Hamburg. Der HSV setzt bei der Planung für die kommende Saison verstärkt auf Leadership – auf dem Platz und außerhalb.
Vielleicht war es diese eine Szene in der 69. Minute, die bei den HSV-Verantwortlichen Eindruck hinterlassen hatte. Julian Pollersbeck hielt eine Flanke bereits sicher in den Händen, als Manuel Schäffler sich vor dem HSV-Torhüter aufbaute und versuchte, ihn mit seiner ganzen Kraft über die Linie zu drücken. Eine Szene, die das Selbstvertrauen des Wiesbadener Stürmers verdeutlichte.
Dass sich Schäffler an diesem Nachmittag vor sechs Wochen auf die Einkaufsliste des HSV befördert hat, lag aber nicht nur an seinem Auftreten, sondern vor allem an den beiden Toren, die er bei der 2:3-Niederlage im Volksparkstadion erzielt hatte. Es waren zwei seiner insgesamt 19 Saisontore.
Der HSV sucht Führungsspieler
Der 31-Jährige ist neben Hannovers Hendrik Weydandt (24) der Topkandidat als Neuzugang für den HSV-Sturm. Während Schäffler noch eher in das gesuchte Profil des Strafraumstürmers passt, hätte Weydandt den Vorteil, dass er im Gegensatz zu Schäffler (Vertrag bis 2021) ablösefrei zu haben ist und aufgrund seines Alters noch eine Entwicklung vor sich hat. Was die zwei Stürmer aber eint: Beide gelten als Führungsspieler.
Und genau die sucht der HSV. „Ich bin überzeugt, dass es für viele Spieler eine riesengroße Motivation ist, mit dem HSV etwas Neues aufzubauen“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt, als er über die Suche nach Neuzugängen sprach. Allerdings nicht im Juli 2020, sondern im Juni 2019. Damals stellte der neue HSV-Manager eine Mannschaft zusammen, die zu den Gegebenheiten der Zweiten Liga passen sollte. „Die entscheidende Frage, die wir allen stellen, ist: Siehst du dich als Teil des Ganzen, als Teil dieses HSV, und bist du bereit dazu, unter den gegebenen Bedingungen den aufgezeigten Weg mitzugehen?“
HSV will sich auch in der Innenverteidigung neu aufstellen
Ein Jahr später musste Boldt feststellen, dass die meisten Spieler, die für die zentrale Achse geholt wurden, am Ende nicht mehr funktionierten. Timo Letschert sollte ein Leader sein, Lukas Hinterseer, auch Torhüter Daniel Heuer Fernandes. Sie alle brachen im letzten Saisondrittel ein. Nun sucht Boldt gemeinsam mit Sportdirektor Michael Mutzel und dem neuen Trainer Daniel Thioune erneut Spieler für die Führungsachse. Neben einem neuen Stürmer will sich der HSV vor allem in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld neu aufstellen und zweikampfstarke Spieler verpflichten, die auch als Persönlichkeit eine wichtige Rolle einnehmen.
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Neucoach Thioune gilt allerdings als Verfechter einer flachen Hierarchie. Sein Credo: Jeder Spieler muss Verantwortung übernehmen – auf dem Platz und außerhalb desselben. Interessant wird sein, welche Rolle Aaron Hunt in der kommenden Saison einnimmt. Der 33-Jährige wurde in den vergangenen zwei Spielzeiten von der Mannschaft zum Kapitän gewählt. Thioune aber lässt in der Regel nur den Mannschaftsrat wählen und bestimmt den Kapitän dann selbst. Und offenbar ist Thioune der Ansicht, dass ein Spieler wie Hunt die Kapitänsbinde nicht braucht, um seine Rolle innerhalb der Mannschaft zu bestätigen.
Wer ist der neue HSV-Trainer Daniel Thioune?
Wer wird die offene Stelle des zweiten Co-Trainers besetzen?
Die größte Lokomotive, das sagt er selbst, ist aber der neue Trainer. Klären müssen die sportlich Verantwortlichen nun, wer neben dessen langjährigem Assistenten Merlin Polzin die offene Stelle des zweiten Co-Trainers besetzt. Kurioserweise duellieren sich Tobias Schweinsteiger (38) und Dirk Bremser (54), in der vergangenen Saison noch gemeinsam an der Seite von Dieter Hecking, um den Posten.
Boldt überlässt diese Entscheidung dem Cheftrainer. Thioune hat bereits ein Gespräch mit Schweinsteiger geführt. Intern genießt der Bayer hohe Wertschätzung. Schweinsteiger wird im kommenden Jahr allerdings seinen Fußballlehrerschein erwerben. In den kommenden drei Wochen muss er bereits für die ersten Ausbildungstage nach Hennef. Die Anwesenheitszeit beim Lehrgang wurde aber deutlich reduziert, sodass Schweinsteiger genug Zeit hätte, die Trainingseinheiten beim HSV zu begleiten.
Die HSV-Trainer seit 2008
Diskussion, ob der HSV wieder einen dritten Vorstand benötigt
Diskutiert wird intern aber auch, ob Thioune neben Polzin (29) noch einen erfahrenen Co-Trainer braucht. Dann könnte die Wahl auf Bremser fallen, der via „Bild“ seine Bereitschaft signalisiert hatte, auch ohne Hecking beim HSV zu bleiben. Ob der Trainerstab darüber hinaus noch optimiert wird, will Boldt aktuell nicht beantworten. Noch ist daher unklar, ob der HSV sich zum Beispiel mit einem Experten im Bereich Sportpsychologie verstärkt.
HSV-Trainer Thioune: Ein Schritt zurück, um Anlauf zu nehmen
Veränderungen auf Führungsebene könnte es schließlich auch im Vorstand geben. Nach der Freistellung von Bernd Hoffmann im März hatten Boldt und Finanzvorstand Frank Wettstein die Geschäfte als Doppelspitze geführt. Auf der anstehenden Aufsichtsratssitzung wird das Gremium um Kontrollchef Marcell Jansen diskutieren, ob der HSV wieder einen dritten Vorstand benötigt, um bei wichtigen Entscheidungen ein klares Ergebnis herbeiführen zu können. Zudem bleibt die Frage, ob der HSV einen Vorstandschef berufen will.
Fest steht zu diesem Zeitpunkt nur eines: Der HSV braucht neue Führungskräfte – und das auf allen Ebenen.
Die aktive Fanszene des HSV hat am Freitag in einem öffentlichen Statement erneut ihren Rückhalt für Bakery Jatta demonstriert. Die Anhänger kritisieren Polizei und Staatsanwaltschaft dafür, dass die Beamten bei der Hausdurchsuchung des HSV-Profis vor einer Woche von der „Bild“ begleitet wurden. Sie fordern die „unverzügliche Rückgabe aller von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Geräte“ sowie die „sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens“.