Hamburg. Vor dem 96-Spiel bleibt der HSV-Profi im Fokus. Neben dem Pass liegen nun die Geburtsurkunde und eine eidesstattliche Versicherung vor.
Den 15. September 2017 darf man gut und gerne als schwarzen Tag im Fußballerleben von Bakery Jatta bezeichnen. In Hannover durfte der junge Gambier erst zum zweiten Mal überhaupt von Beginn an für die HSV-Profis auflaufen. Das Ende vom Lied: 96 gewann 2:0 und Jatta wurde nach einer miserablen Leistung nach 60 Minuten vom Platz genommen. Der „Kicker“ gab den Flügelflitzer die Note 5,5, die „Mopo“ war gnädig und gab eine glatte 5. „Jatta sorgte mit seiner unorthodoxen Ballführung für Verwirrung in Hannovers Defensive. Dabei verwirrt er sich aber meistens selbst“, schrieb das Abendblatt über den fußballerisch wahrscheinlich bittersten Tag in Jattas HSV-Leben.
Dass Fußball wichtig, aber längst nicht alles ist, hat Bakery Jatta in den vergangenen Wochen schmerzvoll erfahren müssen. Zwei Jahre nach seiner Hannover-Premiere muss er an diesem Sonntag (13.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) nun erstmals wieder gegen 96 antreten. Doch auch zwei Tage vor dem Nordderby blieb dem Fußballspieler Jatta am Freitag nur eine Nebenrolle. Die Hauptrolle übernahm erneut der Flüchtling Jatta, dessen Identität seit dreieinhalb Wochen – ohne Beweise, aber durch Indizien und Belastungszeugen – infrage gestellt wird.
Am Freitag gab es erneut Redebedarf
Freitag, 13.15 Uhr, der Spielerparkplatz am Volksparkstadion. Jatta sitzt bei laufendem Motor in seinem Auto, telefoniert. Erneut gibt es Redebedarf. Gerade eben ist die turnusmäßige Spieltagspressekonferenz mit HSV-Trainer Dieter Hecking zu Ende gegangen. Und wie fast immer in den vergangenen Tagen sagte Hecking auch diesmal wieder, dass er eigentlich nichts mehr zu diesem Thema sagen wolle. Und sagte es dann doch: „Es geht weniger um den HSV.
Es geht vielmehr um die Person Bakery Jatta“, so Hecking. „Was ihm da in Karlsruhe widerfahren ist, das war nicht in Ordnung.“ (Beim 4:2 in Karlsruhe wurde Jatta am vergangenen Sonntag 45 Minuten lang ausgepfiffen, die Red.) Hecking machte eine Pause. Dann sagte er noch: „Und ich hoffe, dass bis zum Derby dieses Thema dann auch mal gut ist.“
Richtigkeit der Geburtsurkunde bestätigt
Das hofft vor allem Jatta selbst. Wenige Minuten nach der Pressekonferenz verlässt er den Parkplatz und den Volkspark. Was sich zu diesem Zeitpunkt längst herumgesprochen hat: Anders als beim letzten Hannover-Spiel, als Jatta und der HSV verdient mit 0:2 vom Platz gingen, scheint es seit Freitag in Jattas Spiel des Lebens 3:0 für ihn zu stehen. Denn nachdem der Afrikaner und der HSV zuletzt immer wieder auf seinen gültigen Reisepass (1:0) verwiesen, hatte das Abendblatt bereits am Donnerstag berichtet, dass zudem auch eine Geburtsurkunde (2:0) vorliege.
Am Freitag, kurz vor der Pressekonferenz, wurde darüber hinaus noch bekannt, dass die Richtigkeit dieser Geburtsurkunde offenbar durch einen sogenannten Commissioner of Oath, einem Urkundsbeamten des gambischen Außenministeriums, eidesstattlich versichert wurde (3:0).
Klärung durch das DFB-Sportgericht steht an
Nach Angaben von „Bild“ und „Sport Bild“, die durch einen Bericht am 7. August („Ist HSV-Star Bakery Jatta in Wahrheit Bakary Daffeh?“) die ganze Lawine überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten, sei Jattas Identität sogar zweimal durch gambische Behörden bestätigt worden. Zunächst sei die Echtheit seines Passes mit der Nummer 516229 durch das Honorarkonsulat Gambias im Mai 2016 bestätigt worden. Dann, nachdem Jatta seinen Pass verloren hatte, sei ihm am 10. November 2016 ein neuer Pass mit der Nummer 545689 ausgestellt worden.
Wer nun also dachte, dass damit die Sache ein für alle Mal geklärt sei, der hatte die Rechnung ohne Nürnberg gemacht. Fristgerecht begründete der Club am Freitagnachmittag den Protest, den der FCN genauso wie der VfL Bochum und der Karlsruher SC gegen die Spielwertungen der Partien mit Jatta eingelegt hatte.
„Die Verantwortlichen des 1. FC Nürnberg haben damit auf die durch die öffentliche Berichterstattung bekannt gewordenen Sachverhalte reagiert und werden dadurch ihrer Verpflichtung gerecht, die sportlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Vereins zu wahren“, erklärte der Club. Die Klärung durch das zuständige DFB-Sportgericht stehe den Werten des 1. FC Nürnberg nicht entgegen. „Der Club steht weiterhin für außerordentliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und tritt entschlossen für Integration und interkulturelle Verständigung ein.“
Unverständnis bei mehreren Clubs
Das kann man möglicherweise so sehen. Man kann es aber auch sicher so wie Stuttgarts Trainer Tim Walter sehen, der genau wie Osnabrücks Coach Daniel Thioune deutliche Worte für das Nürnberger Vorgehen fand: „Wenn ich es nötig habe, dass ich aufgrund irgendeines Umstandes die Punkte ergaunern will, dann hat es mit Sport nichts zu tun.“ Zuvor hatten bereits die Ligakonkurrenten vom FC St. Pauli, aus Darmstadt und auch vom Gegner am Sonntag aus Hannover ihr Unverständnis über die Proteste von Nürnberg, Bochum und Karlsruhe zum Ausdruck gebracht.
Nun gilt es Recht zu sprechen. Der DFB terminierte die Sportgerichtsverhandlung für den 9. September um 11 Uhr. Der HSV erhielt noch am Freitag Akteneinsicht und erfuhr, dass tatsächlich der Senegalese Seydou Sané als „Nürnbergs Kronzeuge“ („Sport Bild“) aussagen wird. Der weitere Inhalt bereitet dem HSV aber keine Sorgen. Auch Jatta weiß nun, auf was er sich an seinem möglicherweise schwierigsten Tag seines HSV-Lebens gefasst machen muss.
Am Sonntag hat Jatta aber noch einen weiteren wichtigen Termin. 13.30 Uhr. Im Volksparkstadion. Mit Hannover 96 hat der Flügelstürmer schließlich noch eine Rechnung offen. Auf dem Fußballplatz. Nur auf dem Fußballplatz.