Hamburg. Die beiden Vorstände regieren nach Hoffmanns Aus gemeinsam den HSV. Nun erklären sie, wie sie die Zukunft planen.

Fünf Tage nach dem großen Knall demonstrieren Frank Wettstein (46) und Jonas Boldt (38) Einigkeit. Im gleichen Outfit sitzen die beiden Vorstände mit dem vorgeschriebenen Abstand auf dem Podium des Presseraums im Volksparkstadion und sind dem Abendblatt per Videoanruf zugeschaltet. Nach dem Aus für den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann erzählen die beiden, wie es beim HSV weitergeht.

Hamburger Abendblatt: Herr Boldt, Herr Wettstein, angesichts der Coronakrise hat der HSV nicht nur die Kurzarbeit auf der Geschäftsstelle eingeführt, die Mannschaft hat auch die Bereitschaft für Gehaltsverzichte erklärt. Kamen die Spieler selbst auf diese Idee?

Jonas Boldt: Das Signal kam ganz klar aus der Mannschaft heraus, und zwar schon sehr früh, bevor beispielsweise Politiker das öffentlich gefordert haben. Es hat uns ungemein gefreut, dass die Mannschaft da sehr proaktiv ihre Bereitschaft erklärt hat, bevor hier beim HSV Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Wann erfolgt die Umsetzung?

Boldt: Dass die einzelnen Gespräche noch nicht stattgefunden haben, hat zwei Hintergründe. Zum einen müssen wir erst einmal genau beobachten, wann es weitergeht und was das bedeutet. Und zum anderen bevorzugen wir es, in der Runde zusammenzukommen. Der Vorteil ist, dass der HSV aktuell durch die Arbeit der vergangenen Monate so aufgestellt ist, dass wir keine Gefahr laufen, bis zum 30. Juni unterzugehen. Wir sehen keine Not, vorzeitig und populistisch eine Entscheidung zu treffen.

Wird der Gehaltsverzicht auch die Vorstandsebene betreffen?

Boldt: Wenn wir vorangehen, werden wir immer auch ein gutes Beispiel sein, das ist vollkommen klar.

Werden die Einsparungen durch Gehaltsverzichte dann für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle genutzt?

Frank Wettstein: Es ist nicht so, dass das Geld der Profis jetzt direkt den Mitarbeitern zufließt. Wir haben das Kurzarbeitergeld freiwillig aufgestockt, weil uns das wichtig war. Insgesamt arbeiten wir an einem Gesamtpaket an Maßnahmen, um den HSV durch die Krise zu steuern.

Mitten in der Coronakrise hat der HSV seinen Vorstandsvorsitzenden freigestellt. Warum war aus Ihrer Sicht eine weitere Zusammenarbeit mit Bernd Hoffmann nicht mehr möglich?

Boldt: Ich spreche für uns beide, dass wir Interna weiterhin intern behandeln wollen.

Der Zeitpunkt mitten in der Coronakrise war allerdings äußerst unglücklich. Hätte man aus Ihrer Sicht nicht zumindest noch bis Saisonende in der Konstellation zusammenarbeiten können?

Da waren es noch drei: Im Interview sprechen die HSV-Vorstände Frank Wettstein (l.) und Jonas Boldt (r.) über die Entlassung ihres einstigen Chefs Bernd Hoffmann.
Da waren es noch drei: Im Interview sprechen die HSV-Vorstände Frank Wettstein (l.) und Jonas Boldt (r.) über die Entlassung ihres einstigen Chefs Bernd Hoffmann. © WITTERS | Valeria Witters

Boldt: Grundsätzlich ist es nie optimal, wenn es Diskussionen gibt, die an die Öffentlichkeit kommen. Den jetzigen Zeitpunkt, haben wir ja nicht geplant, sondern es hat sich so entwickelt. Wenn die Saison weitergelaufen wäre und wir jetzt zwischen den Spitzenspielen Bielefeld und Stuttgart stehen würden, wäre der Zeitpunkt nicht besser gewesen. Jetzt haben wir mit Corona eine zusätzliche Komplikation, und wenn wir hier gemeinsam durch die allgemeine Krise kommen wollen, dann ist die Situation, wie sie jetzt entstanden ist, nicht anders lösbar gewesen.

Wie wird die Arbeitsteilung zwischen Ihnen künftig aussehen? Wer übernimmt die Aufgaben von Bernd Hoffmann?

Wettstein: Wir haben intern festgelegt, dass wir die Aufgabenbereiche von Bernd Hoffmann aufteilen, damit die Mitarbeiter wissen, wer ihr Ansprechpartner ist. Jonas wird den Bereich Medien und Kommunikation verantworten, weil das Thema sehr eng am Sport ist. Den Bereich Vermarktung werde ich zunächst führen, weil er natürlich eng mit den Finanzen verwoben ist. Hier stehen sehr viele Gespräche an.

Brauchen Sie perspektivisch wieder einen Vorsitzenden im Vorstand?

Wettstein: Für den Moment ist die Situation geklärt. Und das wird auch funktionieren. Was perspektivisch passiert, muss der Aufsichtsrat entscheiden. Da werden wir sicherlich in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Bei Entscheidungen könnten Sie in der aktuellen Konstellation auch mal uneinig sein. Wie läuft die Abstimmung in so einem Fall?

Boldt: Wir haben ja schon einige Entscheidungen getroffen, die am Ende zwischen uns immer einstimmig abgelaufen sind. Wir haben eine Basis geschaffen, auf der man sich im Zweifel auf denjenigen Experten in seinem Bereich verlassen kann.

Mit Stephan Hildebrand beschäftigt der HSV noch einen Mitarbeiter von Bernd Hoffmann, der sich um die Unternehmensentwicklung kümmern soll. Wie planen Sie mit ihm?

Wettstein: Zu einzelnen Beschäftigungsverhältnissen werden wir uns öffentlich nicht äußern.

Herr Wettstein, Sie haben nun bereits drei Wechsel des Vorstandsvorsitzenden beim HSV erlebt. Kritiker sagen, das hat mit Ihrem Vertrauensverhältnis zu Herrn Kühne zu tun. Was sagen Sie?

Wettstein: Ich glaube, dass man die Wechsel einzeln betrachten sollte. Da wird sehr viel reininterpretiert, was nicht der Wahrheit entspricht.

Was meinen Sie genau?

Wettstein: Der Aufsichtsrat ist für die Besetzung des Vorstandes zuständig. Da mögen sicherlich viele Kriterien in die Beurteilung einfließen, aber wie Herr Kühne zu meiner Person steht, hatte nach meinem Kenntnisstand bislang keine Relevanz für diese Entscheidungen.

Bernd Hoffmann hat immer betont, selbstbestimmt und unabhängig von Herrn Kühne zu handeln. Verstärkt sich durch die neue Konstellation der Einfluss von Klaus-Michael Kühne?

Wettstein: Über die Zusammenarbeit mit Herrn Kühne wurde in der Vergangenheit immer gemeinschaftlich entschieden. Insbesondere dann, wenn auch eine Bereitschaft bei Herrn Kühne vorhanden war, den HSV zu unterstützen. Es gibt da jetzt keinen Richtungswechsel. Wir werden natürlich den Kontakt zu Herrn Kühne pflegen und ihn als unseren zweitgrößten Gesellschafter genauso einbinden, wie wir es in der Vergangenheit auch gemacht haben.

HSV-Investor Klaus-Michael Kühne.
HSV-Investor Klaus-Michael Kühne. © dpa | Axel Heimken

Also sind Sie für die Unterstützung durch Herrn Kühne weiterhin offen?

Wettstein: Wir sind prinzipiell sehr glücklich darüber, dass sich Herr Kühne für den HSV engagiert. Das war in der Vergangenheit so, und wir würden uns freuen, wenn das in der Zukunft auch so bleibt.

Der HSV steht im Sommer vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Der Vertrag mit Herrn Kühne über die Stadionnamensrechte läuft aus. Auch der Sponsorenvertrag mit Emirates wäre nicht mehr gesichert, sollte der Aufstieg misslingen. Wird der HSV weitere Anteile verkaufen müssen, um die Liquidität zu sichern?

Wettstein: Aktuell wissen wir noch gar nicht, welche Dimensionen die Coronapandemie in wirtschaftlicher Hinsicht für den HSV erreichen wird. Niemand kann zuverlässig vorhersagen, ob wir in vier, sechs oder acht Wochen wieder Fußball spielen werden. Deswegen lässt sich heute nicht die Frage beantworten, in welchem Umfang Finanzmittel im Sommer, im Winter oder auch erst 2021 benötigt werden. Es ist viel zu früh zu sagen, welchen Rettungsplan wir aufgrund der Krise zu verabschieden haben.

Klar ist, dass Sie im Sommer Geld brauchen werden. Wo soll das herkommen?

Wettstein: Ob das so klar ist oder ob unsere Mittel ausreichen, um diese Phase zu überbrücken, wissen wir ja heute noch gar nicht.

Boldt: Abgesehen davon bieten die Themen Hauptsponsor und Namensrechte ja auch noch Potenziale, die bis heute noch nicht final für die kommende Saison geklärt sind.

Rechnen Sie mit einer neuen Vereinbarung über die Stadionnamensrechte mit Herrn Kühne, möglicherweise auch für mehr als ein Jahr?

Wettstein: Darüber würden wir uns sicher freuen. Es haben ja Gespräche stattgefunden, und es werden sicherlich weitere folgen.

Auf dem Transfermarkt sind keine großen Einnahmen zu erwarten. Wird der HSV im Sommer selbst Spieler kaufen können, oder wird es ausschließlich um Leihen und ablösefreie Spieler gehen?

Boldt: In welchem Konstrukt die Spieler beim HSV spielen, ist völlig unwichtig. Entscheidend ist, dass wir Spieler an Land ziehen, die den HSV verstärken. Wir haben zum Beispiel im Winter drei sehr kluge Transfers gemacht, die uns sportlich schon kurzfristig weitergebracht haben und uns ab Sommer im Zweifel finanziell nicht belasten würden. Der Kreativität in der Umsetzung sind gerade jetzt keine Grenzen gesetzt.

Der Vertrag mit Trainer Dieter Hecking läuft im Sommer nur weiter, wenn der Aufstieg gelingt. Werden Sie angesichts der Ungewissheit durch Corona auch mit ihm über einen neuen Vertrag sprechen?

Boldt: Der Vertrag ist ja bewusst so konstruiert, dass er die Erfolgskomponente beinhaltet. Dass Dieter und ich einen engen Kontakt pflegen, ist bekannt. Und Dieter hat ja schon gesagt, dass er sich grundsätzlich vorstellen könnte, beim HSV weiterzuarbeiten, egal in welcher Liga. Aktuell gilt aber unser Fokus natürlich der herausfordernden Gesamtsituation. Wir sind immer noch zu 100 Prozent überzeugt, dass wir unser Ziel erreichen, wenn die Saison zu Ende gespielt werden kann. Dann hätte sich die Frage ohnehin erübrigt.

Herr Boldt, wann wird die Mannschaft wieder mit dem Training beginnen, und was sagen Sie dazu, dass St. Pauli schon wieder in Kleingruppen trainiert?

Boldt: Es ist nicht meine Aufgabe, die Trainingsmaßnahmen anderer Teams zu kommentieren. Wir haben gemeinsam mit St. Pauli und den Towers abgestimmt, dass wir der Empfehlung der DFL folgen. Das haben wir getan, auch um unsere Solidarität zu untermauern. Wir hoffen, dass wir in der kommenden Woche einen Schritt vollziehen können und dass unseren Spielern die Möglichkeit gegeben wird, dem Beruf als Fußballer auch wieder nachzugehen.

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Rechnen Sie damit, dass die Saison im Mai von der DFL fortgesetzt wird?

Wettstein: Wir rechnen fest damit und werden alles dafür tun, dass das gelingt. Sollte es nicht gelingen, müssen wir damit leben. Auch das wird uns gelingen. Aber es ist nicht unser Wunschszenario.