Hamburg/Heidenheim. 23-mal spielten Adrian Fein vom HSV und Heidenheims Niklas Dorsch gemeinsam für den FCB. Ersetzt der eine bald den anderen?

Allzu lange muss Niklas Dorsch nicht nachdenken. Ob ihm etwas Grundsätzliches einfalle, was ihn und Adrian Fein verbinde? Man kann Dorschs Grinsen fast durch das Telefon hören. „Wir mussten uns immer lustig machen über eine Gemeinsamkeit, als wir noch unter Tim Walter bei Bayern Münchens U23 gespielt haben“, antwortet er schließlich. „Tim Walter lässt sehr laufintensiven Fußball spielen – und wir beide sind irgendwie nicht die laufstärksten Mittelfeldspieler der Welt. Wir hatten immer Werte unter zehn Kilometern.“

Dorsch freut sich über die Anekdote. Dabei verrät die kleine Geschichte mehr über seine gesunde Selbstwahrnehmung als über sein vermeintliches Laufdezifit.

Heidenheims Niklas Dorsch (22) und Hamburgs Adrian Fein (21) sind zwei der größten Mittelfeldtalente Deutschlands. Beide spielen auf der sogenannten „Sechs“, sind vom FC Bayern ausgebildet, wollen spätestens in zwei Wochen aufsteigen – und gehören zu den am meisten umworbenen Spielern der Zweiten Liga. Gemeinsam spielen sie für Deutschlands U21 – gegeneinander spielen sie am Sonntag (15.30 Uhr) beim „Aufstiegsfinale“ zwischen Heidenheim und dem HSV.

Und Dorsch? Fällt nur ein, dass sie eigentlich noch viel mehr laufen müssten. „Irgendwie haben wir es ja trotzdem ganz gut hinbekommen.“ Ganz gut ist ganz gut untertrieben.

Fein will zurück zu den Bayern, Dorsch nicht

Mit Marktwerten von fünf Millionen Euro (Fein) und 4,5 Millionen Euro (Dorsch) sind die beiden Freunde laut dem Fachportal „Transfermarkt.de“ die wertvollsten „Staubsauger“ der Zweiten Liga. „Bei den Bayern haben wir im Nachwuchs häufig miteinander gespielt“, erinnert sich Dorsch an die sechs gemeinsamen Jahre in der FCB-Jugend. „Im Training habe ich es immer gehasst, gegen Adrian zu spielen. Am Ball ist er überragend.“ Dass sich Kumpel Fein in der Rückrunde in einem veritablen Formtief befindet, will er so nicht stehen lassen. Stattdessen sagt er: „Wenn Adrian jetzt auch defensiv noch stärker wird, dann stehen ihm alle Türen offen.“

Zum Beispiel die Tür zur Rückkehr nach München. Anders als Oberfranke Dorsch, der trotz seines Bundesligadebüts bei den Bayern 2018 und einer in Aussicht gestellten Vertragsverlängerung nie zu den Bayern zurück wollte, ist genau das Feins größter Traum: eine Rückkehr zum FCB.

Niklas Dorsch (M.) gratuliert Adrian Fein (l.) für ein Tor des damaligen Regionalligateams des FC Bayern.
Niklas Dorsch (M.) gratuliert Adrian Fein (l.) für ein Tor des damaligen Regionalligateams des FC Bayern. © imago/foto2press | Sven Leifer

„Der größte Unterschied ist, dass Adrian nun zu den Bayern zurückkehrt, was ich mir nicht vorstellen konnte“, sagt Dorsch. „Ich wusste, dass ich in Heidenheim die beste Saison meines Lebens spielen könnte, dann aber trotzdem bei den Bayern wahrscheinlich keine Rolle spielen würde. Das wollte ich nicht. Und ich wollte die Entscheidung über meine Karriere in meiner Hand haben – und nicht als Leihspieler auf die Bayern angewiesen sein.“

Beerbt Dorsch seinen Kumpel Fein beim HSV?

Die Entscheidung über seine weitere Karriere hat Dorsch tatsächlich selbst in der Hand – beziehungsweise in den Füßen. Sollte Überraschungsmannschaft Heidenheim wirklich aufsteigen, könnte sich der Fan von Toni Kroos sogar einen Verbleib beim Provinzclub vorstellen. „Für meine Entwicklung wäre das sicherlich nicht schlecht“, sagt er.

Und klappt der Aufstieg nicht, stehen die Interessenten Schlange. Glasgow Rangers, Eintracht Frankfurt, der FC Augsburg. Sie alle sollen interessiert sein. Und: der HSV. „Als Journalist würde ich mir die Frage auch selbst stellen, aber was soll ich so wenige Tage vor so einem Spiel darauf antworten?“, fragt er zurück.

Es wäre auch wirklich zu schön, um möglicherweise wahr zu sein. Dass ausgerechnet Dorsch seinen Kumpel Fein beerbt. Dessen Formtief macht im Übrigen neben Dorsch auch Dieter Hecking keine Sorgen. „Adrian will unbedingt mit uns aufsteigen. Er probiert viel – und macht deswegen vielleicht auch einen Fehler mehr als andere“, sagt der HSV-Trainer. „Er kann es besser. Aber man muss immer das Gesamtpaket sehen.“

Dorsch trifft HSV-Co-Trainer Schweinsteiger – zufällig

Dorschs Gesamtpaket hat der HSV in dieser Saison gleich mehrfach beobachten lassen. Doch angesprochen auf eine mögliche Verpflichtung im Sommer witzelt HSV-Sportvorstand Jonas Boldt nur: „Wie bei allen Transfergerüchten: Mal sind sie Fisch, mal Fleisch – und manchmal weder noch.“

Einen Vorgeschmack auf Hamburg erlebte der von den Kollegen zum besten Zweitligaspieler der vergangenen Saison gewählte Fußballer im März. Da flog Dorsch mit seinem Berater Christian Nerlinger nach Hamburg, traf im Flieger HSV-Co-Trainer Tobi Schweinsteiger und musste dieses Treffen nur Minuten später im Internet nachlesen.

„Es war Zufall. Ich hatte einen privaten Termin in Hamburg, der nichts mit dem HSV zu tun hatte“, sagt er. „Tobi fliegt ja häufiger hin und her. Und weil Tobi und ich uns kennen, haben wir natürlich gequatscht. Dass das irgendeiner dann direkt im Internet ausplaudert, ist wohl in Hamburg normal. Aber es war wirklich nur ein Zufall.“

Dorsch erklärt Heidenheims Stärke

Alles andere als Zufall ist nach Dorschs Meinung der Höhenflug seines FC Heidenheim. „Wir haben eine wirklich gute Mannschaft, die es extrem gut kompensiert, dass wir, anders als Stuttgart oder Hamburg, nicht die herausragenden Einzelkönner haben“, sagt er. „Wir haben ja auch schon in der vergangenen Saison lange Zeit oben um den Aufstieg mitgespielt.“

Und diesmal soll es dann auch klappen: „Wenn man zwei Spieltage vor Schluss immer noch so weit oben steht und mit zwei Siegen vieles selbst in der Hand hat, dann will man es auch schaffen. Wir sind der Außenseiter, wollen aber nicht einfach nur so mitspielen. Wenn die Möglichkeit da ist, wollen wir natürlich aufsteigen.“

Dorsch: HSV hat den Druck

Noch ist unklar, ob der HSV oder Heidenheim das Rennen machen. Klar scheint nur, dass sich Dorsch und Fein in der kommenden Saison in der Bundesliga wiedersehen dürften. Trotz der im Übrigen noch immer eher mauen Laufleistungen. So lief Hamburgs Fein in dieser Saison gerade mal 10,72 Kilometer im Schnitt (Platz 24 in der Zweiten Liga). Niklas Dorsch war mit 10,44 Kilometern (Platz 37) sogar noch ein wenig bequemer.

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Am Sonntag steht aber kein Wettlauf auf dem Programm. Sondern das vielleicht wichtigste Spiel der Saison. „Den Druck hat der HSV“, sagt Dorsch. „Ich sage mal ganz frech: Wir gewinnen.“