Hamburg. Bezirksamt Mitte spricht ein Machtwort in der Identitätsdebatte um den HSV-Profi. Ändern Nürnberg, Bochum und der KSC ihren Kurs?
Als Bakery Jatta am Sonntagnachmittag nach dem 3:0-Sieg des HSV gegen Hannover 96 die letzte Ehrenrunde im Volksparkstadion gedreht, Küsschen verteilt und gefühlt jedem der 54.732 Zuschauer, die ihn feierten, zugewinkt hatte, hätte er es sich wohl kaum erträumen können, dass er sich am nächsten Morgen an fast gleicher Stelle über ein mindestens genauso schönes Hochgefühl freuen dürfte. Der Gambier absolvierte gerade ein Regenerationstraining in den Katakomben des Volksparkstadions, als die mediale Bombe platzte: „Bakery Jatta – Anhörung beendet“, stand in großen Buchstaben über einem Statement von Bezirksamtsleiter Falko Droßmann, in dem dieser in nur drei Sätzen erklärte, warum die Anhörung des Bezirksamtes Hamburg-Mitte geschlossen wurde.
„Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat die bereits vorliegenden und neue Unterlagen, die im Rahmen der Anhörung vorgelegt wurden, geprüft. Aus den dem Bezirksamt vorliegenden Unterlagen gehen keine belastbaren Anhaltspunkte hervor, die ausländerrechtliche Maßnahmen begründen würden“, steht in der Mitteilung. Und last but not least: „Die aufgekommenen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben haben sich im Rahmen der Anhörung nicht bestätigt.“
Punkt. Aus. Nikolaus. Die Akte Jatta, die durch einen „Sport Bild“-Artikel vor knapp vier Wochen geöffnet wurde, scheint nun geschlossen. Der unbewiesene Verdacht, dass der 21 Jahre alte HSV-Star Bakery Jatta in Wahrheit der 23 Jahre alte Bakary Daffeh sei, ist zumindest für die Behörden widerlegt. „Gut, dass jetzt Klarheit herrscht und der Sport wieder im Vordergrund stehen kann!“ twitterte Innensenator Andy Grote, der zudem forderte: „Damit haben andere die Chance, sich im Sinne sportlicher Fairness zu rehabilitieren und ihren Protest zurückzuziehen.“
Protest-Trio registriert Hamburger Entscheidung
Der 1. FC Nürnberg war der erste Club, der nach einem 0:4 gegen den HSV gegen die Spielwertung Protest eingelegt hatte und diesen auch mit allen Mitteln versucht hatte zu belegen. In der schriftlichen Begründung, die der Club am Freitag dem DFB zukommen hat lassen, hatten die Nürnberger neben Seydou Sané, dem Clubpräsidenten des senegalesischen Clubs Casa Sports, sogar einen deutschen Profiler vorgeladen, der bestätigen sollte, dass es sich bei Jatta und Daffeh um ein und dieselbe Person handele. Später hatten sich auch der VfL Bochum und der Karlsruher SC dem Nürnberger Protest angeschlossen.
Im Gegensatz zu Hannover 96, das am Montag öffentlich erklärte, keinen Protest gegen die Spielwertung des 0:3 einzulegen („Identität und Herkunft spielen auf dem Rasen glücklicherweise keine Rolle. So soll es bleiben, und deshalb wird Hannover 96 keinen Protest gegen die Niederlage in Hamburg einlegen“), wollten sich Nürnberg, Bochum und Karlsruhe auf Abendblatt-Nachfrage nicht öffentlich zu einem möglichen Verzicht auf den eingelegten Protest äußern. Hinter vorbehaltender Hand hieß es lediglich, dass man die Entscheidung des Bezirksamtes selbstverständlich in die Überlegungen mit einbeziehe.
DFB reagiert überraschend
Auch der DFB wollte noch keinen endgültigen Schlussstrich ziehen. Auf eine Abendblatt-Nachfrage antwortete der Verband schriftlich. „Bis dato ist für den 9. September zu keiner Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht geladen worden“, teilte das DFB-Presseteam mit. Das überrascht, weil sowohl Nürnberg als auch der HSV bereits über den 9. September informiert worden waren. Auf erneute Nachfrage hieß es vom DFB lediglich: „Wir bestätigen es Ihnen gerne noch einmal: Bislang ist keine Ladung zu einer Sportgerichtsverhandlung am 9. September ergangen.“ Sollten die betreffenden Vereine ihre Einsprüche allerdings aufrechterhalten, müsste sich das DFB-Sportgericht auch ganz offiziell mit dem Sachverhalt befassen. Die Beweispflicht läge in diesem Fall aber bei den Clubs.
Hans E. Lorenz, der Vorsitzende des Sportgerichts, machte die Verwirrung komplett. Er bestätigte der "Bild"-Zeitung den Termin der Beweisaufnahme am 9. September. Die Entscheidung des Bezirksamts habe darauf keinen Einfluss.
„Wir sehen auch diesem Verfahren gelassen entgegen“, sagte Jattas Anwalt Thomas Bliwier. Noch deutlicher äußerte sich Trainer Dieter Hecking, der zu keinem Zeitpunkt Zweifel an Jattas wahrer Identität aufkommen ließ: „Diese Nachricht dürfte allen, die geglaubt haben, mit Bakas Papieren wäre irgendetwas falsch gelaufen, den Wind aus den Segeln nehmen. Damit haben wir auch gegenüber dem DFB und der DFL die richtigen Argumente auf unserer Seite.“
Hecking: Jatta-Tor Szene der Saison
Ende gut, alles gut? Hecking ließ noch einmal die Szene des Spiels gegen Hannover vor seinem inneren Auge ablaufen, als Jatta eine Viertelstunde vor Schluss zum frenetisch umjubelten 3:0 getroffen hatte. „Wenn man irgendwann einen Saisonrückblick erstellt, darf diese Szene nicht fehlen“, sagte der HSV-Trainer. „Das war möglicherweise der Moment der Saison, als das Stadion explodiert ist, die Fans Baka zelebriert haben und auch die Mannschaft sich mit ihm gefreut hat. Das zeigt, wie fest wir hinter dem Spieler stehen.“
Und wenn die nun geschlossene Akte wieder geöffnet wird? „Wir werden Baka nie fallen lassen“, so Hecking. Und aus die Maus.