Hamburg. Nach den unsäglichen Pfiffen in Karlsruhe legt der KSC Einspruch gegen HSV-Sieg ein. Berater Aktas prangert Rassismus an.

Die Einsicht kam trotz mahnender Worte im Vorfeld spät. Zu spät. Während die Verantwortlichen des KSC am Vormittag zusammensaßen, um über einen möglichen Einspruch gegen die Spielwertung des 2:4 gegen den HSV zu beraten, riefen die eigenen Fans dazu auf, „die Causa Jatta für beendet zu erklären“. Weiter hieß es in dem offenen Brief der KSC-Supporters: „Wir fordern den Karlsruher SC dazu auf, die auf dem Platz eingefahrene sportliche Niederlage anzuerkennen und keinen Protest gegen die Spielwertung einzulegen.“

Gut gemeint heißt nur selten auch gut gemacht. Denn einen Tag nachdem sich ein Großteil des Karlsruher Publikums beim 2:4 gegen den HSV danebenbenommen und den seit Wochen in den Schlagzeilen stehenden Bakery Jatta ausgepfiffen hatte, machten es auch Karlsruhes Verantwortliche nicht viel besser.

Trotz der Bitte der KSC-Supporters verkündeten sie um 13.57 Uhr auf der Club-Homepage: „Der KSC hat heute fristgerecht Einspruch gegen die Spielwertung (...) eingelegt. Der Einspruch erfolgt im Hinblick auf die nach wie vor ungeklärte Situation um die Spielberechtigung des HSV-Spielers Bakery Jatta.“

Wehmeyer hat Hochachtung für Jatta

Fast gleichzeitig konnte Bernd Wehmeyer nur mit dem Kopf schütteln. Der Clubmanager des HSV war mittags zu Gast in der Abendblatt-Redaktion, um im Podcast „HSV – wir müssen reden“ über den gelungenen Saisonstart und die guten alten Zeiten zu fachsimpeln. Doch nach den Geschehnissen des Vortags musste auch Wehmeyer zunächst einmal über die Causa Jatta reden.

Bernd Wehmeyer am Montag im Podcast-Studio des Abendblatts.
Bernd Wehmeyer am Montag im Podcast-Studio des Abendblatts. © HA | Marcelo Hernandez

„Wie er das alles wegsteckt, da muss man Hochachtung vor Bakery Jatta haben“, sagte der 67-Jährige, der die Pfiffe am Sonntag als „sehr heftig“ empfand. „Das hat mittlerweile eine Ebene erreicht, da muss jetzt ganz schnell ein Machtwort vom DFB und von der DFL gesprochen und eine Entscheidung herbeigerufen werden“, stellte Wehmeyer am Mikrofon klar.

Und weiter: „Wenn jetzt der nächste Schritt ist, dass Bakery in jedem Auswärtsspiel so ausgepfiffen wird, dann ist der Zeitpunkt eines Schlussstrichs gekommen.“

Jatta-Anwalt gibt schriftliche Einlassung ab

Doch wo bleibt dieser Schlussstrich?

Geht es nach Jattas Rechtsanwalt Thomas Bliwier, dann könnte dieser schon sehr bald gezogen werden. Nach Abendblatt-Informationen will Bliwier heute eine schriftliche Einlassung beim zuständigen „Welcome Center“ im Bezirk Mitte abgeben. Die dortigen Juristen hatten eine Stellungnahme zu den von der „Sport Bild“ verbreiteten Vorwürfen erbeten. „Die Bewertung wird so schnell wie möglich erfolgen. Es ist uns bewusst, dass es auch für Herrn Jatta im Moment keine schöne Situation ist“, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts Mitte dem Abendblatt.

In der Verwaltung werden die bislang bekannten Indizien keineswegs als erdrückend angesehen. Die Sprecherin des Bezirksamts betonte, dass „nur bei einem hinreichenden Verdachtsmoment oder Beweisen“ in einem weiteren Verfahren der Widerruf des Aufenthaltstitels geprüft werden könnte.

Causa Jatta: Befangener Sportrechtler steht alleine da

Die meisten vom Abendblatt befragten Juristen glauben nicht, dass es dazu kommen wird. Ein Anwalt sieht die Sachlage allerdings ein wenig anders – und macht auch keinen Hehl daraus. Der Sportrechtler Christof Wieschemann wurde in den vergangenen Tagen nicht müde zu betonen, dass er die Einsprüche von Nürnberg, dem KSC und Bochum durchaus für aussichtsreich einstufe. Er sagte das dem Magazin „11 Freunde“, den „Ruhrnachrichten“ und am Wochenende auch noch mal der „FAS“.

Was Wieschemann allerdings nicht sagte: Der Bochumer saß bis 2012 beim VfL im Ehrenrat und führte in dieser Zeit sogar durch die Mitgliederversammlung des VfL Bochum. Im Juristendeutsch würde man wohl von befangen sprechen.

Legt auch Hannover Einspruch ein?

Es bleibt also kompliziert. So wollte sich auch bei Hannover 96, dem Gegner des HSV am kommenden Sonntag, keiner festlegen, ob man Einspruch einlegt (wie Nürnberg, Bochum und der KSC) oder eben nicht (wie Darmstadt, Chemnitz und St. Pauli). „Wir vertrauen den zuständigen Institutionen, also der Ausländerbehörde und der DFL, und gehen davon aus, dass das Thema bis zum Spieltag geklärt ist“, sagte 96-Geschäftsführer Björn Bremer dem Abendblatt.

Bremers wohlformulierter Wunsch dürfte ebendies bleiben: Wunschdenken. Tatsächlich ist frühestens in der Länderspielpause mit einer Entscheidung zu rechnen – wodurch Jatta weiterhin in der Schusslinie bleibt: „Es wird eine Stimmung gegen Baka geschürt“, schimpfte Trainer Dieter Hecking am Tag nach dem Spießrutenlauf in Karlsruhe. „Das gehört sich in einer zivilisierten Gesellschaft wie der von Deutschland nicht.“ Jatta stecke das alles zwar gut weg, aber: „Wie es in dem Jungen aussieht, das weiß keiner so genau.“

Jatta-Berater wirft KSC-Fans Rassismus vor

Es ist genau das, was Efe Aktas Sorgen bereitet. „Heute trifft es Bakery Jatta – morgen trifft es einen anderen Spieler“, sagte der Jatta-Berater im Gespräch mit dem Abendblatt. Aktas will die Geschehnisse von Karlsruhe nicht so einfach hinnehmen und zur Tagesordnung übergehen. „Es macht mich sprachlos, dass im Jahr 2019 Rassismus immer noch salonfähig ist. Nichts anderes waren die Pfiffe in Karlsruhe. Gegen diese Tendenz muss sich die Fußballfamilie stemmen und ein klaren Signal senden.“

Jatta-Berater Efe Aktas beim HSV-Training im Volkspark.
Jatta-Berater Efe Aktas beim HSV-Training im Volkspark. © Witters

Doch auf dieses klare Signal warten die HSV-Chefs bislang vergeblich. Was Trainer Hecking besonders ärgert: „Der DFB hat diese Tür leider einen Spalt weit aufgemacht, weil er die Frist der Einspruchsbegründung im Fall des 1. FC Nürnberg verlängert hat.“

Millionenschaden für den HSV?

Über die moralische Bewertung des Ganzen wurde bereits viel gestritten. Doch wie sagte einst Bertolt Brecht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Und so muss auch auf die wirtschaftlichen Folgen der Jatta-Lawine hingewiesen werden. Denn was bislang niemand wusste: Dem HSV (und Jatta selbst) könnte ein Millionenschaden entstanden sein, der sich aber kaum nachweisen lässt.

So hat das Abendblatt erfahren, dass neben zwei Bundesligaclubs auch Red Bull New York Interesse an einer Verpflichtung Jattas hatte. Ralf Rangnick, seit dem 1. Juli Chef der Red Bull GmbH, hatte sich eine Woche vor dem viel zitierten „Sport Bild“-Bericht nach den Modalitäten Jattas erkundigt. Auch eine mögliche Ablöse in Millionenhöhe soll den früheren Leipzig-Coach, der maßgeblich für den Neuaufbau von RB New York verantwortlich ist, nicht abgeschreckt haben.

Rangnicks Interesse überrascht nicht wirklich. So machte Jatta ausgerechnet gegen Leipzig vor vier Monaten das Spiel seines Lebens. Auf Abendblatt-Nachfrage wollte sich Rangnick nicht äußern. Doch die (unbewiesenen) Gerüchte über Jatta, sein Alter und seinen Namen hätten wohl nicht unpassender veröffentlicht werden können. Am 7. August erschien die „Sport Bild“ mit dem Titel: „Spielt HSV-Star Jatta mit falscher Identität?“ Einen Tag später, am 8. August, schloss das Transferfenster in den USA – natürlich ohne einen Jatta-Transfer.

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