Hamburg. Zwischen den Vorständen Hoffmann, Boldt und Wettstein passt es nicht mehr. Die Profis zeigen sich mit dem HSV solidarisch.
Es war schon spät am Abend, als die Aufsichtsräte des HSV eine der längsten Sitzungen der jüngeren Clubgeschichte beendeten. Rund sechs Stunden lang tagte das Kontrollgremium der HSV Fußball AG am Donnerstag in der Alexander-Otto-Akademie auf dem Campus.
Aufsichtsratschef Max-Arnold Köttgen und seine Kollegen Thomas Schulz, Marcell Jansen, Felix Goedhardt, Michael Krall, Andreas Peters und Markus Frömming hatten sich zur turnusmäßigen Sitzung getroffen. Ebenfalls dabei waren die drei Vorstände Bernd Hoffmann, Jonas Boldt und Frank Wettstein, die dem Gremium aufzeigen mussten, wie sie den Club durch die aktuelle Corona-Krise führen wollen. Vor allem aber mussten sie erklären, wie sie die Krise im eigenen Vorstand lösen möchten.
Nach der Marathonsitzung stellt sich mehr denn je die Frage: Geht es noch gemeinsam? Nach Abendblatt-Informationen hat der Aufsichtsrat am Donnerstagabend alle Vorstände zu den Differenzen innerhalb der Führungsetage befragt, über die das Abendblatt in der vergangenen Woche berichtet hatte. Vor allem Finanzvorstand Wettstein soll dabei deutlich gemacht haben, dass es in der aktuellen Konstellation schwierig wird, eine gemeinsame Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu finden.
HSV-Führungsstreit: Druck auf Räte wächst
Während Hoffmann sich zu diesem Thema zurückhaltender äußerte, dürfte der Aufsichtsrat auch nach den Worten von Sportvorstand Boldt den Eindruck gewonnen haben, dass es zwischen den drei Managern nicht mehr passt.
Kontrollchef Köttgen machte allen deutlich, dass der finanziell klamme Club in dieser existenziell wichtigen Zeit angesichts der Coronapandemie und eines drohenden Verlustes von 20 Millionen Euro bei einem vorzeitigen Saisonabbruch keine persönlichen Grabenkämpfe dulden kann.
Offiziell äußern wollten sich am Freitag weder die Vorstände noch Aufsichtsratschef Köttgen. Aber auch er wird verstanden haben, dass eine Entscheidung über die zukünftige Zusammenarbeit des Vorstandes nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte.
HSV trotz Corona-Krise nicht gefährdet
Klar ist: Um im Vorstand eine Personalentscheidung zu treffen, reicht eine einfache Mehrheit. Noch deutet jedoch alles darauf hin, als wolle der Aufsichtsrat des HSV auf Zeit spielen und die Entwicklungen der kommenden Wochen abwarten. Kommunikation findet zwischen den Vorständen aktuell ohnehin nur am Telefon statt. Die Geschäftsstelle ist seit dieser Woche vorübergehend geschlossen.
Dass der HSV wirtschaftlich in der Lage ist, das laufende Geschäftsjahr auch bei einem Abbruch der Saison zu finanzieren, hatte Finanzchef Wettstein den Kontrolleuren während der Sitzung deutlich gemacht. Im aktuellen Lizenzierungsverfahren für die kommende Saison 2020/21 wird der Club keine Probleme bekommen, versichern die Verantwortlichen. Theoretisch könnte es passieren, dass der HSV in die Bundesliga zurückkehrt – wenn andere Clubs bei einer möglichen Insolvenz zwangsabsteigen müssten.
Wird die Saison als Turnier zu Ende gespielt?
Doch an so einen Fall will man auch im Volkspark nicht denken. Beim HSV geht man intern davon aus, dass die Saison noch zu Ende gebracht wird. Egal wie. Hauptsache, die TV-Übertragung der Spiele wird gewährleistet, damit die Millionen-Einnahmen aus den Fernsehverträgen gesichert sind. Ein Viertel der TV-Gelder steht aus.
Möglich wäre es sogar, bis in den Juli hinein zu spielen. Derzeit beschäftigt sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit drei Szenarien: die verbleibenden neun Saisonbegegnungen in der Ersten und Zweiten Liga auf vier Wochen oder 16 Tage zu komprimieren – oder sie in einem Turniermodus an verschiedenen Standorten auszutragen.
Dass in dieser Saison noch mal vor Zuschauern gespielt wird, glaubt ohnehin niemand mehr. Im NDR-Fernsehen sagte ein Virologe, dass er in diesem Jahr nicht mehr an die Fortsetzung des Spielbetriebes glaube.
HSV-Profis offenbar zu Gehaltsverzicht bereit
So weit denken die Clubs im deutschen Profifußball noch lange nicht. Um die wirtschaftlichen Probleme zu minimieren, wurde im Volkspark auch schon über mögliche Gehaltskürzungen gesprochen. Nach Abendblatt-Informationen haben Profis und Trainer ihre Bereitschaft erklärt, im Fall der Fälle auf Teile ihres Einkommens zu verzichten. Der Spieleretat beträgt rund 30 Millionen Euro. „Alle diejenigen, die vom Fußballboom der vergangenen Jahre profitiert haben, werden auch jetzt ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten müssen“, hatte HSV-Chef Hoffmann der „Sport-Bild“ gesagt.
Auch der Vorstand müsste sich dann mit dieser Frage beschäftigen und gemeinsam abstimmen. Trotz aller Streitigkeiten fielen seit Saisonbeginn bis auf eine Ausnahme alle Beschlüsse des Gremiums einstimmig aus. Dennoch dürfte es spätestens nach Saisonende eine entscheidende Abstimmung geben. Nicht im Vorstand, sondern über diesen.
Hören Sie auch unseren Podcast zum HSV-Führungsstreit:
Noch will der Aufsichtsrat die Situation innerhalb der operativen Führungsriege eng begleiten und viele Gespräche führen. Ob das reicht, um den großen Knall zu verhindern, scheint nach der Nachtsitzung am Donnerstag zweifelhafter als zuvor.