Paderborn. In einem verrückten Spiel lässt sich der HSV auch von drei Gegentoren in vier Minuten nicht schocken. Rekordmann Terodde erklärt es.
Es war ein Spiel, an das man sich in Paderborn und auch in Hamburg noch lange erinnern dürfte. Mit 4:3 (2:3) gewann der HSV am Montagabend das Topspiel der 2. Bundesliga, das sich den Namen von der ersten bis zur letzten Minute verdiente. Es war eine Achterbahnfahrt, an dessen Ende die Hamburger über den zweiten Saisonsieg und die Tabellenführung jubelten.
„Paderborn darfst du nie abschreiben. Aber wir haben geduldig gespielt und zum richtigen Zeitpunkt wieder zugeschlagen“, sagte HSV-Stürmer Simon Terodde, der in seinem zweiten HSV-Spiel seinen zweiten Doppelpack erzielte.
Die Statistik
Vor allem Klaus Gjasula bedankte sich am Ende bei seinen Teamkollegen. Der Neuzugang aus Paderborn hatte an alter Wirkungsstätte mit mehreren Fehlern dafür gesorgt, dass der HSV nach einer 2:0-Führung innerhalb von rekordverdächtigen vier Minuten mit 2:3 in Rückstand ging. „Der Trainer hat in der Halbzeit gesagt, dass wir das Spiel auch für mich drehen sollen“, sagte Gjasula.
Einem Hamburger ging es bereits Stunden vor dem Anpfiff ziemlich schlecht. Als Sonny Kittel am Morgen im Mannschaftshotel aufwachte, fühlte sich der Offensivallrounder gar nicht gut. Die medizinische Abteilung des HSV wollte kein Risiko eingehen, separierte Kittel vom Rest der Mannschaft und fuhr ihn direkt zurück nach Hamburg. Im Laufe dieses Dienstags soll er einen weiteren Corona-Test machen.
Jatta ersetzt Kittel im HSV-Kader
Für den kranken Kittel ließ Trainer Daniel Thioune Bakery Jatta nach Paderborn chauffieren. Von der Bank aus aus hatte der Flügelflitzer einen ebenso guten Blick auf das von Anfang an unterhaltsame Geschehen wie der Rest der 300 VIP-Zuschauer in der Benteler-Arena.
Sie alle durften sich über eines dieser typischen Paderborn-hüben-wie-drüben-Spiele freuen. Der SC ist seit anno dazumal berühmt berüchtigt für seine ganzheitlichen Fußballleckerbissen, die einen hohen Unterhaltungswert in beiden Strafräumen garantieren, also hüben wie drüben.
Nach 2:0-Führung des HSV: Paderborns flotter Dreier
Manuel Wintzheimer war es, der nicht einmal 60 Sekunden nach einem ersten Warnschuss (13.) beim zweiten Versuch ernst machte (14.) und das Torspektakel mit einem schönen Linksschuss eröffnete. Damit aber nicht genug: Wintzheimers Vorarbeit köpfte Torjäger Simon Terodde unter gastfreundschaftlicher Mithilfe von Sebastian Schonlau und Chima Okoroji auch noch zum frühen 2:0 ein (24.).
Doch als erste Lobeshymnen auf den HSV-Neuzugang auf der spärlich besetzten Pressetribüne bereits formuliert wurden, mussten die Hamburger in nur vier Minuten noch einmal sehr nachdrücklich daran erinnert werden, dass zu einem echten Paderborner Hüben-wie-drüben-Spiel eben auch das Hüben gehört.
Erst war es Tim Leibold, der Chris Führich ungeschickt von den Beinen holte. Den fälligen Strafstoß verwandelte Dennis Srbeny (34.). Quasi mit dem nächsten Angriff drehten Srbeny und Führich ihre Rollen und glichen zum 2:2 aus, ehe nur weitere 120 Sekunden später erneut Führich nach einem erneuten Fehler von Klaus Gjasula zum 3:2 (38.) traf.
Lesen Sie auch:
Gjasula-Schwur bringt HSV in die Spur
Drei Treffer in vier Minuten – was für ein Spiel, das allerdings auf wenig Begeisterung beim HSV stieß. „Es sind gravierende Fehler passiert. Gerade aus der zentralen Position heraus darfst du dir solche Fehlpässe nicht erlauben“, schimpfte Clubmanager Bernd Wehmeyer zur Halbzeit bei Sky.
In der Halbzeit aber brachte Thioune seine Kollegen mit dem Gjasula-Schwur wieder in die Spur. „Wir wollten das Spiel für Klaus gewinnen“, sagte Terodde. Dass in der Pause neben dem Torspektakel und Gjasulas Patzern noch ein drittes HSV-Thema auf der Tribüne diskutiert wurde, hatte weniger mit dem abwechslungsreichen Geschehen vor Ort als viel mehr mit einem online gestellten Artikel von Sport1 zu tun. Dort wurde berichtet, dass die Telekom als Anteilseigner beim HSV einsteigen könnte. Eine Meldung, die direkt von den HSV-Verantwortlichen dementiert wurde.
Der HSV in der Einzelkritik:
Mit harten Fakten ging es im zweiten Durchgang auf dem Rasen weiter – diesmal aber wieder drüben. Nach herrlicher Vorarbeit Jeremy Dudziaks war es ein weiteres Mal Wintzheimer, der im Paderborner Strafraum den Überblick behielt und seinen Sturmpartner mit eingebauter Torgarantie freispielte. Terodde streichelte den Ball zum 3:3 ins Tor (57.) – und gab nach seinem 122. Zweitligatreffer Anlass zur Hoffnung, dass die bereits geschriebenen Terodde-Elogen doch noch den Weg in die Zeitung finden würden.
Sein vierter Saisontreffer im zweiten Spiel – und mindestens genauso beeindruckend: Es war sein Zweitligatreffer Nummer 122. Damit zog er in der ewigen Torschützenliste der eingleisigen Zweiten Liga an Spitzenreiter Sven Demandt vorbei, der bereits vor dem Anpfiff via Sky ausrichten ließ: „Wenn Simon den Rekord holt, dann hat er ihn auch verdient.“
Und tatsächlich sollte Terodde am Ende nicht nur über seine Spitzenposition jubeln, sondern auch über die des HSV. Nach einem Foul von Sebastian Vasiliadis an Wintzheimer entschied Schiedsrichter Guido Winkmann auch nach Überprüfung der Szene im Kölner Keller auf Elfmeter. Der eingewechselte Aaron Hunt übernahm die Verantwortung und sorgte für den Schlusspunkt in einem denkwürdigen Spektakel (83.). Somit kommt es am nächsten Sonntag (13.30 Uhr) zum Spitzenspiel HSV gegen Aue. Der Erste empfängt den Zweiten – und das nächste Spektakel darf kommen.