Hamburg. Ein Experte meint, dass Schaub eigentlich zu gut für den HSV sei. In Köln wird der Transfer derweil zum Politikum.
Als am Donnerstagmorgen ein neues Gesicht auf den Trainingsplatz des HSV im Volkspark zusteuerte, dachte wohl der eine oder andere Zuschauer bereits an den ersten Winterneuzugang. Doch es dauerte nur wenige Sekunden, ehe Co-Trainer Tobias Schweinsteiger diese Hoffnung im Keim erstickte. Der mutmaßliche Neuzugang war C-Promi Filip Pavlovic, der sich für seinen YouTube-Kanal in kompletter HSV-Montur auf den Rasen schummeln wollte.
Doch der Reality-„Star“, der in TV-Shows wie „Workout – Muskeln, Schweiß und Liebe“, „Die Bachelorette“ oder „Bachelor in Paradise“ mitwirkte, wurde von Schweinsteiger schnell erkannt – oder besser gesagt: nicht erkannt – und nett gebeten, den Trainingsplatz wieder zu verlassen.
Schaub und der HSV – so läuft der Deal
Geht es nach den Verantwortlichen des HSV, dann soll auf diesem Platz aber schon bald tatsächlich der erste Winterneuzugang des HSV mittrainieren. Dieser soll aber nicht Filip Pavlovic, sondern Louis Schaub heißen. Bereits seit mehreren Tagen verhandeln Hamburgs und Kölns Verantwortliche über ein Leihgeschäft – und sollen nun grundsätzliche Einigung erzielt haben.
Die Modalitäten: Der österreichische Nationalspieler, den Ex-HSV-Trainer Markus Gisdol beim 1. FC Köln aussortiert hatte, soll zum Nulltarif bis Saisonende ausgeliehen werden. Das Beste: Im Fall einer endgültigen Einigung müsste der HSV zunächst nur einen Teil des Gehalts übernehmen und soll sogar eine Kaufoption in Höhe von zwei bis 2,5 Millionen Euro im Aufstiegsfall eingeräumt bekommen.
Woran der Schaub-Transfer zum HSV hakt
Bleibt die Frage nach dem Haken. Dieser ist derzeit noch im komplizierten Geflecht der Gremien beim FC zu finden. Denn obwohl sich die Verantwortlichen beider Clubs bereits am Mittwoch grundsätzlich einig waren, Schaub am Donnerstag aus Wien einflog, den Medizincheck im UKE absolvierte und auch dessen Berater Walter Künzel seitdem in der Hansestadt ist, zieht sich der Transfer länger als erwartet hin. Grund ist der sogenannte „gemeinsame Ausschuss“, der beim FC Transfers absegnen muss.
Dieses Gremium, das in dieser Form kein anderer Club hat, besteht aus drei Vorständen, einem Beiratsvorsitzenden, zwei Vorsitzenden des Mitgliederrats und dem Aufsichtsratschef. Beim HSV ist man aber vorsichtig optimistisch, dass es im Laufe dieses Freitags gute Nachrichten aus Köln gibt und dass Schaub am Sonntag mit ins Trainingslager nach Portugal reisen kann.
Schaub-Experte wundert sich über Köln
„Der Louis ist ein richtig guter Fußballer“, sagt Peter Linden. Der österreichische Journalist hatte in seinem Blog bereits vor Tagen als Erster über einen möglichen Wechsel Schaubs zum HSV berichtet – und versteht noch immer nicht so recht, warum der FC den Mittelfeldregisseur überhaupt ziehen lässt. „Eigentlich ist der Schaub fast zu gut für den HSV“, sagt Linden, der Helmut Schulte als einen der größten Förderer Schaubs bezeichnet.
„Einem Kompliment sollte man nicht zu energisch widersprechen“, sagt Schulte – und lacht. Tatsächlich war es der Wahl-Wellingsbüttler, der Schaub in seiner Zeit als Sportdirektor beim SK Rapid Wien 2013 dessen ersten Profivertrag gab. „Louis war ein Riesentalent“, sagt Schulte, der seinerzeit aus finanziellen Gründen gezwungen war, auf den Nachwuchs zu setzen. „Wir haben aus der Not eine Jugend gemacht“, witzelt Schulte.
Der frühere St.-Pauli-Manager verlor seinen einstigen Zögling auch nicht aus den Augen, nachdem dieser 2018 zum 1. FC Köln gewechselt war. Gleich in seiner ersten Saison setzte sich der Offensivallrounder durch, war an 16 Treffern direkt beteiligt. „Gerade deswegen war ich umso überraschter, als ich schon im Dezember hörte, dass Köln nicht mehr auf Schaub setzt“, sagt Schulte. Offenbar traut Kölns neuer Trainer Gisdol dem 72 Kilogramm leichten Techniker nicht zu, sein aggressives Pressingspiel durchzuhalten.
Welche folgen Schaub für Aaron Hunt hat
Durch Gisdols konsequente Linie, mit Schaub, Vincent Koziello, Niklas Hauptmann und Matthias Bader gleich vier Profis auszusortieren, hat der frühere Hamburger allerdings den Marktwert des Quartetts zerstört. Laut dem Fachportal „transfermarkt.de“ hat Schaub einen theoretischen Marktwert von vier Millionen Euro. Glaubt man dem gut informierten Linden, „ist der Louis sogar noch viel mehr wert“.
Wer nun aber glaubt, dass es im Falle eines Schaub-Transfers aufseiten des HSV nur Gewinner gäbe, der irrt. Denn intern plant man mit dem 25-Jährigen vor allem auf der Position von Aaron Hunt. Der 33-Jährige musste alleine in der Hinrunde wegen verschiedener Wehwehchen zehn Wochen pausieren, verpasste acht Spiele. Aktuell laboriert der Immer-noch-Kapitän an einem Bänderriss im Sprunggelenk.
„Louis kann aber nicht nur zentral im Mittelfeld spielen“, sagt Schulte. „Auch im halbrechten Mittelfeld ist er sehr gut, wenn er immer wieder nach innen ziehen und mit seinem starken linken Fuß abziehen kann.“
Rapid Wien wollte Schaub zurückholen
Noch immer hat Schulte unregelmäßigen Kontakt mit Schaubs Mutter, die in der Karriere ihres Sohns eine besondere Rolle spielt. „Ich bin ihr ewig dankbar“, hatte Schaub dem „Kurier“ gesagt. Der Hintergrund: 2003 verunglückte Louis’ Vater Fred, der selbst für Eintracht Frankfurt, Hannover 96 und Borussia Dortmund gespielt hatte, auf der Autobahn. Fred Schaub war sofort tot. Der damals achtjährige Louis, der auf der Rückbank gesessen hatte, überlebte mit Kopf-, Schulter- und Beinblessuren.
„Es hat sehr lange gedauert, das zu verkraften“, sagte Schaub später der „Süddeutschen Zeitung“. „Es gibt heute Momente, in denen ich mir denke, dass mir mein Vater sicher gute Tipps geben könnte.“
Das könnte Sie auch interessieren:
- Das ist das neue Gesicht im Torhüterkarussell
- Wie Ewerton selbst seinen Fitnesszustand einschätzt
- Bitter! Pollersbeck fällt länger aus
Papa Fred schaut nun von oben zu, und dürfte – unabhängig von einem möglichen Wechsel – stolz auf seinen Sohn sein. Bis zuletzt hatte sich übrigens neben dem HSV auch Rapid Wien Hoffnungen auf eine Rückkehr des verlorenen Sohns gemacht.
Und Pavlovic? Der hatte doch noch Glück im Unglück. Mittrainieren durfte der 25-Jährige zwar nicht. Aber so konnte er gerade noch rechtzeitig verhindern, dass er ein Ticket für falsches Parken bekam. Immerhin.