Hamburg. Untersuchung der Uni Freiburg belastet den HSV-Profi in der Debatte um seine Identität. Rechtsexperten ordnen Erkenntnisse ein.
Am Montagabend wird Bakery Jatta wieder da sein, wo er zu Hause ist. Im Volksparkstadion. Der neue HSV-Trainer Horst Hrubesch wird bei seiner kurzen Mission, die Hamburger in den letzten drei Zweitligaspielen der Saison doch noch zum Aufstieg zu führen, auf den Flügelstürmer setzen.
Im Training deutete sich bereits an, dass Jatta gegen den 1. FC Nürnberg (20.30 Uhr) in der Startelf stehen wird. Ausgerechnet gegen den Club, der im August 2019 als Erster Einspruch gegen die Spielwertung einlegte, als die Debatte um die Identität des Gambiers begann.
Ist Bakery Jatta nun doch Bakary Daffeh?
Fast zwei Jahre ist es nun schon her, dass die „Sport Bild“ nach dem 4:0-Sieg des HSV in Nürnberg erstmals über Zweifel an der Identität Jattas berichtete und den Vorwurf veröffentlichte, der 22 Jahre alte Bakery Jatta könnte in Wahrheit Bakary Daffeh heißen und zwei Jahre älter sein.
Es war der Beginn einer unendlichen Geschichte, die nun ausgerechnet vor dem Heimspiel gegen Nürnberg um ein weiteres Kapitel ergänzt wird. Nach Abendblatt-Informationen belastet ein Gutachten der Universität Freiburg im Auftrag der Hamburger Staatsanwaltschaft den HSV-Angreifer bei dem Vorwurf der Täuschung schwer.
Jattas Anwalt will Stellungnahme abgeben
Es kam zu dem Ergebnis, dass Jatta und Daffeh mit hoher Wahrscheinlichkeit dieselbe Person seien. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Mia Sperling-Karstens, bestätigte dem Abendblatt, dass das in Auftrag gegebene Gutachten der Uni Freiburg jetzt vorliege. Zum Inhalt wollte sie sich jedoch nicht äußern und verwies auf das noch laufende Ermittlungsverfahren.
Der renommierte Anwalt des HSV-Spielers, Thomas Bliwier, wollte sich ebenfalls nicht zu dem Ergebnis äußern. Er hatte die Vorwürfe gegen seinen Mandanten bereits zuvor mehrfach zurückgewiesen. Bliwier will bis Ende des Monats eine Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft abgeben. Ihm steht es dabei auch frei, ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben.
Fall Jatta: Kein eindeutiger Beleg für falsche Identität
Der Auftrag für das Freiburger Gutachten war direkt vor dem Hinspiel in Nürnberg öffentlich geworden. Die Gutachter verglichen bei ihrer Analyse unter anderem Bewegungsabläufe von Jatta und Daffeh anhand von Videoaufnahmen. Das Verfahren sei „deutlich umfassender und wissenschaftlicher“ als eine vorherige Analyse des Landeskriminalamts, hieß es in Ermittlerkreisen.
Doch auch mit dem neuen Gutachten gibt es weiterhin keinen eindeutigen Beleg für eine falsche Identität des HSV-Profis. Offen ist vor allem, wie die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse bewertet. Seit Langem gibt es auch Kritik an den sehr umfangreichen Ermittlungen. Wie es auch aus Ermittlerkreisen heißt, werden Verfahren dieser Art gegen Ausländer in der Regel schnell abgeschlossen – und häufig sogar wegen „Geringfügigkeit“ eingestellt.
Experten: Jatta-Gutachten bleibt zweifelhaft
Welche Auswirkung hat das Ergebnis des Freiburger Gutachtens nun also für Jatta? Das Abendblatt hat mehrere Fachanwälte für Strafrecht kontaktiert, um eine neutrale juristische Einordnung zu erhalten. „Das Gutachten basiert auf weichen Daten, die interpretierbar sind“, sagt Joachim Lauenburg von der Hamburger Kanzlei Rechtsanwälte Lauenburg & Kopietz. Er meint: „So ein Gutachten könnte erhebliche Fehlerquellen beinhalten. Ich halte es für zweifelhaft, dass eine Übereinstimmung anhand von Bewegungsfaktoren für eine Anklage ausreicht.“
Eine Einschätzung, die Sascha Böttner, Hamburger Fachanwalt für Strafrecht, teilt. „Für eine Anklage braucht man eine absolut verlässliche Zusage des Gutachters mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, sagt Böttner. „Ist dies nicht der Fall, sind zusätzliche Indizien vonnöten, die unabhängig voneinander sind, wodurch sich der Beweiswert deutlich steigern kann.“ Doch an diesen Indizien mangelt es der Staatsanwaltschaft noch immer.
Razzia bei Jatta: Keine weiteren Hinweise
Werden die Ermittlungen also erneut eingestellt? Bereits 2019 wurde ein Verfahren der Ausländerbehörde im Bezirk Mitte gegen Jatta eingestellt, ebenso wie bereits im Jahr 2019 ein Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Im Januar 2020 wurde dann jedoch ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet – offenbar infolge weiterer Medienberichte und Strafanzeigen von „besorgten Bürgern“. Im Juli 2020 wurde schließlich auch die Wohnung des HSV-Profis durchsucht und mögliche Beweismittel beschlagnahmt.
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Die Ermittler hatten vor allem Kontobewegungen Jattas für verdächtig gehalten. Er überwies offenbar wiederholt Geld an afrikanische Fußballer, die auch mit Bakary Daffeh bekannt waren. Auf den bei der Razzia sichergestellten Datenträgern fanden die Beamten jedoch keine weiteren Hinweise darauf, dass Jatta und Daffeh dieselbe Person sein könnten.
Der HSV und auch Anwalt Bliwier verweisen nach wie vor auf die Echtheit von Jattas Ausweisdokumenten. Diese waren von deutschen Behörden und dem Honorargeneralkonsulat Gambias in Köln bestätigt worden. In der Fanszene des HSV erhielt Jatta am Freitag erneut viele Solidaritätsbekundungen. Der Supporters Club postete ein Foto aus dem August 2019 mit dem Spruch „No matter what, we got your back“ und schrieb nun dazu: „So war es. So ist es. Und so bleibt es auch.“