Hamburg. HSV-Sportvorstand Boldt spricht über Bewegungen auf dem Markt. In einem Punkt stimmt er mit einem Spielerberater überein.

Quizfrage: Was haben Sammy, Kuno und Eugen mit Elias, Casper­ und Nacho gemeinsam? Nun, sie gehören alle auf die eine oder andere Art zur speziellen Gattung der Sommerlochunterhaltung. Doch während Kaiman Sammy 2002 als „Bestie im Baggersee“ überregionale Bekanntheit erhielt, der Wels Kuno aus dem Volksgarten-Weiher 2001 die Schlagzeile „Killerwels frisst Dackel“ produzierte und die Schildkröte Eugen 2002 zum „Ungeheuer von Loch Dornach“ erklärt wurde, schwimmen oder kriechen Elias (Kachunga), Casper (Höjer Nielsen) und Nacho (Monsalve) nicht. Aber als Mitglieder der Unterkategorie Transfergerüchte erfreuen sie sich derzeit genauso großer Beliebtheit wie ihre Sommerloch-Verwandten von einst.

Tatsächlich finden sich Kachunga, Höjer Nielsen und Monsalve bei der fein säuberlichen Auflistung aller Sommergerüchte des Fachportals transfermarkt.de rund um den HSV wieder. 14 Fußballer werden hier gelistet, die neben der Gemeinsamkeit, von der einen oder anderen Zeitung beim HSV gehandelt zu werden noch eine zweite Gemeinsamkeit haben: Sie alle wurden genauso wenig vom HSV verpflichtet wie Sammy, Kuno oder Eugen. Zumindest noch nicht.

Transfergelder verteilen sich auf wenige Profis

Seit genau einer Woche ist der Sommertransfermarkt offen – doch statt mehr oder weniger talentierter Torjäger und Abwehrrecken wurden bislang überwiegend Gerüchte gehandelt. „Das übliche Domino-Spielchen wird dieses Jahr etwas später losgehen“, orakelt HSV-Sportvorstand Jonas Boldt, der gerade ein paar Tage im Ausland weilt. Andere Menschen, andere Gespräche, andere Gedanken. Den Transfermarkt haben Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel aber natürlich auch aus der Ferne im Blick. „Insgesamt wird natürlich weniger Geld im Markt bewegt. Es wird in diesem Sommer eher auf ablösefreie Spieler und auf Leihprofis gesetzt“, sagt Boldt.

Experten gehen von einem www-Transfersommer aus: weniger Profis, weniger Transfers und vor allem weniger Geld. Doch die nackte Zahl der bislang gezahlten Ablöse spricht eine andere Sprache: In der ersten Woche seit der Öffnung des Transferfensters wurden in Deutschland bereits knapp 100 Millionen Euro für neue Spieler gezahlt. Wer aber wie Boldt etwas genauer hinschaut, der erkennt Erstaunliches: Lediglich für sechs Spieler floss Geld. Zwei (Werders Toprak und Bittencourt) mussten aufgrund von Vertragsklauseln verpflichtet werden. Die restlichen vier Millionentransfers teilen sich die „Big Three“ Bayern (Sané/45 Millionen Euro), Dortmund (Bellingham/23 Millionen) und Leipzig (Hwang/15 Millionen und Martínez/2,5 Millionen). Und der HSV? Holte die ablösefreien Klaus Gjasula und Amadou Onana. Stadtrivale St. Pauli verpflichtete sogar noch gar keinen neuen Profi.

HSV plant zahlreiche Talente fest ein

Einer der wenigen Berater, der trotz Corona Geschäfte machte, ist Thies Bliemeister. Der Hamburger vermittelte in der Hochphase der Pandemie Bruno Labbadia zu Hertha BSC und transferierte nun den Südkoreaner Hwang von Salzburg nach Leipzig. „Ich denke, dass die aktuelle Krise besonders für Talente zur großen Chance werden könnte“, sagt Bliemeister. „Die Clubs werden so wenige neue Spieler wie möglich verpflichten und lieber die Planstellen mit eigenen Talenten auffüllen. Diese Möglichkeit müssen die Talente dann ergreifen.“

Auch beim HSV sind mit Jonas David (20), Stephan Ambrosius (21), Josha Vagnoman (19), Onana (18), Xavier Amaechi (18), Aaron Opoku (21) und Bliemeister-Schützling Manuel Wintzheimer (21) jede Menge Talente fest eingeplant. Zwei oder drei erfahrene Fußballer sollen aber noch dazukommen. „Unsere Planung geht immer bis zum Ende der Transferfrist – in diesem Jahr also bis zum 5. Oktober“, sagt Boldt. „Jeder Trainer hätte zwar am liebsten den kompletten Kader beim Trainingsstart zusammen, aber das gibt es in der Praxis ja schlichtweg nicht. Wobei wir unsere Kernthemen natürlich so früh wie möglich abzuarbeiten versuchen.“

HSV bleibt wohl auf Wood und Bates sitzen

Die Schwierigkeit des diesjährigen www-Coronamarkts: In England öffnet das Transferfenster erst in fünf Tagen, in Spanien in knapp zwei Wochen, in Italien erst in gut einem Monat, und in Frankreich steht der Transferstart nicht einmal fest. Ganz ohne Millionensummen wird man laut Boldt aber auch in diesem Sommer nicht auskommen: „Ich glaube schon, dass es international auch in diesem Jahr den einen oder anderen großen Millionentransfer geben wird. Das ist wie auf dem Immobilienmarkt: Die hübsche Wohnung an der Alster wird man immer an den Mann bekommen.“

Schwieriger dürften es die sanierungsbedürftigen Altbauten auf dem platten Land haben. „Man muss sich darauf gefasst machen, dass ein paar Spieler vereinslos bleiben, weil die Clubs nicht mit so großen Kadern planen werden“, sagt Boldt, der aber auch weiß, dass sogenannte Streichkandidaten sehr viel schwieriger als früher zu vermitteln sind. Ob er und Mutzel Abnehmer für die perspektivlosen Bobby Wood und David Bates finden, gilt als äußerst fraglich.

Biada und Schäffler könnten zum HSV wechseln

Doch die Corona-Krise kann Risiko und Chance zugleich sein. Nicht nur der HSV muss dringend sparen und seine Gehaltskosten der neuen Wirklichkeit anpassen. „Die Berater wissen genau, dass den Spielern in diesem Sommer eher geringere Gehälter angeboten werden“, sagt Boldt. „Ich denke schon, dass viele Berater ihren Spielern nicht raten werden, bis zum Ende zu pokern.“ Berater Bliemeister gibt Boldt recht: „Jeder Fußballer, der derzeit einen gültigen Vertrag hat, sollte glücklich sein.“

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Millionentransfers dürften in der Zweiten Liga in diesem Jahr ausfallen. „In der Zweiten Liga wurde in den vergangenen Jahren ohnehin schon eher selten Ablöse gezahlt. Das wird sich in diesem Jahr sicherlich nicht ändern“, sagt Boldt, der für Sandhausens Stürmer Julius Biada oder Wiesbadens Manuel Schäffler allerdings eine geringe Ablöse im sechsstelligen Bereich einplanen müsste. Denn anders als Kaiman Sammy oder Wels Kuno könnte einer der beiden Angreifer tatsächlich kommen. Und das Beste an der Sommerlochzeit ganz zum Schluss: Irgendwann ist sie vorbei.