Hamburg. Der HSV-Trainer gibt seinen Profis Zuckerrohr, vergisst aber nicht den Peitschenschwung. Dabei geht es auch um “Befindlichkeiten“.
Ob sich Dieter Hecking bei seinem Lob zu einem besonderen Wortspielchen hinreißen ließ, löste der HSV-Trainer nicht auf. Was aber aus der Analyse des 55-Jährigen klar hervorging: Hecking war verzückt. "Da kann man sehen, welche Feingeister wir in unserer Mannschaft haben", meinte der Coach über das zweite Tor des HSV beim 2:0 (0:0)-Sieg über die SpVgg Greuther Fürth. "Das war das Sahnehäubchen", schwärmte Hecking.
Die seit Wochen in starker Form aufspielende Bayern-München-Leihgabe Adrian Fein hatte einen langen Pass mit viel Gefühl auf Offensivmann Sonny Kittel geschlagen, der brillierte mit gekonnter Ballannahme und schlitzohrigem Heber über den Fürther Schlussmann Sascha Burchert.
Das Volksparkstadion schien zu bersten, und Hecking nickte begeistert. Nach dem kaum zufriedenstellenden 2:2 bei Jahn Regensburg eine Woche zuvor war der Chef an der Seitenlinie diesmal vollauf zufrieden. "Es hat Spaß gemacht, heute zuzusehen“, befand Hecking, bevor er sich auf den Weg zur DFB-Trainertagung in seine ehemalige Wahlheimat Mönchengladbach machte.
HSV gegen Fürth (2:0) – die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes - Vagnoman, Letschert, van Drongelen, Leibold - Fein - Hunt (72. Kittel), Dudziak (86. Kinsombi) - Harnik, Hinterseer, Jatta (80. Samperio). - Trainer: Hecking
- Fürth: Sascha Burchert - Sauer, Caligiuri, Mavraj, Raum - Sarpei - Ernst (75. Leweling), Green (79. Stefaniak) - Hrgota (61. Keita-Ruel), Mohr - Nielsen. - Trainer: Leitl
- Schiedsrichter: Florian Heft (Neuenkirchen)
- Tore: 1:0 Dudziak (49.), 2:0 Kittel (85.)
- Zuschauer: 44.180
- Gelbe Karten: van Drongelen (2) - Green (3), Sarpei (3), Hrgota
- Torschüsse: 21:12
- Ecken: 12:3
- Ballbesitz: 58:42 %
- Zweikämpfe: 139:120
Hecking ohne Rücksicht auf "Befindlichkeiten"
Der HSV verdrängte Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart von der Spitze und lehnt sich entspannt zurück. "Es ist ein tolles Gefühl und sehr wichtig für uns, mit diesen 20 Punkten in die Länderspiel-Pause zu gehen", meinte Stürmer Martin Harnik.
Dass Torschütze Kittel, mittlerweile mit fünf Toren bester HSV-Schütze, erst in der 72. Minute kam, ist auch ein Ausdruck neuer HSV-Selbstverständlichkeit. Für die Startaufstellung habe er sich "mal gegen Sonny entschieden“, weil dieser im Training "ein bisschen müde" wirkte, berichtete Hecking.
Konkurrenz belebt das Geschäft, besonders im eigenen Haus. "Ich kann keine Rücksicht nehmen auf Befindlichkeiten einzelner. Dass das dem einen oder anderen Spieler mal sauer aufstoßen kann, das ist okay“, betonte Hecking. "Ich bin sehr froh über diese Alternativen.“
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DFB-Trainer beobachtet Fein und Vagnoman
Froh war auch U21-Bundestrainer Stefan Kuntz. Der 56-Jährige saß im Stadion und beobachtete zwei seiner Schützlinge. Sowohl der 20-jährige Fein mit seinem Überblick, Ballgefühl und Talent für Spielorganisation als auch der 18 Jahre alte Rechtsverteidiger Josha Vagnoman mit seiner feinen Technik und dem unwiderstehlichen Offensivdrang dürften es Kuntz angetan haben.
Beide sind nominiert für die U21-Länderspiele am Donnerstag gegen Europameister Spanien und am 15. Oktober gegen Bosnien-Herzegowina.
HSV gegen Fürth: Die Bilder zum 2:0-Sieg:
Die Bilder zum HSV-Spiel gegen Greuther Fürth
Hecking mahnt vor schweren Wochen
Der HSV steht vor kraftraubenden Wochen nach der Pause. Erst gegen den Liga-Dritten Arminia Bielefeld, dann im Doppelpack gegen den Zweiten Stuttgart in Meisterschaft und Pokal binnen vier Tagen.
"Wir sind in der Liga super aus den Startlöchern gekommen. Aber jetzt kommen die richtigen Prüfungen auf Herz und Nieren“, sagte Hecking angesichts des anstehenden Programms.
Kittel wehrt HSV-Lob aus Fürth ab
Zuversicht können Hecking und seine Spieler aber auch aus dem Lob eines Kontrahenten schöpfen. "Der HSV hat uns ernst genommen, war gut vorbereitet und sehr diszipliniert“, urteilte Fürths Trainer Stefan Leitl: "Man merkte, dass er das Spiel unbedingt gewinnen wollte. Wenn Hamburg so spielt, wie sie heute gegen uns gespielt haben, wird es nur wenige Mannschaften geben, die ihnen Paroli bieten." HSV-Mittelfeldspieler Kittel wehrte allerdings bescheiden ab: "Das ist nur eine Momentaufnahme."
Stuttgart hadert und muss Didavi ersetzen
Dennoch spricht das im Fußballjargon gerne überstrapazierte Momentum gerade im Vergleich mit Hauptkonkurrent Stuttgart eindeutig für den HSV.
Die Schwaben müssen sich in der Länderspielpause nun mit der herben 1:2-Heimniederlage gegen Schlusslicht Wehen-Wiesbaden auseinandersetzen. Seine Mannschaft habe in der ersten Halbzeit "keine gute Einstellung“ gehabt, bemängelte VfB-Trainer Tim Walter, es sei "einfach zu lasch" gewesen.
Eine Mentalitätsdebatte wie beim schwächelnden Vizemeister Borussia Dortmund würgte Sportdirektor Sven Mislintat aber sofort ab: "Grundsätzlich ist der Mannschaft nicht die Mentalität abzusprechen“, sagte der Ex-Dortmunder, "daran wird es nicht gelegen haben."
Was den Absteiger aber zusätzlich beschäftigen dürfte: Spielmacher Daniel Didavi wird mit einem Muskelbündelriss in der Wade sechs bis acht Wochen und damit auch in den beiden Duellen mit dem HSV fehlen.