Hamburg. Beim HSV ist die Moral zurück, aber die Krise geht weiter. Trainer Thioune erhält nach drei Pleiten in Folge Rückendeckung.
Jonas Boldt und Michael Mutzel demonstrierten am Sonntag Geschlossenheit. Direkt hintereinander gingen die beiden HSV-Manager im Volkspark zum Spielersatztraining, direkt nacheinander analysierten sie am Tag danach die 0:1 (0:1)-Niederlage gegen Hannover 96, direkt nebeneinander standen sie anschließend einige Meter entfernt hinter Daniel Thioune.
Die klare Botschaft: Dem Chefcoach wird trotz fünf Spielen ohne Sieg, der dritten Niederlage in Folge und dem Sturz auf Platz vier der Rücken gestärkt. „Wir wollen uns entwickeln. Wir gehen den Weg weiter und lassen uns davon überhaupt nicht abbringen“, sagte Mutzel. „Entwicklung bedeutet auch, diesen Sturm jetzt aufzuhalten“, sagte Boldt.
HSV-Coach Thioune hat sich verzockt
Rund 20 Stunden zuvor hatte der HSV gegen Hannover seinen Negativtrend fortgesetzt. Und das gegen eine Mannschaft, die bis dahin auswärts noch keinen einzigen Punkt geholt hatte. Die im Volksparkstadion aber bereits nach 13 Minuten durch Hendrik Weydandt in Führung gegangen war und diese bis zum Ende halten sollte.
Weil die Hamburger in der Phase vor dem Gegentor nicht wach waren. Weil Sonny Kittel kurze Zeit später mit einem völlig unnötigen Platzverweis vorzeitig duschen musste. Weil der HSV in Unterzahl eine Vielzahl an Chancen ungenutzt ließ. Und weil sich Trainer Thioune bei der Aufstellung verzockte.
Das Kittel-Wintzheimer-Rätsel beim HSV
Sechs Tage nach der dramatischen 2:3-Niederlage beim FC Heidenheim hatte der 46-Jährige einmal mehr seine Anfangself auf verschiedenen Positionen verändert. Er brachte Klaus Gjasula, Josha Vagnoman und Jeremy Dudziak für Moritz Heyer, Jan Gyamerah und Manuel Wintzheimer.
Zudem setzte Thioune erneut auf den formschwachen Kittel. Eine Entscheidung, die schon vor dem Spiel viele verwunderte. Und die Thioune nach dem Spiel nur bedingt erklären konnte. „Wir wollten Spezialisten auf den Positionen“, sagte der Fußballlehrer und erläuterte, dass er Hannover mit vielen langen Bällen erwartet hatte.
HSV rutscht gegen Hannover 96 noch tiefer in die Krise
Doch sein vor dem Spiel angeschlagener Trainerkollege Kenan Kocak hatte einen anderen Matchplan entwickelt. Von dem nach dem 0:1 aber kaum etwas zu erkennen war. Nach dem Platzverweis für Kittel und einer weiteren Chance für Kingsley Schindler (28.) spielte nur noch der HSV. Und wie.
Die Hamburger erspielten sich noch vor der Halbzeit eine Doppelchance durch Simon Terodde und Josha Vagnoman, die jeweils an Hannovers blendend aufgelegtem Torwart Michael Esser scheiterten.
Thioune zufrieden mit der HSV-Mentalität
Auch im zweiten Durchgang war zu keiner Minute zu erkennen, dass der HSV mit einem Mann weniger spielte. 61 Prozent Ballbesitz hatten die Hamburger am Ende des Spiels. Der HSV zeigte das, was er zuletzt gegen Bochum und in den zweiten Halbzeiten in Kiel und Heidenheim vermissen ließ. Ein mutiges und druckvolles Angriffsspiel, Leidenschaft in den Zweikämpfen und den Willen, das Spiel zu drehen.
Und hätte an diesem Tag nicht Michael Esser im Tor von Hannover gestanden, der Ball wäre wohl auch in einem dieser Momente ins Netz geflogen. Doch wie es Terodde (77./90.) auch versuchte – Esser stand immer im Weg. Weil zudem auch noch Dudziak (62.) und der eingewechselte Aaron Hunt (85.) größte Möglichkeiten vergaben, jubelte am Ende nur Hannover.
„Was Mentalität, Bereitschaft und Entschlossenheit angeht, waren wir am Limit“, sagte Thioune, der seinen Spielern bis auf Kittel keinen Vorwurf machen konnte.
Titz-Parallele: Welche Fehler Thioune macht
Dem Trainer muss man aber den Vorwurf machen, dass er in den vergangenen Wochen zu häufig falsche Entscheidungen getroffen hat, wenn es um Aufstellungen und Einwechslungen ging. Spieler nach einer guten Leistung nicht wieder aufzustellen, entbehrt eigentlich jeglicher Logik einer Leistungskultur, die der Trainer immer wieder einfordert. Seine Wechsel erinnern ein wenig an Christian Titz, der vor zwei Jahren auch gerne mal einen Dreifachtorschützen (Pierre-Michel Lasogga) im nächsten Spiel auf die Bank setzte und sich mit solchen Entscheidungen angreifbar machte.
Im Gegensatz zu Titz 2018 hat Thioune 2020 aber das Vertrauen der Führung. Während Titz nach zehn Spielen (18 Punkte) entlassen wurde, erhält Thioune nach zehn Spielen (17 Punkte) Rückendeckung. „Wir wissen, dass wir eine Krise haben. Wir haben aber viele gute Dinge gesehen. Die stimmen uns positiv, dass wir aus der Situation rauskommen“, meinte Mutzel. „Wenn wir wieder die Griffigkeit zeigen, kommen auch die Ergebnisse wieder“, sagte Boldt.
Dann gingen die zwei nebeneinander zurück ins Stadion. In dem Wissen, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben.
HSV gegen Hannover 96 – die Statistik