Hamburg. Schwindendes Interesse am Fußball? Stadt lehnt Antrag für 3G-Bereich gegen Düsseldorf ab. Warum die Ultras den Support verweigern.

Am Freitagnachmittag hatte der HSV Supporters Club etwas mitzuteilen. Angesichts des ersten 2G-Heimspiels des HSV am Sonnabend gegen Fortuna Düsseldorf (20.30 Uhr/Sky, Sport1 und im Liveticker auf abendblatt.de) sah sich die Dachorganisation der Fans gezwungen, eine Stellungnahme abzugeben.

„Wir begrüßen die Entscheidung der HSV Fußball AG, vorübergehend auf 2G zu setzen“, heißt es gleich zu Beginn des digital verbreiteten Statements. „Die Regelung ermöglicht einen langersehnten Schritt in Richtung Normalität.“

Was unter dem Oberbegriff „Erstens“ zunächst so klang, als würden sich die Supporters eins zu eins mit den zwischen der Stadt und dem HSV ausgehandelten Bedingungen arrangieren, nahm wenig später an Fahrt auf. Denn auf ein „erstens“ folgt meistens auch ein „zweitens“ – so auch in der zitierten Stellungnahme. Und darin machte die Abteilungsleitung um den Vorsitzenden Sven Freese deutlich, dass jenes 2G-Modell nur „ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Stadionerlebnis“ sein könne, „wie wir es aus Zeiten vor der Pandemie kennen“.

Warum HSV-Ultras den Support verweigern

Damit beschreibt der Supporters Club, der rund 65.000 der mehr als 85.000 HSV-Mitglieder vertritt, die differenzierte Sichtweise innerhalb der Fanlager. Während die breite Anhängerschaft das 2G-Modell positiv bewertet, haben die Ultras für sich entschieden, auch gegen Düsseldorf keinen aktiven Support durchzuführen – und zwar wegen 2G. Auch wenn die aktiven Gruppen der Nordtribüne Hamburg in ihrem am Donnerstag verbreiteten Statement nicht näher auf die Gründe eingingen, ist es innerhalb des HSV kein Geheimnis, dass vor allem die Auflagen der Stadt zu diesem in Fankreisen vielseitig diskutierten Stimmungsboykott geführt haben.

Die Ultras vertreten den Standpunkt, dass alle Fans Zutritt zum Volksparkstadion erhalten sollten. Also auch ungeimpfte Personen, die nun aber durch das 2G-Modell ausgeschlossen werden. Zumal nicht jeder Ungeimpfte automatisch ein Corona-Leugner ist, der an die fiesen Chips von Bill Gates glaubt. Die dem Virus mit einer hohen Sensibilität gegenüberstehenden Ultras wollen mit ihrer Haltung darauf aufmerksam machen, dass es auch Menschen gibt, die sich zum einen aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können oder deren persönliche Entscheidung gegen eine Impfung es zum anderen zu respektieren gelte.

Dabei gehe es der aktiven Fanszene, die schätzungsweise zu 99 Prozent geimpft ist, gar nicht um sich selbst, sondern um eine aus ihrer Sicht vergessene Gruppe. Beim HSV hat man durchaus Respekt für diese Sichtweise, die dem Club aber zugleich sportlich wehtut. Denn ohne den Support seiner treusten Fans droht ein Wettbewerbsnachteil.

3G trotz 2G: Stadt lehnt HSV-Antrag ab

Auf der Suche nach einem Kompromiss hat der HSV für das Düsseldorf-Spiel einen separaten 3G-Bereich betragt, doch die Stadt lehnte diesen Vorschlag ab. Eine Entscheidung, mit der sich der Club nicht zufriedengeben will. Die Hoffnung ist nun, das 2G-Modell gegen Düsseldorf vorbildlich umzusetzen, damit die Stadt idealerweise zum übernächsten Heimspiel gegen den Nordrivalen Holstein Kiel (30. Oktober) bei einer 3G-Zone einlenkt.

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Doch die 2G- oder 3G-Problematik ist nicht der einzige Grund, weshalb der HSV am Sonnabend zwar auf respektable 40.000 Zuschauer hoffen darf, von einer vollen Arena aber noch weit entfernt bleibt. Denn bei vielen Anhängern hat der Fußball während der Pandemie an Stellenwert verloren. Das ergab nicht zuletzt eine Studie, die Borussia Dortmund zusammen mit der TU Dortmund und der FH Dortmund durchgeführt hat. Es ist eine Debatte, die beim HSV bis hin zur Vorstandsebene diskutiert wird.

Die Gründe sind für alle Clubs gleich. Neben einem während Corona neu sortierten Alltag stößt vor allem die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs auf Ablehnung. Eine Entwicklung, die in der besagten Studie 80 Prozent der 28.000 befragten BVB-Fans als „kritisch“ bewerteten. Aber auch das fehlende Gespür für nachhaltiges Wirtschaften sowie die Irritation, vor anderen Branchen aus dem Lockdown entlassen worden zu sein, hat zu einer Entfremdung geführt. Beim BVB haben die Ultras „The Unity“ nun sogar einen Boykott angekündigt, weil die Südtribüne nur zur Hälfte ausgelastet werden darf.

HSV kämpft um seine Fans

Beim HSV versucht man in diesen Tagen vieles, um die Zweifler wieder von einem Stadionbesuch zu überzeugen. Unmittelbar vor dem Anpfiff wird die Band „Abschlach!“ live im Stadion mit ihren Songs „Mein Hamburg lieb’ ich sehr“ und „Wir sind der HSV“ auftreten. Zudem war die Club-eigene Social-Media-Abteilung in dieser Woche besonders aktiv. Die Botschaft ist klar: Der HSV will seine Fans emotionalisieren. „Wir wollen, dass der HSV ein Event wird, dass die Fans wieder Freude und Spaß haben“, sagt auch Trainer Tim Walter, der die Kulisse eines vollen Volksparkstadions bisher nur als Gegner kennt. „Die Vorfreude ist da, wir wünschen uns noch mehr Zuschauer.“

Doch um wieder ähnliche Zuschauerzahlen wie vor der Pandemie zu erreichen, bedarf es wohl mehr als die geschilderten Bemühungen des Clubs. Bei einigen Fans ist die Sorge groß, dass die wegen der Kontaktnachverfolgung eingeführten personalisierten Tickets dauerhaft bleiben könnten. Beim HSV beteuert man allerdings, die Interessen der Anhänger im Blick zu behalten. Deshalb rechnen die Hamburger nicht mit einer massiven Abwanderung der Fans.

Doch auch dem HSV ist klar: Der Fußball steht unter Beobachtung.