Hamburg. Der 19-Jährige war als Soforthilfe verpflichtet worden, erlebte aber eine enttäuschende Saison – weil Hecking ihn nicht förderte?
Xavier Amaechi hat endlich wieder Spaß. Ein Video auf Instagram zeigt den 19 Jahre alten Engländer, wie er mit einem Freund an der südspanischen Küste den Ball hochhält. Amaechi verbringt gerade seinen Urlaub in Andalusien. Unter Palmen versucht der talentierte HSV-Flügelstürmer abzuschalten, um mit neuer Energie und neuem Elan nach Hamburg zurückzukehren.
Von seiner Freude am Fußball war zuletzt nicht mehr viel zu sehen. Denn Amaechis erstes Jahr beim HSV ist schnell zusammengefasst: Es war zum Vergessen. Dabei war der englische Junioren-Nationalspieler vor ziemlich genau einem Jahr mit großen Vorschusslorbeeren für 2,5 Millionen Euro von Arsenals Londons U-23-Nachwuchs verpflichtet worden. „Ich habe es zuerst nicht für möglich gehalten, dass wir mit diesem Spieler in Verhandlungen treten können“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt damals.
HSV: Amaechi profitiert vom verpassten Aufstieg
Anders als man es bei einem zu jener Zeit 18 Jahre alten Talent vermuten könnte, war Amaechi als Soforthilfe eingeplant. Doch statt dem HSV wirklich sofort zu helfen, kam Amaechi erst einmal nur in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga Nord zum Einsatz. Für die Profis reichte es in einer für ihn persönlich schwierigen Saison lediglich zu zwei Einwechslungen und insgesamt 32 Spielminuten.
Wenn die HSV-Spieler nun Anfang August wieder zusammenkommen und die Vorbereitung für die neue Saison aufnehmen, beginnt nicht nur der Neustart für den HSV. Es ist auch ein Neustart für Amaechi.
Dabei könnte der aus dem Südwesten Englands stammende Außenbahnspieler sogar davon profitieren, dass die Hamburger den Aufstieg verpasst haben. Bei einer Rückkehr in die Bundesliga hätte der Club mehr finanziellen Spielraum gehabt, um den Kader zu verstärken. Amaechis Aussicht auf Einsatzzeiten wäre dann wohl auf ein Minimum gesunken und ein Verleih sinnvoll gewesen.
Transfer? HSV will Amaechi behalten
So aber plant der Verein den Youngster für die anstehende Zweitligasaison fest ein. Wie das Abendblatt erfuhr, glaubt auch Amaechi trotz seines schwierigen Starts daran, sich beim HSV durchzusetzen. Ein Wechsel ist daher kein Thema.
Im Volkspark erhoffen sich die Club-Verantwortlichen, dass der Jungprofi nun den nächsten Entwicklungsschritt nimmt – und zwar in Hamburg und nicht bei einem anderen Verein. Trotz des Vertrauens in seine Qualitäten wissen die Entscheidungsträger allerdings auch, dass sich Amaechi steigern muss.
Bei seinen beiden Kurzeinsätzen in der Vorsaison wirkte er naiv, als wollte er in nur wenigen Minuten allen zeigen, was er am Ball kann. Dabei agierte der Offensivmann wie ein Jugendspieler, der er streng genommen vom Alter her auch noch sein könnte.
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Hat Hecking Amaechi nicht genug gefördert?
Eine interne Analyse beim HSV hat nun jedoch ergeben, dass Amaechis fahrige Auftritte auch mit dem fehlenden Vertrauen in seine Person zusammenhingen. Ex-Trainer Dieter Hecking lobte den Youngster zwar regelmäßig auf Pressekonferenzen vor den Partien, gespielt haben aber stets andere. So lautet der interne Vorwurf, Hecking habe nicht auf die Qualitäten von Amaechi gebaut und ihm in seiner Entwicklung nicht geholfen.
Bezeichnend hierfür war Amaechis Einwechslung am 30. Spieltag in der Schlussviertelstunde gegen Kiel (3:3), die hemmend auf den Spielfluss wirkte. Im Anschluss kritisierte Hecking den unglücklichen Auftritt des Engländers, dabei war der Zeitpunkt des Wechsels mindestens genauso unglücklich gewählt worden.
Inzwischen ist Hecking beim HSV Geschichte. Unter dem neuen Trainer Daniel Thioune soll nun der Schwerpunkt Entwicklung in den Vordergrund rücken. Die Hoffnung der sportlichen Leitung ist, dass der 45-Jährige das vollständige Potenzial aus Spielern wie Amaechi ausschöpft. Der 19-Jährige soll eine faire Chance erhalten, die er möglicherweise bislang nicht hatte.
Woran Amaechi beim HSV arbeiten muss
Klar ist aber auch, dass der Linksfuß an seiner Defensivbereitschaft arbeiten muss, um den neuen Coach von sich zu überzeugen. „Wir müssen leidenschaftlich brutal gegen den Ball arbeiten. Das ist total wichtig in der Zweiten Liga“, hatte Thioune vor zwei Wochen bei seiner Vorstellung in Hamburg gesagt. Für Amaechi, der bislang lieber seine Mitspieler verteidigen ließ, bedeuten diese Sätze auch eine Umstellung für sein Spiel.
Einen Vorteil kann er jedoch aus der aktuellen Situation des Kaders schöpfen. Denn momentan stehen beim HSV nur wenige Außenbahnspieler unter Vertrag. Routinier Martin Harnik und Jairo haben den Verein verlassen. Topscorer Sonny Kittel ist in Zukunft für das Mittelfeldzentrum eingeplant.
Somit bleiben mit Bakery Jatta, Khaled Narey, dem nach einer Leihe aus Rostock zurückkehrenden Aaron Opoku und eben Amaechi nur noch vier Spieler für zwei Positionen auf den offensiven Flügeln. Es ist zwar naheliegend, dass der HSV noch auf dem Transfermarkt aktiv wird, für den Moment aber steigen Amaechis Einsatzchancen im Vergleich zur abgelaufenen Saison.
HSV will Amaechi-Ablöse nicht verbrennen
So bewertet auch der HSV die Situation um sein Toptalent. Hinzu kommt, dass der finanziell arg gebeutelte Club seine Kapitalanlage von 2,5 Millionen Euro, die Amaechi an Ablöse kostete, nicht verbrennen will. Der talentierte Spieler war immerhin der zweitteuerste Transfer der vergangenen Saison. Es war auch eine Investition in die Zukunft. Nach einer für alle Seiten unbefriedigenden Saison will der Club den Jungprofi daher nicht vorschnell hängen lassen.
Der Glaube an seinen Durchbruch ist vorhanden und auch die Zielsetzung an den Youngster ist unmissverständlich: Amaechi soll um seinen Platz im Team kämpfen und sich durch bessere Leistungen offensiv anbieten.
Geht der Plan auf, hätte auch Amaechi wieder Spaß. Und zwar beim HSV – und nicht nur im Urlaub.