Dortmund. Ex-HSV-Coach Hannes Wolf über seine Freistellung, ein Treffen mit Dieter Hecking und eine Verabredung mit Christian Streich.

Der Name ist Programm: Hannes Wolf hat das „Schönes Leben“ im beliebten Kreuzviertel in Dortmund als Treffpunkt vorgeschlagen. Und tatsächlich muss man sich um den früheren HSV-Trainer keine Sorgen machen. Wolf bestellt sich ein Veggie-Frühstück und erzählt, dass er endlich mal die Zeit habe, in den Herbstferien mit seiner Familie nach Kreta zu reisen. Doch bevor es losgeht, wagt der 38-Jährige einen Blick zurück. Die zentrale Frage des Interviews: Was macht eigentlich ein Trainer, der gerade kein Trainer ist?

Hamburger Abendblatt: Herr Wolf, Sie waren gerade in geheimer Mission in Freiburg. Wie war es denn?

Hannes Wolf: So geheim war es gar nicht. Aber so ein Besuch ist ja nichts, was man großartig öffentlich ankündigen muss. Für mich geht es in erster Linie darum, so eine Phase, in der ich gerade nicht als Trainer arbeite, trotzdem mit Leben zu füllen. Es ergab sich einfach die Möglichkeit, sich Freiburg etwas genauer anzuschauen: wie man mit kleinen Mitteln Großes erreicht.

Wie funktioniert so eine Hospitation? Haben Sie Christian Streich angerufen und gefragt, ob Sie mal für ein paar Tage vorbei kommen können?

Wolf: Fast. Tatsächlich lief der Kontakt zunächst über Dominik Wohlfahrt, dem Torwarttrainer der U19. Wir kennen uns seit Jahren. Er hat dann bei Christian Streich vorgefühlt und Christian hat direkt gesagt, dass ich ihn einfach anrufen soll. Das war tatsächlich sehr unkompliziert.

Wie lange waren Sie in Freiburg?

Wolf: Von Mittwoch bis zum Spieltag am Sonnabend. Freiburg hat kurioserweise gegen Borussia Dortmund gespielt – und ich Dortmunder konnte dann dabei zu-schauen, wie sich Freiburg auf den BVB vorbereitet.

Waren Sie in der Kabine?

Wolf: Nein. Das würde zu weit führen. Aber ich habe mir alle Trainingseinheiten angeschaut und immer vorher und nachher mit Christian und seinem Team gesprochen. Das war schon ein Supereinblick. Es geht jetzt nicht darum, 15 Hospitationen zu machen, aber der Sonderfall Freiburg ist total interessant. Es ist schon beeindruckend, wie der SC konstant erfolgreich im Konzert der Großen mitspielt.

Hintergrund der ganzen Nachfragen ist die Hauptfrage: Was macht ein Trainer, wenn er gerade nicht Trainer ist?

(Wolf lacht): Urlaub.

Und im Ernst.

Wolf: Ganz im Ernst macht man natürlich wirklich etwas mehr Urlaub, als wenn man in Amt und Würden ist. Der Trainerjob ist so zeitintensiv, dass man ja nur wenig die Möglichkeit in einer Saison hat, mit der eigenen Familie Urlaub zu machen. Aber natürlich macht man noch andere Dinge als Urlaub. Man bildet sich weiter…

…wie zum Beispiel in Freiburg…

Wolf: Genau. Aber so eine Hospitation ist eher die Ausnahme. Gerade war dann auch noch die Trainertagung, die in Mönchengladbach stattfand.

Man wird also auch eingeladen, wenn man gerade keinen Club hat?

Wolf: Klar. Und das finde ich auch gut so. So eine Tagung, auf der man auch mal in Ruhe mit seinen Kollegen sprechen kann, macht Sinn und Spaß.

Auch Dieter Hecking und die Ex-HSV-Trainer Michael Oenning und Markus Gisdol sollen dabei gewesen sein. So eine Trainertagung wirkt fast wie ein HSV-Klassentreffen.

(Wolf lacht): Als Ex-Hamburger und Ex-Stuttgarter trifft man tatsächlich viele Brüder im Geiste. Und es gab auch einen wirklich netten Austausch mit den Kollegen, zum Beispiel mit Dieter Hecking. Im Alltag ist dafür kaum Zeit. Neben Kaffeetrinken und Plaudern werden aber auch gute Vorträge geboten.

Zum Beispiel?

Wolf: Es gab einen sehr interessanten Vortrag über inneres GPS, Ernährung und Lebensführung. Und einen zweiten Vortrag über Menschenführung.

Sie sind also als Trainer im Wartestand gut ausgefüllt?

Wolf: Natürlich erreiche ich nicht das Pensum in so einer Phase wie als Bundesligatrainer. Aber gerade der Job als Experte bei Sky ist sehr zeitintensiv.

Was gehört denn alles dazu?

Wolf: Wir machen ja keinen leichten Societytalk, sondern reden intensiv über Fußball. Wenn man den Bundesligasonntag nimmt, mit zwei Spielen und vier Mannschaften, dann bedeutet das viel Vorbereitung. In aller erster Linie die Videoanalysen der Teams, aber auch Gespräche mit Kollegen aus den Vereinen. Das Gleiche gilt auch für die Champions League. Vor einem Spiel zwischen Lokomotive Moskau gegen Bayer Leverkusen kann ich zum Beispiel Erik Stoffelshaus anrufen, der bei Lok bis Ende 2018 als Sportdirektor gearbeitet hat. Man bekommt einen detaillierten Einblick. Das hat auch den Vorteil, dass man ganz automatisch inhaltlich in der Materie drin bleibt.

Lothar Matthäus hat gerade gesagt, dass Sky für ihn der beste Arbeitgeber überhaupt sei und er sich nicht vorstellen könne, Sky noch einmal zu verlassen, um irgendwo Trainer zu werden. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Wolf: Anders. Der Job bei Sky macht wirklich Freude, aber natürlich möchte ich wieder als Trainer arbeiten. Es muss halt alles passen: Sportlich und familiär.

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  • Ihre Beurlaubung beim HSV ist fünf Monate her. Wie lange brauchten Sie, um nach Stuttgart die zweite Entlassung innerhalb relativ kurzer Zeit zu verarbeiten?

    Wolf: Nicht lange. Nach der Freistellung in Stuttgart hatte ich das Gefühl durchpusten zu müssen, weil ich seit meinem 23. Lebensjahr durchgehend als Trainer gearbeitet habe. Das fühlt sich nach dem Ende in Hamburg anders an. Natürlich waren die letzten Wochen beim HSV sehr intensiv, aber der Akku war und ist nicht leer.

    Sie mussten die HSV-Beurlaubung also nicht lange verarbeiten. Mussten Sie sie trotzdem aufarbeiten?

    Wolf: Na klar. Das dauert keine Wochen oder Monate, aber es gehört natürlich dazu, dass man versucht, in Gesprächen und für sich selbst herauszufinden, was da eigentlich schief gelaufen ist. Es geht immer auch darum, für die Zukunft zu lernen. Also macht man sich Gedanken, trifft sich mit Leuten, spricht über alles – und zieht dann irgendwann einen Schlussstrich.

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    Welche Erkenntnisse haben Sie vor dem Schlussstrich gewonnen?

    Sie bildeten eine Einheit, doch am Ende folgte doch die Trennung: Clubboss Hoffmann, Ex-Trainer Wolf und Ex-Sportchef Becker.
    Sie bildeten eine Einheit, doch am Ende folgte doch die Trennung: Clubboss Hoffmann, Ex-Trainer Wolf und Ex-Sportchef Becker. © Witters

    Wolf: Es hat auf jeden Fall nicht an der Unterstützung im Verein gefehlt. Der Rückhalt von Michael Mutzel, Ralf Becker und Bernd Hoffmann war bis zum Ende top. Aber es gibt natürlich Entscheidungen, die man mit dem Wissen von heute anders treffen würde.

    Nämlich?

    Wolf: In der Winterpause wäre die Möglichkeit zur Intervention noch einmal da gewesen. Wir hatten eine sehr junge Mannschaft. Und auch wenn wir eine gute Hinserie gespielt haben, waren die Siege oft knapp und teilweise glücklich. Vielleicht hätten wir uns noch stärker bemühen müssen, Qualität von außen in die Gruppe zu bekommen. Ob das in der Winterpause überhaupt möglich gewesen wäre, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt Papier.

    Hatten Sie trotzdem damals vor der Rückrunde ein gutes Gefühl?

    Wolf: Es war klar, dass der Aufstieg kein Selbstläufer wird. Unserer Argumentation, dass uns die Rückkehrer wie Gideon Jung, Kyriakos Papadopoulos oder Pierre-Michel Lasogga noch mal stabilisieren, kann ich noch immer folgen. Als dann aber im Trainingslager Hee-chan Hwang und Aaron Hunt gefehlt haben, wurde auch in den Testspielen deutlich, dass wir ihre Qualität nur schwer ersetzen können. Wir hatten die Hoffnung, dass beide schnell wieder bei uns und fit sind. Die Realität sah leider anders aus.

    Eine Zweckgemeinschaft: Christoph Moritz und Hannes Wolf werden wohl keine Freunde mehr.
    Eine Zweckgemeinschaft: Christoph Moritz und Hannes Wolf werden wohl keine Freunde mehr. © Witters

    Auch Christoph Moritz hat im Online-portal „Rautenperle“ kürzlich gesagt, dass Sie sich gegenseitig im Winter auf den Sack gegangen seien…

    Wolf: Chris hat sich direkt danach bei mir gemeldet, wir haben das geklärt. Das entscheidende Wort ist gegenseitig. Er hat gesagt: „Der Trainer ging mir auf den Sack – und ich ging dem Trainer auf den Sack“. Danach hat das eine oder andere Onlineportal verkürzt daraus gemacht: „Moritz sagt: Wolf ging mir auf den Sack.“ Das ist natürlich schon ein Unterschied. Trotzdem ist es natürlich unglücklich, wenn solche Themen dann öffentlich diskutiert werden. Es gibt immer Spieler, die mit ihren Einsatzzeiten und mit ihrer Situation unzufrieden sind, aber ein Team lebt davon, dass sich diese Spieler trotzdem für die Mannschaft freuen können.

    Im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ fragen wir den Gast immer als letztes, ob der HSV aufsteigt. Wir sind zwar nicht im Podcast, aber trotzdem: Steigt der HSV auf?

    Wolf: Ich wünsche es mir für die Mannschaft, den ganzen Club, für die Stadt und für diese fantastischen Fans…

    Das Leben ist kein Wunschkonzert. Steigt der HSV auf?

    Wolf: Ja, ich denke schon, der HSV steigt auf. Allerdings hat es auch diese Zweite Liga in sich. Ich habe mir zuletzt das Spiel zwischen den nächsten beiden HSV-Gegnern Bielefeld und Stuttgart live im Stadion angeschaut. Der HSV hat da wirklich zwei schwere Aufgaben vor sich.

    Dann der Gegnercheck zum Schluss: Kann Bielefeld das neue Paderborn werden?

    Wolf: Bielefeld ist die beste Zweitligamannschaft im Kalenderjahr 2019. Das Team wirkt sehr stabil. Wenn die Mannschaft sich in einen ähnlichen Rausch spielt, wie es Paderborn in der Vorsaison gemacht hat, dann kann die Arminia auch den HSV und den VfB ärgern.

    Beim VfB Stuttgart gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen: Stuttgart ist das neue Köln und wird auf jeden Fall als Erster aufsteigen. Die anderen sagen: der VfB ist der neue HSV und wird sich bis zum Schluss schwer tun. Was sagen Sie?

    (Wolf lacht): Ich habe leider keine Kristallkugel. Aber der VfB hat viele Verletzte und trotzdem noch immer eine richtig gute Mannschaft. Aber eines ist klar: Auch in diesem Jahr wird es spannend bleiben.