Hamburg. Nach der Enttäuschung von Aue dürfen die HSV-Jungprofis im Heimspiel gegen Düsseldorf auf mehr Spielzeit hoffen. Alidou vor Debüt.
Es gab mal eine Zeit, da war in der Länderspielwoche auf dem Trainingsplatz des HSV nicht viel los. Mehr als zehn A-Nationalspieler gingen mitunter auf Reisen. Spieler wie Heung-Min Son, Mladen Petric, Paolo Guerrero oder Eljero Elia tourten mit ihren Nationalteams durch die Welt. Zehn Jahre ist das her.
An diesem Donnerstag kehrten immerhin fünf Nationalspieler ins Training der HSV-Profis zurück. Einen A-Nationalspieler haben die Hamburger zwar nur noch in der Regionalligamannschaft (Jonah Fabisch/Simbabwe), dafür mit Tommy Doyle (19/England), Ludovit Reis (21/Niederlande), Mikkel Kaufmann (20/Dänemark), Mario Vuskovic (19/Kroatien) und Anssi Suhonen (20/Finnland) fünf U-21-Nationalspieler, die aktuell im Profikader des HSV stehen.
HSV hat die meisten U-21-Nationalspieler
Zählt man den verletzten U-21-Europameister Josha Vagnoman (20) sowie Juho Kilo (19/Finnland) und die beiden Kosovaren Gentrit Limani (21) und Valon Zumberi (18) aus der zweiten HSV-Mannschaft dazu, hat kein Club im deutschen Profifußball aktuell mehr U-21-Nationalspieler als der HSV (neun). Folgerichtig haben die Hamburger in der Zweiten Liga mit einem Durchschnittsalter von 24,3 Jahren den jüngsten Kader der Liga.
In der Startelf stellte sich der Jugendtrend zuletzt allerdings etwas anders da. Beim enttäuschenden 1:1 in Aue am vergangenen Spieltag hatte der HSV in der Anfangsformation einen Altersschnitt von 26,4 Jahren. Genau wie zwei Spieltage zuvor beim Derbysieg in Bremen. Gegen Nürnberg danach wäre sie genauso alt gewesen, wenn Vuskovic nicht Kapitän Sebastian Schonlau (27) ersetzt hätte.
Ist HSV-Trainer Tim Walter nicht mutig genug?
Ist HSV-Trainer Walter noch nicht mutig genug, die vielen U-Nationalspieler auch regelmäßig in der Startelf einzusetzen? Bei der Pressekonferenz am Donnerstag vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) verteidigte sich der Chefcoach. „Man sieht ja immer nur die Startelf. Keiner sieht, was danach folgt“, sagte Walter mit Verweis auf seine Einwechselspieler. So kamen in Aue mit Reis, Suhonen, Miro Muheim (23) und Doyle in der zweiten Halbzeit vier Youngster rein. Insbesondere Suhonen und Doyle machten es deutlich besser als ihre Vorgänger, auch Reis hatte seine Szenen.
Die schwache Leistung des HSV beim Tabellenletzten Aue hatte Fragen aufgeworfen und innerhalb des Clubs für Ernüchterung gesorgt. Genau diese typischen Zweitligaspiele waren es, in denen der HSV in den vergangenen drei Jahren so häufig enttäuscht hatte. Und nun auch in dieser Saison?
Walter soll mehr auf Doyle, Reis und Vuskovic setzen
Auch aufgrund dieses Déjà-vus soll intern bereits der Wunsch an Walter herangetragen worden sein, künftig noch mehr auf die jungen Neuzugänge wie Doyle, Reis oder Vuskovic zu setzen. Walter aber will seine Jungprofis in Ruhe aufbauen. „Dass die Jungs etwas länger brauchen und ich sie während ihrer Reise nicht sehe und trainieren kann, beachtet dann keiner“, sagte Walter. „Wir sind auf einem guten Weg, und die Jungs drängen sich immer mehr auf. Man hat es Jonas David am Anfang auch nicht zugetraut, jetzt kann man ihn nicht mehr wegdenken. Wir gehen den Weg weiter, aber man kann nicht alles auf einmal verändern“, rechtfertigt sich Walter.
Dabei muss sich der Trainer gar nicht rechtfertigen. Im Durchschnitt war seine Startelf in allen neun Spielen der Saison 25,4 Jahre alt. Damit liegt der HSV hinter Werder Bremen, Ingolstadt und Regensburg auf Platz vier. Beim Schnitt aller eingesetzten Spieler während der Partien ist nur Bremen (24,3) jünger als die Hamburger (24,6). Und trotzdem drängen sich nach dem Rückfall von Aue nun die U-21-Nationalspieler auf.
Suhonen und Reis mit den besten Chancen auf Startplatz
Die besten Chancen auf einen Startplatz gegen Düsseldorf haben Suhonen und Reis, die für ihre Nationalteams während der Länderspielwoche einmal (Suhonen) sowie zweimal (Reis) über 90 Minuten zum Einsatz kamen. Beide könnten David Kinsombi auf der Achterposition verdrängen.
Doyle, der für Englands U21 gegen Andorra erstmals die gesamte Spielzeit über auf dem Platz stand, darf auf mehr Spielzeit hoffen als zuletzt in Aue. Da bereitete er in seinem Kurzeinsatz direkt das 1:1 vor. Walter fordert vom jungen Engländer, noch aktiver zu werden. „Dass Tommy mit dem Ball etwas anfangen kann, das sieht jeder. Er hat etwas an Aggressivität dazu gewonnen, versucht, mit dem Körper zu arbeiten. Das hat er zu Beginn nicht so gemacht“, sagte Walter unter der Woche.
Faride Alidou wohl vor erstem Profieinsatz
Auf seinen ersten Profieinsatz darf am Sonnabend auch Faride Alidou hoffen. Das 20 Jahre junge Eigengewächs des HSV trainiert seit zwei Monaten bei den Profis mit und stand bereits mehrfach im Kader. Beim Testspiel vor einer Woche in Wolfsburg (1:4) nutzte der Flügelstürmer seine Chance. Gerade auf den offensiven Außenbahnen fehlen dem HSV Spieler mit Geschwindigkeit. Nicht umsonst trat Alidou am Dienstag in einem Sprintduell gegen den schnellsten Hamburger Bakery Jatta an und unterlag nur knapp. Sein Profidebüt scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
„Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich gerne an Jugend forsch beteilige“, sagte Trainer Walter nach dem bislang letzten Heimspiel gegen Nürnberg (2:2), als er Vuskovic das erste Mal von Beginn an spielen ließ. Ähnlich wie Vorgänger Daniel Thioune, der auch als Entwickler nach Hamburg geholt wurde, setzte Walter bislang in den wichtigen Spielen im Zweifel doch eher auf die erfahrenen Spieler. Das Spiel in Aue dürfte seine Sichtweise nun aber verändert haben.
Wem Walter gegen Düsseldorf das Vertrauen schenkt, ließ er im Training noch offen. „Alle drängen sich auf. Ich kann jeden auf den Platz schicken“, sagte er zwei Tage vor dem ersten 2G-Heimspiel. Klar scheint nur: Es dürfte wieder deutlich jünger werden.