Fürth. Aufstiegskandidaten patzen allesamt in letzter Sekunde. Stuttgart, HSV und dessen kommender Gegner Bielefeld reagieren unterschiedlich.

Drama zum Neustart: Der HSV ist nach 71-tägiger Corona-Pause mit einem am Ende ernüchternden 2:2 (1:1) bei der SpVgg Greuther Fürth in den Spielbetrieb der Zweiten Fußball-Bundesliga zurückgekehrt.

Matchwinner vor der bis auf Weiteres nun obligatorischen Geisterkulisse im Sportpark Ronhof hätten eigentlich Joel Pohjanpalo und Jeremy Dudziak werden können, die mit ihren Treffern kurz vor und nach der Halbzeit (41./48.) den Rückstand durch Havard Nielsen (34.) in eine Führung ummünzten.

Doch erneut Nielsen machte mit seinem Ausgleichstreffer in der allerletzten Sekunde der vierminütigen Nachspielzeit im Anschluss an eine Ecke einen dicken Strich durch die HSV-Rechnung.

Hecking sieht es positiv

Da der VfB Stuttgart im Parallelspiel (1:2 in Wehen) allerdings ebenfalls spät Punkte ließ, hat sich der HSV nach 26 Spieltagen mit 45 Zählern an den punktgleichen Schwaben vorbei auf den direkten Aufstiegsplatz zwei geschoben, der bei einem möglichen Saisonabbruch noch einmal wichtiger werden könnte als ohnehin schon.

HSV-Trainer Dieter Hecking bemühte sich entsprechend, das positiv veränderte Tabellenbild in den Vordergrund zu rücken. "Wir haben ein Teilziel erreicht", sagte er nach dem Spiel verblüffend entspannt. "Wir sind an Stuttgart vorbei und haben einen Punkt auf Heidenheim gutgemacht."

Die Statistik

Greuther Fürth

Sascha Burchert - Marco Meyerhöfer, Paul Jaeckel , Marco Caligiuri, Maximilian Wittek (57. David Raum) - Paul Seguin, Julian Green (57. Kenny Prince Redondo), Timothy Tillman (75. Hans Nunoo Sarpei) - Branimir Hrgota , Havar Nielsen, Jamie Leweling (87. Marvin Stefaniak). Trainer:Stefan Leitl

HSV

Daniel Heuer Fernandes – Josha Vagnoman (79. Rick van Drongelen), Jordan Beyer, Timo Letschert, Tim Leibold – Adrian Fein – Jeremy Dudziak (64. David Kinsombi), Aaron Hunt (89. Louis Schaub) – Jairo Sampeiro (46. Sonny Kittel), Bakery Jatta – Joel Pohjanpalo (89. Martin Harnik). Trainer: Dieter Hecking

Schiedsrichter

Robert Hartmann (Wangen)

Tore

1:0 Nielsen (35.), 1:1 Pohjanpalo (41.), 1:2 Dudziak (48.), 2:2 Nielsen (90.+4)

Gelbe Karten

Seguin, Leweling  – Jairo, Beyer, Letschert

Torschüsse

14:11

Ecken

6:4

Ballbesitz

49:51 %

Zweikämpfe

78:77

1/9

HSV-Aufstellung überrascht

Schon vor der historischen Partie in Fürth hatte Hecking mit einer Aufstellung überrascht, die es vor der Saisonunterbrechung so überhaupt noch nicht gegeben hatte.

In der Offensive verzichtete Hecking auf seine Top-Scorer Sonny Kittel und Lukas Hinterseer, für die der lange verletzte Jairo Samperio und Stürmer Joel Pohjanpalo auflaufen durften.

In der Defensive kehrte Josha Vagnoman nach 153-tägiger Pause wegen seines Fußbruchs zurück auf die Position des rechten Außenverteidigers. Jordan Beyer rückte dafür in die Innenverteidigung.

Doppelkopf: Pohjanpalo antwortet Nielsen

Und letzterer Schachzug schien zunächst nach hinten loszugehen: Nach 35 Minuten waren sich Beyer und sein Kompagnon Timo Letschert bei einer Fürther Flanke von der linken Seite uneins, Nielsen sagte Danke und nickte zum ersten "Corona"-Gegentor des HSV ein.

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Doch auch die "Rothosen", die am Sonntag im pinken Auswärtsdress mit blauen Hosen aufliefen, bewiesen Köpfchen. Sechs Minuten später schraubte sich Pohjanpalo nach der 13. Torvorlage von Tim Leibold zum verdienten Ausgleich in die Höhe.

HSV jubelt mit Fäusten und Ellenbögen

In der Halbzeit reagierte Hecking und brachte für den Gelb-Rot gefährdeten Jairo dann doch noch Kittel ins Spiel. Und der Hesse fügte sich traumhaft ein, indem er Aaron Hunt anspielte. Der Kapitän ließ im Strafraum auf Dudziak abtropfen, der zur Führung vollendete (48.).

Auch nach dem zweiten Treffer fiel der Hamburger Jubel ordnungsgemäß und ganz im Sinne der DFL aus: Statt sich um den Hals zu fallen oder auf andere Art zu liebkosen, beließen es die Profis bei Grüßen per Faust und Ellenbogen.

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HSV lässt Dreifach-Chance liegen

Wie die Freude im Herzogspark ausfiel, war indes nur zu erahnen. Im Quarantäne-Hotel im 16 Kilometer vom Spielort entfernten Herzogenaurach verfolgten Christoph Moritz, Bobby Wood und Stephan Ambrosius die Partie. Das Trio hatte es nicht den 20er Kader geschafft.

Am Ende gab es indes dann überall nur noch hängende Köpfe. Der Last-Second-Ausgleich aus dem Gewühl heraus führte dem HSV einmal mehr vor Augen, dass vor dem lang ersehnten Wiederaufstieg noch eine Menge Schweiß und Tränen liegen.

Dabei hätten sich die Hamburger zumindest in Fürth schon eine Menge Kummer ersparen können. Vor allem bei einer Dreifach-Chance in der 72. Minute hätte die Vorentscheidung fallen können: Erst scheiterte Hunt am Fuß von Torhüter Sascha Burchert. Pohjanpalo ging es beim ersten Nachschuss nicht besser, ehe Leibold den Ball im dritten Versuch auf die verwaiste Tribüne jagte.

Hecking und Spieler kritisieren Chancenwucher

"Wir müssen ganz klar das dritte Tor schießen", befand Torschütze Pohjanpalo hinterher bei Sky. "So eine Ecke in letzter Minute kann dann immer passieren." Auch Mitspieler Adrian Fein ärgerte der Chancenwucher. "Es ist extrem bitter, dass wir das Spiel noch aus der Hand gegeben haben", sagte der Mittelfeldmotor.

Hecking sah dies ähnlich wie seine Spieler. "Der Ausgleich schmerzt natürlich", sagte der HSV-Trainer in der virtuellen Pressekonferenz. "Es geht aber nicht um den Ausgleich, sondern darum, dass wir das dritte Tor nicht gemacht haben. Wir hatten drei, vier hundertprozentige Torchancen, davon musst du eine nutzen. Das ist das Ärgerliche."

Bielefeld mit heißem Trotz zum HSV

Osnabrücks Marcos Alvarez (r.) beim Jubel über den Ausgleich in Bielefeld.
Osnabrücks Marcos Alvarez (r.) beim Jubel über den Ausgleich in Bielefeld. © dpa

Schwacher Trost für den HSV: Auch die Aufstiegskonkurrenz patzte am Sonntagmittag jeweils auf den allerletzten Drücker. Neben Stuttgart, das seine Niederlage durch einen Elfmeter in der 97. Minute kassierte, büßte auch Tabellenführer Bielefeld beim 1:1 gegen Osnabrück mit der letzten Aktion der Gäste Punkte ein. "Das hätte man auch nicht gedacht", sagte Hecking.

"Wir könnten eigentlich der Gewinner des Spieltags sein. Jetzt sind wir der Verlierer des Spieltags. Das tut weh", befand indes Stuttgarts Stürmer Mario Gomez nach dem späten Dämpfer von Wiesbaden.

Am kommenden Spieltag kommt es im Volksparkstadion nun zum Geister-Höhepunkt zwischen dem HSV und der Arminia (Sonntag, 13.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de). "Das wird ein sehr interessantes Spiel, wir sind alle sehr heiß darauf", kündigte Bielefelds Reinhold Yabo nach dem verpassten Sieg trotzig an.