel, den bei so viel 27 nur fünf Spiele ohne eigenen Treffer nicht mehr aus dem Konzept bringen. „Wenn es mal nicht so gut läuft, gucke ich mit Stolz darauf zurück, was ich schon geschafft habe“, sagt er. „Ich habe schon höhere Hürden überwunden.“

Glatzels Familie im Volksparkstadion dabei

Papa Seium ist und bleibt trotzdem einer seiner wichtigsten Ansprechpartner. Vor jedem Spiel telefonieren die beiden – natürlich auch vor der Partie am Sonntag in Hannover. „Ich rufe dann meistens noch einmal kurz an, dann sprechen wir zwei oder drei Minuten.“

Längst ist Bobby selbst zweifacher Papa. „Ich würde alles für meine Familie stehen und liegen lassen“, sagt der Fußballer, dessen Familie auch am vergangenen Sonntag beim 3:0-Sieg gegen Ingolstadt mit im Volksparkstadion war. Sie gebe ihm den Rückhalt, alles andere um ihn herum auszublenden. „Mir ist egal, was von außen kommt. Das hat auf mich eigentlich keinen Einfluss.“

Den Sieg gegen Ingolstadt feierte Robert Glatzel noch auf dem Rasen mit seinen beiden Töchtern.
Den Sieg gegen Ingolstadt feierte Robert Glatzel noch auf dem Rasen mit seinen beiden Töchtern. © Witters

HSV: Glatzel ist sich der Erwartung bewusst

Glatzel, der ja immerhin auch schon sechs Saisontore erzielt hat, weiß, dass er schon bald wieder treffen wird. „Man will immer Tore schießen – und man weiß auch, dass man in so einem Verein mit solchen Voraussetzungen regelmäßig Tore schießen muss“, sagt der Spätstarter-Stürmer. „Aber ich sehe es positiv: Es ist doch schön, dass man selbst und andere das von einem erwarten. Das zeigt doch auch, dass man vorher einen guten Weg gegangen ist.“

Oder wie Bob Marley sagen würde: Get up, stand up, don’t give up the fight!