Karlsruhe. HSV springt zurück auf Platz zwei. Dabei fiel in Karlsruhe der Kapitän aus. Dafür war vor allem auf Bakery Jatta Verlass.
Kurz nachdem die 93 Minuten zwischen dem HSV und dem Karlsruher SC abgelaufen waren, wurde Trainer Daniel Thioune noch einmal richtig laut. Umrundet von seinen Spielern tanzte Thioune wie ein kleines Rumpelstilzchen in dem Mannschaftskreis auf dem durchweichten Platz hin und her und schrie „Ja, Mann!“. Und es folgte ein kollektives und noch lauteres „Ja, Mann!“ der ganzen Mannschaft. 2:1 hatte der HSV eben in Karlsruhe gewonnen – und darf sich mit nun mehr 26 Punkten aus 13 Spielen voll im Plan fühlen.
„Meine Mannschaft bekommt oftmals von mir zu hören, was sie nicht so gut macht, heute hat sie vieles gut gemacht", freute sich Thioune über den dritten Sieg in Folge und Tabellenplatz zwei. „Sie hat eine Balance gefunden zwischen angreifen und verteidigen.“
HSV-Torjäger Terodde einfach nur stolz
Deshalb sah sich auch Torhüter Sven Ulreich in der Pflicht, ein Extralob ans Team zu verteilen: „Meiner Meinung nach haben wir ein hervorragendes Spiel gemacht und uns die drei Punkte verdient.“ Tatsächlich war es eines der besseren Spiele der Hamburger in dieser Saison.
„Ich bin mega stolz, wie wir trotz der Platzverhältnisse von der ersten Minute an auf den Platz gekommen sind – gerade über die linke Seite, wo Baka gar nicht aufzuhalten war", lobte Torschütze Simon Terodde. „Jetzt sind wir auf dem zweiten Platz, dort fühlen wir uns auch wohl. Kiel darf sich freuen und sich auf die Schulter klopfen lassen, aber wir werden weiter angreifen."
Die Tabelle nach 13 Spieltagen:
- 1. Kiel: 28 Punkte
- 2. HSV: 26 Punkte
- 3. Fürth: 24 Punkte
- 4. Bochum: 23 Punkte
- 5. Düsseldorf: 23 Punkte
Alles andere als nach Plan verliefen die Stunden vor der Partie. Nachdem Stephan Ambrosius bereits am Vortag aufgrund eines bakteriellen Infekts passen musste und auch Aaron Hunts Magenprobleme nicht besser wurden, sagte kurz vor der Partie auch noch Kapitän Tim Leibold ab. Die Adduktoren streikten. Doch weil ein Kapitän bekanntlich als letzter sein Schiff verlässt, ließ es sich der Schwabe, der nur 75 Kilometer vom Wildparkstadion entfernt geboren wurde, nicht nehmen, seiner Truppe vor dem Anpfiff noch in der Kabine „Vil Glügg“ zu wünschen.
Jatta schießt den HSV beim KSC in Führung
Besonders aufmerksam zugehört hatte offenbar Bakery Jatta, der neben dem früheren Karlsruher David Kinsombi, Khaled Narey und Jan Gyamerah in die Startelf rotiert war. Praktisch mit dem ersten Angriff stürmte der 22-Jährige über das halbe Feld, verstolperte den Ball in typischer Jatta-Manier kurz vor dem Strafraum, um ihn sich anschließend in typischer Jatta-Manier zurückzuerkämpfen und den Ball einfach mal mit links unten links reinzuschießen (3.).
Ausgerechnet Jatta! 16 Monate ist es her, dass der Gambier bei seinem letzten Auftritt im Wildpark eine Halbzeit lang bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen und zudem rassistisch beleidigt wurde. Und es fehlte nicht viel, dass aus Jattas guter Antwort auf dem Platz eine sehr gute geworden wäre. Denn nicht einmal 120 Sekunden später hätte der Flügelflitzer bereits auf 2:0 erhöhen können, vielleicht sogar müssen.
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Doch weil Jatta an Karlsruhes viel beschäftigtem Torhüter Marius Gersbeck scheiterte, wurde das dicke Buch der „Ausgerechnet“-Geschichten auf der anderen Seite um ein weiteres Kapitel ergänzt. Nachdem Josha Vagnoman unglücklich auf dem – zugegebenermaßen miserablen – Platz ausrutschte, nutzte Malik Batmaz seinen unverhofften Freiraum und bediente seelenruhig den völlig frei stehenden Philipp Hofmann.
Ausgerechnet Hofmann! Der Stürmer, den Sportdirektor Michael Mutzel zu Saisonbeginn und Trainer Daniel Thione bereits vor Jahren nach Osnabrück unbedingt holen wollten, traf unbedrängt zum 1:1 (14.). „Das Gegentor darf so nicht fallen. Es ist eine blöde Aktion, bei der Josh ausrutscht", sagte Ulreich. „Wir müssen aber auch vorher unsere Chancen besser nutzen. Letztlich lassen wir Karlsruhe unnötig zurück ins Spiel.“
HSV hätte zur Pause führen müssen
Karlsruhes Sturmriese Hofmann (1,96 Meter groß/siebtes Saisontor) hatte vorgelegt, da fehlte bei all den „Ausgerechnet“-Geschichtchen nur noch, dass auch Hamburgs Sturmriese Simon Terodde (1,92 Meter groß/13 Saisontore) nachlegen würde. Doch ausgerechnet der treffsicherste Torjäger der bisherigen Saison erwischte in Karlsruhe lange Zeit nicht seinen besten Abend, scheiterte in Halbzeit eins lediglich einmal per Kopf am Pfosten (20.).
Und trotzdem: Dass beide Mannschaften nach 45 Minuten mit einem 1:1 in die Kabinen gingen, klang aus Hamburger Sicht wie ein schlechter Witz. Jeremy Dudziak (6./33.), und vor allem Khaled Narey (26.) nach herausragender Vorarbeit Jattas hätten mindestens einen zweiten Treffer erzielen müssen.
So blieb Karlsruhes Technischem Direktor Necat Aygün in der Pause bei Sky nur, anerkennend einzuräumen, dass eben dieser „Ausgerechnet“-Jatta einen ganz besonderen Auftritt hatte: „Wir können ihn nur aufhalten“, so Aygün, „wenn wir im Kollektiv gegen den Ball arbeiten.“
HSV siegt dank Jatta und Terodde beim KSC
HSV am Ende beim KSC in Überzahl
Ob Karlsruhes Fußballer in der Halbzeit Sky gucken durften, ist nicht bekannt. Doch Aygüns Kollektiv-Forderung schienen sich die KSC-Profis im zweiten Durchgang jedenfalls zu Herzen zu nehmen. Das Hamburger Offensivspektakel, das noch in Halbzeit eins geboten wurde, verpuffte nun zunehmend. Spannend wurde es erst wieder, als bereits eine weitere halbe Stunde gespielt war und der verwarnte Philip Heise Hamburgs Kinsombi ziemlich rüde von den Beinen holte. Zunächst zögerte Schiedsrichter Christof Günsch, entschied sich dann aber doch für Gelb-Rot (77.).
"Ich hätte mir ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl vom Schiedsrichter gewünscht", klagte KSC-Sportchef und Ex-HSV-Manager Oliver Kreuzer. "Eine kleine Ermahnung hätte ausgereicht."
HSV-Tormaschine Terodde läuft weiter
Es dauerte nicht lange, ehe sich die numerische Überlegenheit für den HSV auszahlen sollte. Ausgerechnet der kurz zuvor eingewechselte Sonny Kittel flankte ausgerechnet auf den bis dato unsichtbaren Terodde, der mit seiner gefühlt zweiten Ballberührung vom Sturmriesen zum Sturmgiganten wurde. In bester Uwe-Seeler-Manier schoss Terodde im Fallen den Ball zum glücklichen, aber verdienten 2:1 rein (81.).
„Wir haben sehr viel liegen lassen in der ersten Halbzeit. Da darf man auch mal in Führung gehen. Aber zum Glück habe ich ja noch einen, der weiß, wo der Rahmen steht", sagte Thioune über seinen Torjäger.
Gut zehn Minuten später war Schluss – und der HSV darf auf Platz zwei hinter dem Nordrivalen Holstein Kiel überwintern.
Die „Belohnung“ folgte im Übrigen direkt im Anschluss an das Spiel. Nur wenige Minuten nach der obligatorischen Pressekonferenz machte sich der Mannschaftsbus auf den Weg durch die Nacht ins 630 Kilometer entfernte Hamburg. Voraussichtliche Ankunft an diesem Dienstagmorgen sollte um 6.30 Uhr sein. Es folgte eine abschließende Besprechung und die unmissverständliche Aufforderung, anschließend geruhsame Weihnachten zu feiern. Trainingsauftakt ist dann schon wieder am 27. Dezember. Bis dahin: Frohes Fest!
Die Statistik:
- HSV: Ulreich – Vagnoman, Leistner (C), Heyer, Gyamerah – Gjasula (74. Onana) – Narey (74. Kittel), Kinsombi (88. Jung), Dudziak (90.+1 Wood), Jatta – Terodde. Trainer: Daniel Thioune.
- KSC: Gersbeck – Thiede, Bormuth (86. Gueye), Kobald, Heise – Wanitzek, Gondorf – Goller, Lorenz (79. Carlson) – Hofmann, Batmaz (76. Fröde). Trainer: Christian Eichner.
- Schiedsrichter: Christof Günsch (Marburg)
- Tor: 0:1 Jatta (3.), 1:1 Hofmann (14.), 1:2 Terodde (82.)
- Gelb-Rot: Heise wegen Foulspiels (77.)
- Gelbe Karten: Wanitzek (4) – Terodde (2), Kinsombi
- Torschüsse: 12:17
- Ecken: 5:7
- Ballbesitz: 46:54 Prozent