Hamburg. HSV beweist beim 1:1 in Kiel in Unterzahl Moral. Der Trainer zeigt mit Torschütze Letschert, dass der Kader viele Lösungen bietet.

Dieter Hecking hätte keinen schöneren Tag wählen können, um seiner Mannschaft frei zu geben. 5,5 Sonnenstunden zählte der Wetterdienst am Sonntag. Trotzdem fuhren vier HSV-Profis lieber ins Volksparkstadion als zum Alsterspaziergang: Die muskulär angeschlagenen Routiniers Aaron Hunt und Martin Harnik sowie Jairo Samperio (Rückenprobleme) ließen sich in der Arena behandeln. Und auch Timo Letschert gönnte sich nach seinem 20-Minuten-Auftritt tags zuvor beim 1:1 des HSV bei Holstein Kiel eine Pflegeeinheit.

Der Niederländer, der nach seiner Verpflichtung im Sommer schwer in die Saison gekommen war, wurde nach seinem Ausgleichstor in der Nachspielzeit gefeiert. Letschert hatte seinem Club vor der Länderspielpause die gute Stimmung gerettet. Entsprechend war es auch um seinen eigenen Gemütszustand bestellt. „Wir sind zufrieden mit dem Punkt“, sagte Premierentorschütze Letschert nach dem Remis, das zwar durch den Sieg von Arminia Bielefeld in Nürnberg den Verlust der Tabellenführung bedeutete, dem HSV aber eine wichtige Erkenntnis brachte: „Man hat gesehen, dass wir eine Mannschaft mit Ausdauer und Mentalität sind“, sagte Letschert.

Heckings Dreistufenplan für den HSV

Eine Woche nachdem der HSV beim 1:1 in Wiesbaden in Überzahl den Sieg in letzter Minute aus der Hand gegeben hatte, sicherte er sich in Kiel in Unterzahl in letzter Minute ein 1:1. „Wir haben uns den Punkt verdient“, sagte Letschert – und niemand wollte ihm widersprechen. Auch nicht Holstein Kiel. „Wir sind enttäuscht, weil wir die drei Punkte auf dem Silbertablett liegen hatten“, sagte Kiels Trainer Ole Werner.

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Dass sich der HSV einen lange Zeit schwarzen Tag noch mit einem Punkt versüßen konnte, hatte hauptsächlich zu tun mit der Einwechslung von Letschert – und einem ganz speziellen Matchplan von HSV-Trainer Dieter Hecking. Dieser sah zunächst vor, die Kieler dominant zu bespielen, was in den ersten Minuten auch gut funktionierte. Doch die frühe Rote Karte gegen Bakery Jatta und ein „mega-unnötiges Gegentor“ (Hecking) zum 1:0 für Kiel durch Janni Serra (43.) durchkreuzten den ursprünglichen Matchplan.

Und so entwickelte das HSV-Trainerteam in der Halbzeit einen neuen Dreistufenplan, der in seiner Ausführung nicht besser hätte funktionieren können. „Wir wollten im Viertelstundentakt etwas verändern“, sagte Hecking nach dem Spiel. Zunächst hatte er sein 4-1-4-1 nach der Halbzeit in Unterzahl in ein 4-3-2 verändert. Er ließ vorne mit zwei Spielern anlaufen und mit drei Sechsern breit verteidigen, um damit im Mittelfeld eine Überzahl zu erzeugen.

Letscherts Einwechslung sicherte HSV den Punkt

Nachdem der HSV in der zweiten Stufe auf eine Dreierabwehrkette umstellte, war es schließlich die Einwechslung von Abwehrspieler Letschert für Vizekapitän Rick van Drongelen, die in der dritten und letzten Stufe den Ausgleich erzwingen sollte. „Wir wollten mit Timo einen ballsicheren Dreierkettenspieler haben, der Ruhe ausstrahlt. Er hat die nötige Sicherheit, wenn man mit drei Mann verteidigt“, erklärte Hecking.

Hinzu sollte Letscherts Stärke bei gegnerischen und eigenen Standards kommen. „Ich habe ihm gesagt, er soll hinten absichern und vorne einen reinmachen“, berichtete Co-Trainer Dirk Bremser über die entscheidende Einwechslung. Gesagt, getan. In der ersten Minute der Nachspielzeit stand Letschert nach einer Eckball-Serie durch Tim Leibold und einem Torwart-Irrlauf von Kiels Ioannis Gelios goldrichtig und schoss aus sieben Metern ein.

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„Ich sollte ein Tor machen. Das hat gut geklappt“, sagte Letschert über sein HSV-Tordebüt. Der Ausgleich bedeutete nicht nur den ersten Punkt im neuen rosa Auswärtstrikot (Adrian Fein: „Ich finde es cool“) und das vierte Auswärts-Unentschieden in Folge. Es bedeutete die Gewissheit, „dass wir auch kämpfen können“, wie es van Drongelen formulierte.

HSV-Vorstand Boldt bemängelt Fehlerhäufigkeit

Auch Hecking hatte das große Ganze im Blick, als er sagte: „Wir sind stabil und haben gezeigt, dass wir Mannschaften auch in Unterzahl beschäftigen können. Das können wir positiv mitnehmen.“

Der 26. Punkt der Saison sei nicht nur das Ergebnis eines kurzfristigen Stufenplans gewesen, sondern ein wichtiger Schritt auf der langfristigen Stufe Richtung Bundesliga. „Wir müssen einfach unser Ding durchziehen. Damit fahren wir im Moment sehr gut“, sagte Hecking.

Nur einer legte am Ende seinen Finger in die Wunde. Sportvorstand Jonas Boldt erkannte „ein paar Dinge, die so nicht passieren dürfen.“ Damit meinte er vor allem die Fehler vor dem 1:0 durch van Drongelen und Gideon Jung. „Das ist alles menschlich, ist uns zuletzt aber ein bisschen zu oft passiert. Das müssen wir schleunigst abstellen.“ Es wäre dann die nächste Stufe der HSV-Entwicklung.

Am Montag ist Clubchef Bernd Hoffmann zu Gast im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“. Ab 16 Uhr zu hören auf abendblatt.de.