Jonas David wurde beim Meiendorfer SV groß. Beim HSV will er zum Stammverteidiger werden. Ein Treffen in der Heimat.
Hamburg Jonas David posiert gerade am Anstoßpunkt für ein Foto, als aus der Ferne drei Jungs seinen Namen rufen. Es ist der Mittelkreis des Meiendorfer SV, dem ersten Club des 20 Jahre jungen HSV-Talents. David winkt den Jungs zurück und lächelt. „Ein bisschen kennt man mich hier schon. So viele Meiendorfer haben es ja nicht geschafft, in den Profifußball zu kommen. Wobei mein Weg ja hoffentlich noch lange nicht am Ende ist.“
Der Weg, der vor 15 Jahren hier auf dem alten Ascheplatz am Deepenhorn im Norden Hamburgs begann. Und der ihn bis heute zu den HSV-Profis und zur Deutschen U-20-Nationalmannschaft führte. David zeigt auf seinem Handy eine Nachricht, die ihn ein wenig stolz macht. 3000 Euro hatte sein Jugendclub vom Deutschen Fußball-Bund überwiesen bekommen für seine Einsätze im deutschen Nachwuchs. „Vielleicht bekomme ich hier irgendwann eine Statue“, sagt David und lacht.
David soll beim HSV wichtig werden
Zehn Tage ist es her, dass der Meiendorfer beim HSV seinen Vertrag langfristig bis 2024 verlängert hat. David soll eines der Gesichter des Hamburger Neustarts sein. Von dieser Chance hat er geträumt, als er vor zehn Jahren am Deepenhorn im Pokal gegen den HSV-Nachwuchs spielte. 16 Gegentore gab es damals für Meiendorf.
„Ich erinnere mich noch gut, wie er damals nach dem Spiel mit einem sehnsuchtsvollen Blick zu den Jungs vom HSV geschaut hat“, sagt Carsten Paarmann. Der 59-Jährige war der Trainer, als Jonas David mit fünf Jahren erstmals hier beim Meiendorfer SV erschien. „Er hatte immer den Traum mit den Besten zu spielen und sich mit den Besten zu messen“, sagt Paarmann, der David sieben Jahre lang als Trainer begleiten sollte. „Ich weiß noch, wie Jonas in unserem Fußballkindergarten mit seinem Freund auftauchte. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht.“
David wohnt wieder in seinem Elternhaus
Schon damals wohnte David mit seinen Eltern fünf Autominuten entfernt in einem Reihenhaus einer Volksdorfer Familiensiedlung. Nach seiner halbjährigen Leihe zu den Würzburger Kickers, mit denen er vor zwei Wochen den Aufstieg in die Zweite Liga feierte, wohnt David nun vorübergehend wieder in seinem alten Haus. Seine vier Jahre ältere Schwester ist zwar ausgezogen, seine Zwillingsschwester lebt aber noch dort.
„Es ist schön, mal wieder zu Hause zu wohnen. Auch wenn es etwas enger ist. Das hat Vor- und Nachteile. Wir essen zusammen und verbringen viel Zeit miteinander. Aber wenn man mal Süßigkeiten in den Schrank legt, heißt das eben auch, dass die später weg sind.“
David lacht. Er wohnt sogar wieder im selben Zimmer, in dem er groß geworden ist. An seiner Wand hängt noch ein Poster von Weltmeister Jérôme Boateng im HSV-Trikot. „Ihn fand ich immer schon cool. Ich mag seine Geschichte. Genau wie die von Jonathan Tah“, sagt David über die beiden früheren HSV-Verteidiger, die es aus Hamburg in die Nationalelf schafften.
Ex-Trainer: David hat hohe Sozialkompetenz
Anders als Tah und Boateng wurde David aber nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum groß. Selbst nachdem er mit 15 von Eintracht Norderstedt in die HSV-Jugend wechselte, blieb er in Meiendorf. Nur 15 Minuten geht man vom Sportplatz Deepenhorn zum Gymnasium Meiendorf, wo David vor zwei Jahren sein Abitur bestand.
Nach der Schule fuhr er von Berne mit U- und S-Bahn nach Stellingen, im Zug aß er den Reis, den er sich morgens kochte. Dann Individualtraining, Teamtraining und mit dem Fahrdienst zurück nach Volksdorf. Hausaufgaben und Klausurenvorbereitung. „Das war eine richtig intensive Zeit. Ich weiß gar nicht, wie ich das geschafft habe“, sagt er.
Und wie er es schaffte. 1,8 lautete sein Schnitt nach den Abiturprüfungen in Deutsch, Mathe, PGW und Sport. Dass David ein Musterschüler war, weiß auch noch sein früherer Trainer. „Jonas hatte schon immer eine hohe Sozialkompetenz. Und er hat es klug umschifft, sich nicht ablenken zu lassen, wenn sich die Jungs mit anderen Dingen beschäftigt haben“, sagt Carsten Paarmann.
Der Meiendorfer erinnert sich aber auch, wie David in der Jugend noch nicht zu den größten Talenten Hamburgs zählte. Was auch daran lag, dass er sich körperlich erst spät entwickelte. „Dass er es so weit geschafft hat, kann er auch seinem Vater verdanken. Er hat unglaublich viel dazu beigetragen“, sagt Paarmann.
- Wie der HSV Xavier Amaechi nun stärker fördern will
- Hat sich der HSV selbst einen Transferstopp aufgelegt?
- HSV will Pollersbeck verkaufen: Chance für Heuer Fernandes
Ein Teil von Davids Familie lebt in Afrika
Fabian David, der Vater, musste viel arbeiten, um seine Familie zu finanzieren. „Er hatte einen Vollzeit-Job, ist dann nachts zusätzlich noch Taxi gefahren und hat es sich trotzdem nicht nehmen lassen, morgens wieder mit seinem Sohn zu den Spielen zu fahren“, erzählt Paarmann. „Auch bei unseren Vater-Sohn-Ausflügen waren die beiden immer dabei.“
So einen gemeinsamen Ausflug hätte Jonas David im vergangenen Winter auch gerne nach Nigeria gemacht. Dort ist sein Vater aufgewachsen. Ein Großteil seiner Familie lebt noch immer in der Region Aba im Süden des westafrikanischen Landes. Getroffen hat der HSV-Profi sie aber noch nie. Gerade erst hat die Familie in Nigeria ein neues Haus gebaut. Doch um dort hinzukommen, muss man weite Wege auf sich nehmen. Richtige Straßen gibt es außerhalb der Großstädte kaum. „Ich muss mir mindestens zwei Wochen Zeit nehmen. Die hatte ich in den vergangenen Jahren leider nicht“, sagt David.
David und die Geheimsprache mit Vagnoman
Seine Heimat aber ist ohnehin hier in Meiendorf. Der Abwehrspieler sitzt jetzt vor dem Vereinsheim, wo er sich als kleiner Junge immer ein Eis holte. Sein jugendliches Lachen hat sich der 1,91-Meter-Mann erhalten. Eigentlich lacht er ununterbrochen, wenn er aus seinem Fußballleben erzählt.
Über sein lange Zeit „schlechtes“ Kopfballspiel, das er erst mit Nachwuchscoach Bastian Reinhardt in stundenlangen Einzelschichten verbesserte. Über seinen Kumpel Josha Vagnoman, mit dem er eine Art eigene Sprache entwickelt hat, über die sich sogar die Trainer beim DFB amüsieren. Oder über den Moment, als Vagnoman ihm vor zehn Monaten seinen Torjubel klaute, als dieser nach seinem Debüttor zum imaginären Telefonhörer griff. „Jetzt muss ich mir einen neuen Torjubel überlegen.“
Nach einer Sehnenverletzung im Oberschenkel verbringt der Verteidiger die Sommerpause in Hamburg, lässt sich regelmäßig untersuchen. Nebenbei will er eine eigene Wohnung suchen. Wenn sich denn andeutet, dass er beim HSV in der kommenden Saison auf Einsatzzeiten kommen kann. Ansonsten wäre für ihn sogar eine erneute Leihe, etwa nach Würzburg, eine Option. „Nach dem Trainingslager wird man schon erkennen, in welche Richtung es geht“, sagt David.
Sein Ziel für die Saison ist aber klar: Beim HSV so viele Spiele wie möglich machen. „Das wäre fresh.“ Und natürlich sein erstes Profitor schießen. Am liebsten mit dem Kopf. Dann bekommt er hier in Meiendorf vielleicht wirklich eine eigene Statue.