Hamburg. Mitten in der Corona-Krise schwelt der Streit zwischen Hoffmann, Boldt und Wettstein weiter. Warum reagierten die Kontrolleure so spät?

Dieter Hecking will am Sonntag gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Natürlich sei die Situation nicht einfach, sagt der HSV-Trainer, als er am Telefon nach den weiteren Planungen für seine Mannschaft in Corona-Zeiten befragt wird. Doch gerade in derartigen Krisen, betont Hecking, müsse man eben das Beste aus so einer Situation machen. Sein Sohn Jonas sei da ein gutes Beispiel. Der 25-Jährige, der als Scout bei Zweitliga-Tabellenführer Arminia Bielefeld arbeitet, war am Freitagabend auf einer interaktiven Geburtstagsfeier. „Statt sich zu treffen, haben er und seine Freunde sich via Facetime zusammengeschlossen und so eine andere Art der Geburtstagsfeier gefeiert“, berichtet Hecking. „Ich finde schön, dass es auch solche Geschichten in Zeiten von Corona gibt.“

Einfach das Beste draus machen. Das müssen auch er, Sportvorstand Jonas Boldt und seine Mannschaft. Am Sonntagabend haben Hecking und Boldt telefoniert, eine endgültige Entscheidung über die zunächst für Dienstag angestrebte Rückkehr in den Trainingsbetrieb ist aber noch nicht gefallen. Wahrscheinlich ist ohnehin, dass die HSV-Profis noch mindestens eine weitere Woche individuell trainieren müssen, die notwendige Ausnahmeregelung der Stadt liegt auch noch nicht vor. „Alle Spieler wurden mit Spinningrädern ausgestattet“, sagt Hecking. „Die weitere Entwicklung müssen wir abwarten.“

Gespräche des HSV mit den Banken laufen

Am Dienstag will das DFL-Präsidium über eine weitere Aussetzung der Bundesligen beraten, die dann am 31. März auf einer erneuten DFL-Konferenz beschlossen werden soll. Natürlich im besten Jonas-Hecking-Sinn auf einer interaktiven Video- oder Telefonkonferenz. Eine ganze Reihe von möglichen Szenarien machen längst die Runde, wobei noch nichts entschieden ist.

Klar ist also vorerst nur, dass noch nichts klar ist. Das gilt auch für die HSV-Notfallpläne wie Kurzarbeit für einen Teil der 300 Mitarbeiter oder ein freiwilliger Gehaltsverzicht der Profis. Die Gespräche mit den Banken laufen. Ob und wie viele Kredite der HSV nun zusätzlich aufnehmen muss, hängt allerdings maßgeblich vom weiteren Verlauf der Pandemie und von den entsprechenden DFL-Entscheidungen ab. Dass auch der HSV möglicherweise ein paar Millionen Euro mehr brauchen könnte, machte am Wochenende der renommierte Virologe Christian Drosten einmal mehr deutlich.

Jedes Heimspiel ohne Zuschauer kostet den HSV eine Million Euro

Er glaube „überhaupt nicht daran, dass wir in irgendeiner absehbaren Zeit wieder Fußballstadien vollmachen“, sagte der anerkannte Experte dem „Stern“. Drosten und auch ein Großteil seiner Kollegen können sich schlicht nicht vorstellen, dass in diesem Jahr überhaupt noch Fußballspiele mit Fans stattfinden können: „Auf Dinge, die schön sind, aber nicht systemrelevant, wird man lange verzichten“, sagt er.

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    Zur Erinnerung: Jedes Heimspiel ohne Zuschauer kostet den HSV eine gute Million Euro. Trotzdem ist man beim HSV überzeugt davon, auch ein derartiges Horrorszenario über den Sommer hinaus überstehen zu können. Immerhin: Trotz Corona und der trüben Aussicht, lange Zeit auf Stadionbesuche verzichten zu müssen, gibt es derzeit keine höhere Kündigungsquote bei Businesskunden des HSV, die noch bis zum 31. März ihre laufende Partnerschaft mit dem HSV auflösen könnten.

    Unterschiedliche Auffassungen zwischen Hoffmann und Boldt

    Ob ein partnerschaftliches Mit­einander im zuletzt so kriselnden HSV-Vorstand noch über den 31. März hinaus vorstellbar ist, soll sich bereits in dieser Woche entscheiden. So hat das Abendblatt erfahren, dass Aufsichtsratschef Max-Arnold Köttgen (voraussichtlich mit seinem Stellvertreter Andreas Peters sowie Präsident Marcell Jansen) zeitnah die drei Vorstände Bernd Hoffmann, Jonas Boldt und Frank Wettstein zu Einzelgesprächen bittet. In den drei Achtaugengesprächen soll dann vertieft werden, was zuvor schon in der Elefantenrunde am vergangenen Donnerstagabend (Abendblatt berichtete) offensichtlich wurde: der kaum zu kittende Führungsstreit um HSV-Fußball-AG-Vorstandschef Bernd Hoffmann (57).

    Hören Sie auch unseren Podcast zum HSV-Führungsstreit:

    Hoffmann soll am Tag nach der Aufsichtsratssitzung zwar noch einmal das Vieraugengespräch mit Boldt gesucht haben. Allerdings gibt es eben nicht nur grundlegend unterschiedliche Auffassungen zwischen Hoffmann und Boldt (Abendblatt berichtete), sondern auch zwischen Hoffmann und Wettstein. In dieser Hinsicht hatte auf der Sitzung am Donnerstag besonders Finanzvorstand Wettstein kein Blatt vor den Mund genommen. Dabei soll sich manch ein Sitzungsteilnehmer über das Vorgehen des Aufsichtsrats, zunächst den Vorstand gemeinsam und Hoffmann, Boldt und Wettstein erst danach einzeln zu befragen, zumindest gewundert haben.

    Aus Zitronen Limonade machen

    Ohnehin ist aus der Vorstands- längst eine Führungkrise geworden. Denn rund um den HSV ist das Unverständnis groß, dass die sieben Aufsichtsräte (neben Köttgen, Peters und Jansen auch noch Felix Goedhart, Michael Krall, Thomas Schulz und der Kühne-Vertraute Markus Frömming) dem seit Monaten schwelenden Vorstandsstreit erst jetzt so richtig nachgehen. Zur Erinnerung: Wichtigste Aufgabe des Rats ist und bleibt die Kontrolle des Vorstands.

    Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

    • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
    • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
    • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
    • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
    • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

    Nun denn. Vielleicht schaltet der AG-Aufsichtsrat ja doch noch rechtzeitig in den Jonas-Hecking-Modus, also gewissermaßen aus Zitronen Limonade machen. Sobald die drei Gespräche mit Hoffmann, Boldt und Wettstein abgeschlossen sind, will sich das Gremium ein weiteres Mal zeitnah treffen, um dann eine konsequente Entscheidung zu treffen. Diese sei nach übereinstimmenden Angaben aus dem Aufsichtsrat aber noch – Stand jetzt – völlig offen.

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    Trainer Hecking hat natürlich auch vom Führungsstreit gehört, will diesen allerdings nicht weiter kommentieren. Für ihn sei es nun viel mehr entscheidend, seine Mannschaft auf den Tag X vorzubereiten. „Klar ist, dass jede Woche ohne fußballspezifisches Training unsere Arbeit nicht einfacher macht“, sagt er. Er selbst setze vorerst auf lange Spaziergänge mit seinem Hund und seiner Frau, um halbwegs fit zu bleiben. „Ansonsten bleiben wir zu Hause. Wir ziehen uns jetzt ein wenig raus, weil alles andere wenig sinnvoll erscheint“, sagt Hecking. „Ich halte mich da an die Experten.“ Und natürlich an seinen Sohn Jonas.