Grassau. Beim 1:0-Erfolg gegen Innsbruck ist zu sehen, was der neue HSV-Trainer von seinen Spielern erwartet – und wo die Probleme liegen.

Die Bedingungen vor Ort könnten viel besser kaum sein. Nur 200 Meter vom Grassauer Luxushotel „Das Achental“, wo der HSV während des neuntägigen Trainingslagers residiert, stehen dem Club drei Rasenplätze auf der Anlage des ASV Grassau zur Verfügung. Wer die exzellente Qualität des Rasens begutachtet, der weiß, warum hier auch schon der FC Bayern im Mai während des Quarantäne-Trainingslagers zu Gast war.

Tim Walter nutzt die optimalen Rahmenbedingungen, um die Intensität hochzufahren. Der HSV-Coach spricht viel mit seiner Mannschaft und fordert immer wieder Tiefe und mutige Aktionen in den Trainingsspielen. Anders als Vorgänger Daniel Thioune coacht Walter nicht nur hauptsächlich im Defensivverhalten. Auch die Offensivspieler erhalten viele lautstarke Anweisungen, wie sie sich in einzelnen Spielsituationen zu verhalten haben.

Um eine neue Siegermentalität zu entwickeln, baut der Coach Wettkämpfe in seine Übungen mit ein. So mussten die Verlierer der ersten beiden Trainingsspiele einen Entengang rückwärts über den halben Platz absolvieren. Walters Botschaft: Verlieren soll wehtun – und vor allem keinen Spaß machen.

Das erwartet Walter von den HSV-Profis

Schon zum jetzigen Zeitpunkt der Vorbereitung ist zu erkennen, was für einen Fußball Walter beim HSV sehen will. „Rückspieloptionen!“ ist eine seiner häufigsten Aufforderungen in den ersten Tagen von Grassau. Der 45-Jährige erwartet eine permanente Bereitschaft, anspielbar zu sein und den Ball zu fordern.

Eine vermeintliche Selbstverständlichkeit, die von den Club-Verantwortlichen allerdings als Schwäche in der abgelaufenen Rückrunde ausgemacht wurde, als sich zu viele Leistungsträger auf dem Platz versteckt hatten.

Viel Rotation: HSV siegt im Testspiel gegen Innsbruck

Wie dieser neue, auf Aggressivität und Ballbesitz ausgelegte Fußball auf dem Platz aussehen soll, war am Nachmittag beim 1:0 (1:0)-Erfolg im Testspiel gegen den von Ex-Bundesligaprofi Daniel Bierofka trainierten österreichischen Zweitligisten FC Wacker Innsbruck in Ansätzen zu sehen. „Für mich war die Intensität wichtig, dass wir Bereitschaft an den Tag legen und mutig sind. Insgesamt bin ich zufrieden“, sagte Walter.

Bei seinem Debüt ließ der HSV-Coach seine Spieler über den gesamten Platz rotieren. Dies hatte zur Folge, dass die Abwehrspieler Jonas David und Jan Gyamerah auch mal bis ins Sturmzen­trum durchliefen. Allrounder Moritz Heyer war sowieso überall zu finden. Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der eine Halbzeit zum Einsatz kam, war in nahezu jeden Spielzug eingebunden.

Die Idee dahinter: Die aufrückenden Abwehrspieler sollen im Angriff eine Überzahlsituation kreieren – dies geschah allerdings häufig auf Kosten der Defensive. Die Gefahr dieses Spielstils lauert bei eigenen Ballverlusten. Denn eine Konterabsicherung war in vielen Momenten kaum vorhanden. Der HSV hatte Glück, dass der harmlose Gegner aus Innsbruck diese Lücken nicht auszunutzen wusste. „Wenn du Mut einforderst, musst du auch zu Fehlern stehen“, gibt sich Walter entspannt.

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Jonas David wird zum HSV-Gewinner

Einer, dem diese Spielweise entgegenkommt, ist Jonas David (21). Der Innenverteidiger überzeugte durch eine mutige Spieleröffnung. Auch in Bedrängnis traf er viele richtige Entscheidungen.

So leitete er sein spielentscheidendes Tor durch einen eröffnenden langen Ball selbst ein. Über Robin Meißner kam der Ball zu Heyer, der einen Freistoß herausholte. Flanke Sonny Kittel, Kopfball David, Tor – so einfach kann Fußball sein (16.). „Jonas macht es schon die ganze Vorbereitung gut. Ich bin mit seiner Entwicklung zufrieden“, lobte Walter.

Ein Däne für den HSV-Sturm?

  • Laut dänischen Medien will Mikkel Kaufmann (20) unbedingt zum HSV wechseln. Der Mittelstürmer war vor eineinhalb Jahren für drei Millionen Euro vom FC Kopenhagen (Vertrag bis 2024) verpflichtet worden. Nun ist eine Leihe mit Kaufoption im Gespräch.

HSV: Leistner tut sich mit Walters Idee schwer

Doch wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer. Toni Leistner tat sich schwer mit der von Walter geforderten spielerischen Eröffnung. Dem Abwehrroutinier unterliefen gleich mehrere Fehlpässe, die auch Walter an der Seitenlinie einmal lauter werden ließen. Aus einem dieser Fehlpässe hätte Innsbruck kurz vor Schluss fast den Ausgleich erzielt. Doch der freigespielte Raphael Gallé brachte das Kunststück fertig, den Ball am leeren Tor vorbeizuschießen (87.).

Toni Leistner (l.) attackiert Tim Leibold – bleibt er unter Tim Walter in der Startelf?
Toni Leistner (l.) attackiert Tim Leibold – bleibt er unter Tim Walter in der Startelf? © Witters | Unbekannt

Einen positiven Eindruck hinterließ hingegen Leistners Abwehrpartner in der zweiten Halbzeit, Sebastian Schonlau. Der Neuzugang aus Paderborn zeigte, warum er von Walter als wichtige Defensivstütze fest eingeplant ist. Eher unauffällig verlief indes das HSV-Debüt der Neuzugänge Jonas Meffert und Ludovit Reis, der gleich dreimal Pech im Abschluss hatte.

Pech hatte auch Kittel, der nach 25 Minuten einen Schlag aufs Wadenbeinköpfchen abbekam und ausgewechselt werden musste. „Vom Gefühl her ist es nicht so schlimm“, hofft Walter.

Die Aufstellungen des HSV im Testspiel:

  • HSV, 1. HZ: Heuer Fernandes – Gyamerah, David, Rohr, Leibold – Meffert – Heyer, Kinsombi – Kittel (25. Opoku), Meißner, Jatta.
  • HSV, 2. HZ: Mickel – Vagnoman, Leistner, Schonlau, Leibold (66. Heyer) – Gjasula – Reis, Dudziak – Opoku, Wintzheimer, Suhonen.