Hamburg. Der HSV verpasste im Nordduell gegen Hannover 96, für die Trendwende zu sorgen. Dabei waren genug Chancen da – trotz früher Unterzahl.
Jetzt trifft selbst Simon Terodde nicht mehr: Der HSV rutscht immer tiefer in die Krise. Der einstmals souveräne Tabellenführer der 2. Bundesliga musste gegen Hannover 96 die dritte Niederlage nacheinander hinnehmen und ist nun schon seit fünf Spielen ohne Sieg. Beim 0:1 (0:1) ließ der HSV – und namentlich sein Topstürmer Terodde – trotz früher Unterzahl eine Vielzahl großer Torchancen liegen.
"Wir haben mit zehn Mann auf ein Tor gespielt, waren gefühlt zwei Mann mehr", sagte Terodde später bei Sky. "Für mich war es ein bitterer Nachmittag, weil ich der Mannschaft nicht helfen konnte." Aus den Aufstiegsrängen ist der HSV damit raus. Aber der Reihe nach.
Dass die 2:3-Niederlage in Heidenheim sich sechs Tage später auch auf dem Spielberichtsbogen niederschlagen würde, durfte man erwarten. Nicht aber, dass dort der Name Moritz Heyer in der Startelf fehlte. Ihn hatte Trainer Daniel Thioune im Sommer vom VfL Osnabrück mitgebracht und seitdem auf wechselnden Positionen immer spielen lassen. Heyers Platz erhielt Klaus Gjasula, der zuvor noch nicht nachweisen konnte, warum er so etwas wie der Königstransfer gewesen sein soll.
Drei Wechsel in HSV-Startelf
„Klaus hat eine gewisse Präsenz und Ausstrahlung auf dem Platz“, erklärte Thioune am Sky-Mikrofon. Zudem solle Gjasula seine Kopfballstärke bei hohen Bällen aus Hannovers Spielhälfte einbringen. Immerhin: Das gelang, so viel sei vorweggenommen.
Deutlich näherliegend: Josha Vagnoman nahm auf der rechten Abwehrseite den Platz des angeschlagenen und ohnehin schwächelnden Jan Gyamerah ein, der erst gar nicht im Kader war. Auch Spielmacher Jeremy Dudziak erhielt eine neue Chance, Leidtragender war Manuel Wintzheimer trotz bis dato zweier Tore und sechs Vorlagen.
HSV gegen Hannover 96 – die Statistik
Kurzum: Thioune setzte ein deutliches Signal, dass es so wie im November beim HSV nicht weitergehen sollte. Ging es aber. Das Bemühen um Spielkontrolle war den Gastgebern nicht abzusprechen, aber wo war der Mut? Selbst Hannover schien zunächst mehr davon zu haben, obwohl ihnen in den vergangenen sieben Auswärtsspielen rein gar nichts gelungen war. Und als nach einem Eckstoß Khaled Narey der Ball vom Schienbein unglücklich direkt vor HSV-Torwart Sven Ulreich prallte, brauchte 96-Stürmer Hendrik Weydandt den Ball nur noch ins Tor zu drücken – 0:1 (13. Minute).
Kittel fliegt früh vom Platz
Eine Reaktion musste her, aber vielleicht hatte Sonny Kittel da etwas missverstanden. Erst foulte er Hannovers Sei Muroya so, dass er dafür die Gelbe Karte erhielt (14.). Und als sei das nicht Warnung genug, grätschte er den Japaner nur gut zehn Minuten an der Seitenauslinie später noch einmal ebenso übermotiviert wie unnötig um. Gelb-Rot, Kittels erster Platzverweis überhaupt – der HSV war nach nur 25 Minuten nur noch zu zehnt.
Warum es sich leichtmachen, wenn es auch schwer geht? Keine drei Minuten setzte Kingsley Schindler seinen Flugkopfball knapp am HSV-Tor vorbei. Es könnte noch eine lange Stunde werden für den HSV.
Doch es soll schon Mannschaften gegeben haben, die in Unterzahl Spiele gedreht haben. Zum Beispiel so: Khaled Narey läuft auf dem rechten Flügel an, seine Flanke köpft Terodde – nein, nicht ins Tor. Hannovers Keeper Michael Esser bekam irgendwie noch die Schulter dazwischen. Auch in der nächsten Szene konnte Esser nicht mehr reagieren, musste es allerdings auch gar nicht: Josha Vagnoman schoss ihn aus kurzer Distanz an (43.).
Spätestens nach dieser doppelten Großchance hätte das Volksparkstadion gebebt. Doch in diesen Zeiten muss man sich selbst helfen. Und der HSV war in der zweiten Halbzeit offenbar gewillt dazu. Jeremy Dudziak versuchte es erst aus der Distanz mit dem Fuß (59., Außennetz) und dann aus der Nähe mit dem Kopf – genau in Essers Arme (62.).
Der HSV-Check zum "Notderby":
Terodde scheitert mehrfach an Esser
Anstatt die Überzahl zu nutzen, tat Hannover nun nicht mehr, als auf Konterchancen zu warten. Doch die ließ der HSV kaum zu. Und Terodde hätte die verzagte 96-Taktik fast bestraft. Von Dudziak angespielt, stand der HSV-Torjäger plötzlich frei vor Esser – und scheiterte wieder an dem formidablen Hannoveraner Torwart (77.). Der Ausgleich wäre längst verdient gewesen, aber Gerechtigkeit spielt beim Fußball in einer Krise in der Regel nicht mit.
Und der HSV scheiterte ja nicht nur an Esser, sondern auch an sich selbst. Der inzwischen eingewechselte Aaron Hunt nahm einen Lupfer des ebenfalls eingewechselten Wintzheimer im Strafraum gekonnt mit der Brust an, um ihn dann mit dem schwächeren rechten Fuß ungelenk am Tor vorbeizuschießen (85.).
Noch einmal bäumte sich der HSV auf, wieder setzte sich Terodde im Strafraum durch – um dann wieder an Esser zu scheitern (90.). Es sollte an diesem Sonnabend einfach nicht sein für den HSV. Dann vielleicht am nächsten in Darmstadt?
"Mit fünf sieglosen Spielen haben wir keine Argumente", sagte Terodde, "aber wir hatten heute genug Chancen zu gewinnen und sind nach zehn Spielen noch oben dabei."