Hamburg. Für fast alle Hamburger ist das Nordderby Neuland – außer für Jatta. Wie sich die HSV-Profis für das Spiel der Spiele heiß machen.

Wenn Bakery Jatta nach seinem ersten Spiel als Profi gefragt wird, dann muss der Gambier an Eier denken. Und Farbbeutel. Und Steine. All das flog auf den Mannschaftsbus des HSV, als dieser eine Stunde vor Jattas erstem Nordderby am 16. April 2017 am Weserstadion vorfuhr. „Ein Derby ist immer etwas Spezielles“, sagt der 23-Jährige, als er nun vor dem ersten Nordderby in der Zweiten Liga auf der clubeigenen Homepage von seinem Debüt berichtet. „Ich habe diese spezielle Atmosphäre gespürt und habe das Gefühl in mir.“

Das Gefühl, wenn eine Kurve, ein Stadion, eine ganze Stadt gegen einen ist. So war es, als Jatta, der zuvor beim Probetraining in Bremen durchgefallen war, sich das erste Mal wie ein echter Fußballprofi fühlen durfte. In der 83. Minute. An der Seitenlinie. Neben Luca Waldschmidt. Wartend. Auf Filip Kostic und Lewis Holtby. Ein kurzer Pfiff. Auswechslung, Einwechslung. Ein langes Pfeifkonzert. Willkommen im Fußballzirkus Bundesliga.

Alter Derbyhase Jatta erwartet „ein tolles Spiel“

1:2 hat der HSV seinerzeit gegen Werder verloren. Jatta spielte direkt mutig nach vorne, erzielte ein Abseitstor und durfte sich trotz der Niederlage über ein Sonderlob des damaligen Trainers Markus Gisdol freuen: „Es hat mir gefallen, wie er aufgetreten ist.“

Viereinhalb Jahre später ist der damals 18-Jährige der dienstälteste Hamburger. „Unsere sehr junge Mannschaft kennt dieses Nordderby ja noch gar nicht. Ich habe als einziger Spieler von uns zwei Nordderbys gespielt, und die sind auch schon ein paar Jahre her“, sagt Jatta, der seine Erfahrungen von damals an die Generation von heute weitergeben will. „Ich erwarte ein tolles Spiel.“

Am 16. April 2017 wurde Bakery Jatta (hier gegen Bremens Florian Kainz) erstmals als HSV-Profi eingewechselt. Werder gewann das Nordderby 2:1.
Am 16. April 2017 wurde Bakery Jatta (hier gegen Bremens Florian Kainz) erstmals als HSV-Profi eingewechselt. Werder gewann das Nordderby 2:1. © Witters | Unbekannt

HSV-Kapitän Leibold: „Tradition pur!!!“

Das erwartet auch Tim Leibold, der das erste Duell zwischen Werder und dem HSV in der Zweiten Liga mit zwei Wörtern und drei Ausrufezeichen zusammenfasst: „Tradition pur!!!“ Leibold ist einer der erfahrensten Hamburger in einer durch und durch unerfahrenen Mannschaft. 262 Profieinsätze. Ex-Kapitän. Bundesliga-erprobt.

Sein persönliches Derby-Highlight: Ein später 2:1-Sieg mit Nürnberg gegen Fürth. Warum? „Weil Siege kurz vor Abpfiff immer geiler sind!“ Bei WhatsApp garniert er diese Erinnerung noch mit einem Smiley inklusive Sonnenbrille.

Tim Leibold im Frankenderby gegen Fürths Roberto Hilbert (l.)
Tim Leibold im Frankenderby gegen Fürths Roberto Hilbert (l.) © Imago/Zink | Unbekannt

Heyer freut sich auf „aggressive Stimmung“

Keep cool! Das hat sich auch Moritz Heyer vorgenommen, der ohnehin immer so wirkt, als ob er schon mit Sonnenbrille und Schirmchencocktail in der Hand auf die Welt gekommen ist. „Die Vorfreude ist riesig. Für solche Spiele spielt man doch Fußball“, sagt der Defensivallrounder, der in dieser Spielzeit mit drei Saisontreffern auch ziemlich allrounderisch in der Offensive unterwegs ist.

„Die Stimmung wird sicherlich ein wenig aggressiv sein. Aber wir freuen uns darauf“, sagt Mr. Cool, den wohl auch ein paar Eier oder Farbbeutel nicht aus dem Konzept bringen werden.

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Vuskovics Derby-Erfahrung: „Der Wahnsinn!“

Deutlich mehr Erfahrungen mit Utensilien, die vor so einem Spiel von A nach B fliegen, hat trotz seiner jungen Jahre Mario Vuskovic. Der 19 Jahre alte Teenager ist in Split geboren und hat Derbyerfahrungen und -rivalitäten mit Hajduk-Erzfeind Dinamo Zagreb mit der Muttermilch aufgenommen. „Dinamo gegen Hajduk ist das größte Spiel im kroatischen Sport überhaupt“, sagt der Youngster, der ähnlich wie Jatta gleich in einem seiner ersten Profispiele überhaupt seine Feuerprobe erhielt.

So kennt Mario Vuskovic Derby­stimmung aus Split.
So kennt Mario Vuskovic Derby­stimmung aus Split. © Imago/Grubisic | Unbekannt

Der 31. August 2019. 30.000 frenetische Fans im ausverkauften Poljud-Stadion. Drei Rote Karten – und dann die 93. Minute. „Ich kam rein, wir haben 1:0 gewonnen und übernahmen die Tabellenführung“, erinnert sich Vuskovic. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Der Wahnsinn!“ Und der Wahnsinn Nordderby? „Ein toughes Spiel“, sagt Vuskovic mit einer heyerischen Gelassenheit. „Natürlich hoffe ich, dass wir das Spiel gewinnen.“

Reis erhält Derbyeinweisung von Werder-Profi

Das hofft auch Trainer Tim Walter, der die Nordderby-Unerfahrenheit seiner Mannschaft sogar in einen Vorteil verwandeln will. „Manchmal ist es auch gar nicht so schlecht, solche Erfahrungen das erste Mal zu sammeln“, sagt der Coach, dem niemand erklären muss, dass man einem HSV-Trainer eine Niederlage in Bremen nach einer Niederlage gegen St. Pauli nur schwerlich verzeiht.

Ein ganz simples Erfolgsrezept hat der Niederländer Ludovit Reis. „Wir müssen das Spiel einfach gewinnen, dann sind alle happy“, sagt der Ex-Osnabrücker, dem sein damaliger Mit- und heutiger Gegenspieler Niklas Schmidt eine kleine Derbyeinweisung gegeben hat. Dieser habe ihm klargemacht: „This game is fire!“, sagt Reis. Dieses Spiel wird feurig. Er selbst habe zwar noch nie ein Nordderby erlebt, aber mit heißen Busanfahrten kennt sich Reis auch aus seiner Heimat in den Niederlanden bestens aus. Und noch mal: „Derbys are fire!“

„On fire“: Ludovit Reis (r.) im Osnabrücker Trainingszweikampf mit dem jetzigen Bremer Niklas Schmidt.
„On fire“: Ludovit Reis (r.) im Osnabrücker Trainingszweikampf mit dem jetzigen Bremer Niklas Schmidt. © Imago/osnapix | Unbekannt

Jonas David: Endlich das erste große Nordderby

Feuerwehrmann Nummer eins soll einer sein, der von allen die größte Nord- und Stadtderby-Erfahrung hat, obwohl er noch nie als Profi ein Nordderby gespielt hat. „Gegen Werder waren es immer eklige Spiele in der Jugend“, sagt Jonas David, „immer sehr hart umkämpft. Alle haben immer alles reingeworfen.“

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Nur wer 110 Prozent 110 Kilometer südlich von Hamburg gegeben habe, der konnte auch als Gewinner vom Platz gehen, sagt der gebürtige Hamburger, der neun Jahre alt war, als die Werder-Wochen 2009 ganz Fußball-Deutschland in Atem hielten. „Für mich ist es etwas ganz Besonderes, dass ich nach den ganzen ,kleinen‘ Derbys im Nachwuchs nun bei einem ,großen‘ Derby bei den Profis dabei bin“, sagt David. „Ich weiß, was auf mich zukommen wird.“

Jonas David im November 2018 im Regionalliga-Derby gegen Werder Bremen II.
Jonas David im November 2018 im Regionalliga-Derby gegen Werder Bremen II. © Imago/Michael Schwarz | Unbekannt

Und wenn es David auf der A 1 zwischen Hamburg und Bremen doch vergessen sollte, dann kann er sich sicherlich vertrauensvoll an Bakery Jatta wenden. Oder an den erfahrenen Leibold. An Derbyexperte Vuskovic. An den nie aus der Ruhe zu bringenden Heyer. Oder an On-fire-Niederländer Reis. „Ich kann nur eines sagen“, sagt David. „Wir haben richtig Bock auf dieses Spiel.“

Voraussichtliche Aufstellungen:

Bremen: Zetterer – Weiser, Veljkovic, Mai, Jung – Groß – Rapp, Schmidt – Schmid, Nankishi – Ducksch.

HSV: Heuer Fernandes – Gyamerah, David, Schonlau, Leibold – Meffert – Kinsombi, Heyer – Jatta, Glatzel, Kittel.