Hamburg. Vor zehn Jahren wollte Torjäger Simon Terodde seine Karriere beenden. Nun soll er den HSV zurück in die Bundesliga schießen.
Als Simon Terodde mal wieder alles zu bunt wurde, griff er zum Telefon und rief seinen Vater an. „Papa, ich höre auf mit Fußball, das bringt nichts mehr!“, sagte er. 2010 war das. Terodde war seinerzeit 22 Jahre alt, war als Jungprofi mit dem MSV Duisburg in die Dritte Liga abgestiegen, hatte ein Probetraining bei Union Berlin verpasst und fiel bei einem Probetraining bei Wehen Wiesbaden durch. Nun spielte er mit der Reserve des 1. FC Köln in der Regionalliga West – oder besser: Er spielte nicht. „Trainer Frank Schaefer setzte mich auf die Bank. Er sagte, dass ich das Niveau nicht hätte, um von Anfang an zu spielen“, berichtete Terodde einmal in einem Interview mit dem Magazin „11Freunde“. Sein Vater sei am anderen Ende der Leitung total geschockt gewesen und habe angemahnt, dass sich sein Sohn doch erst einmal beruhigen sollte. „Dann haben er und sein bester Freund mich ordentlich ins Gebet genommen“, erinnerte sich Terodde, „und ich entschied, mich durchzubeißen.“
Ziemlich genau zehn Jahre ist dieses Telefonat nun her. Und um eine lange Geschichte kurz zu machen: Terodde biss sich tatsächlich durch, entwickelte sich zu einem der besten Zweitligaprofis aller Zeiten, schoss in 220 Zweitligaspielen für diverse Clubs 118 Tore, stieg mit Köln und mit dem VfB Stuttgart in die Bundesliga auf – und griff am Mittwoch erneut zum Telefonhörer. Diesmal war nicht sein Vater dran, sondern sein Berater. Und der sagte dem mittlerweile 32 Jahre alten Fußballer, dass sein Wechsel vom 1. FC Köln zum HSV perfekt sei.
Thioune und Terodde werden vermutlich bestens zusammenpassen
„Der Kontakt bestand schon länger, am Ende waren die Gespräche mit dem Trainer ausschlaggebend. Die Entscheidung für den HSV ist mir danach leichtgefallen“, sagt der Torjäger am Tag danach, nachdem er am Mittwochabend nach Hamburg gefahren war und am frühen Donnerstagmorgen den Medizincheck im UKE absolvierte. Heute soll er erstmals im Volkspark trainieren, am Sonnabend beim Test gegen Randers spielen. Tagelang hatten sich die Gespräche zwischen dem HSV, Köln, Terodde und seiner Berateragentur SportsTotal hingezogen, ehe am Donnerstagnachmittag endlich der Zehnmonatsvertrag unterzeichnet werden konnte.
Der Sommerfahrplan des HSV
Ob der HSV und Terodde im besten Sinn der Dating-App „Tinder“ ein „Perfect Match“ werden, wird man in der kommenden Saison sehen. Schon jetzt scheint allerdings klar, dass vor allem Trainer Daniel Thioune und Terodde bestens zusammenpassen. Denn beiden sagt man nach, ihr Fußballglück eher auf dem zweiten Bildungsweg gefunden zu haben.
Seit Jahren erzielt Terodde Tore am Fließband
Besonders im Fall von Terodde, der seit Jahren Tore am Fließband erzielt, ist sein schwieriger Start in die Profilaufbahn fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Die Leidensgeschichte des gebürtigen Bocholters fing beim MSV Duisburg an, wo er als Torschützenkönig der Junioren-Bundesliga seinen ersten Vertrag unterzeichnete und direkt aufgrund eines Meniskusrisses fast sein komplettes erstes Profijahr ausfiel. Später wurde er eine Saison an Fortuna Düsseldorf verliehen, brach sich die Rippe, quetschte sich einen Lungenflügel und erlebte den Aufsteig der Mannschaft vom Krankenbett aus. Am Ende dieser Spielzeit wollte dann weder Düsseldorf noch Duisburg ihn im Kader haben.
Nach drei ordentlichen Jahren bei Union Berlin sollte Teroddes Stern so richtig erst 2014 in Bochum aufgehen. In seinem ersten Jahr erzielte er 16 Tore, in seiner zweiten Saison sogar 25 Treffer. Es folgte sein Wechsel zum VfB Stuttgart, wo er unter Ex-HSV-Trainer Hannes Wolf erneut mit 25 Toren Zweitliga-Torschützenkönig wurde. „Simon geht voran, nicht nur wegen seiner Tore“, sagt Wolf im Gespräch mit dem Abendblatt. „Seine Persönlichkeit ist wichtig für eine Mannschaft. Er kennt Köln, er kennt Stuttgart. Simon hat in großen Clubs und großen Städten gespielt, das wird auch dem HSV zugutekommen. Er ist einer, der mit Druck umgehen kann.“
Terodde lässt nur wenige Chancen aus
Das zeigte Terodde auch in Köln, wo er nach dem VfB-Aufstieg mit 29 Saisontoren zum dritten Mal Torschützenkönig der Zweiten Liga wurde und erneut in die Bundesliga aufstieg. „Er war ganz wichtig für uns, gerade in den engen Spielen“, sagt Louis Schaub, der in der vergangenen Saison an den HSV verliehen war und der zuvor gemeinsam mit Terodde die Kölner zurück in die Bundesliga geschossen hatte. Drei Treffer legte der Österreicher, der derzeit vom 1. FC Köln freigestellt ist und sich in der Nähe von Wien fit hält, Terodde auf.
„Man braucht so einen Killer, der die Tore macht. Er lässt nur ganz wenig Chancen aus. Er braucht aber auch Bälle, man muss ihn gut füttern“ sagt Schaub, der aber auch Teroddes Stärken außerhalb des Platzes hervorhebt: „Auch beim Feiern hat er seine Qualitäten. Man kann mit ihm auch gut mal ein Bier trinken.“ Sein Fazit: „Simon wird dem HSV helfen.“ Das will und muss er auch. Schon im eigenen Interesse. So ist es schon drei Jahre her, dass Terodde in der „11Freunde“ angekündigt hat, genug von der Zweiten Liga zu haben. „Ganz ehrlich: Es reicht!“, sagte der damalige Stuttgarter. „Ich kenne mittlerweile alle Stadien und weiß gut genug, wie schwer es ist, sich hier durchzusetzen. Aber ich traue es mir zu, in der Allianz Arena auch mal vor ausverkauften Rängen zu spielen.“
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Die ausverkauften Ränge müssen nun aus anderen Gründen noch eine Weile warten. Und die Allianz Arena? In der durfte er seitdem einmal spielen. 21 Minuten lang. Mit dem 1. FC Köln verlor er vor knapp einem Jahr 0:4. Eine Revanche wird nur möglich sein, wenn er nach dieser Spielzeit seinen Vertrag noch einmal verlängert. Was nur möglich sein wird, wenn der HSV aufsteigt. Was nur möglich sein wird, wenn Terodde erneut im Akkord trifft. In diesem Sinne: Alles ist möglich – willkommen in Hamburg!