Karlsruhe. Karlsruhes Verantwortliche reagieren unterschiedlich auf Unmutsäußerungen. Protest-Debatte: HSV bestreitet Nürnberger Version.

Kurz nachdem die wohl schwierigsten 90 Minuten im Fußballerleben Bakery Jattas vorbei waren, wollte der Gambier nicht mehr sprechen und vor allem nichts mehr hören. Der Hamburger eilte Minuten nach dem 4:2-Sieg des HSV beim Karlsruher SC mit freiem Oberkörper durch die Katakomben des Wildparkstadions und wollte nur noch weg. Weg von den Fragen zu seiner Identität, die seit Wochen angezweifelt wird. Weg aus dem öffentlichen Fokus. Und vor allem weg aus dem Stadion, in dem er in der ersten Halbzeit 45 Minuten lang bei jeder Ballberührung lautstark ausgepfiffen wurde.

Reden wollte dagegen das #TeamJatta, wie Mannschaftskollegen und Verantwortliche, die trotz allem Wirbel dem Gambier auch weiterhin den Rücken stärken, seit Beginn der Debatte in den sozialen Netzen genannt werden.

„Wenn die Leute meinen, sie müssten Baka beleidigen oder die ganze Zeit auspfeifen, dann kann ich denen nur sagen: Die sollen nach Hause gehen. Mit denen will ich mich gar nicht mehr beschäftigen“, sagte Stürmer Lukas Hinterseer, der den Hamburger Sieg mit einem Strafstoß zum 1:0 geebnet hatte. „Die können so viel pfeifen, wie sie wollen“, sagte Aushilfskapitän Rick van Drongelen. „Baka hat die richtige Antwort auf dem Platz gegeben.“

Kreuzer entschuldigt sich für KSC-Pfiffe gegen Jatta

Um die richtige Antwort auf die unsäglichen Pfiffe wurde nach der Partie auch Karlsruhes Trainer Alois Schwartz im überfüllten und stickigen Presseraum gebeten. „Was soll ich dazu sagen?“, stellte Schwartz die Gegenfrage. „Mit Sicherheit war das nicht sportlich“, antwortete der Coach dann kurz und knapp – und musste sich weitere Nachfragen gefallen lassen.

Ob das Verhalten der Karlsruher Zuschauer überhaupt noch als sozial bezeichnet werden könnte, fragte ein weiterer Journalist. Schwartz‘ kurze Antwort: „Diese Frage kann man momentan in jedem Stadion stellen. Ich glaube, dass man diese Diskussion nach dem Spiel nicht aufmachen muss.“

HSV-Sportchef Jonas Boldt tauschte sich mit seinem Karlsruher Amtskollegen Oliver Kreuzer am Rande der Partie über den Fall Jatta aus.
HSV-Sportchef Jonas Boldt tauschte sich mit seinem Karlsruher Amtskollegen Oliver Kreuzer am Rande der Partie über den Fall Jatta aus. © imago / eu-images

Die Diskussion, von der Karlsruhes Trainer nichts wissen wollte, war nach der Partie aber nicht mehr zu verhindern. Im Gegensatz zu seinem Trainer fand Ex-HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der mittlerweile wieder Manager in Karlsruhe ist, die richtigen Worte und nutzte die Chance, sich für die Pfiffe zu entschuldigen.

„Das war nicht gut von unseren Fans“, sagte Kreuzer, und forderte: „Es wäre wünschenswert, wenn in den kommenden Tagen eine klare Haltung seitens der DFL kommt.“ So lange diese aber ausbleibt, wollte sich auch Kreuzer offen lassen, ob sich der KSC den Protesten von Nürnberg und Bochum anschließt. Heute dürfte eine Entscheidung fallen.

St. Pauli verzichtet auf Protest wegen Jatta

Zuletzt hatte Nürnbergs Sportvorstand Robert Palikuca in der „Bild“ erklärt, warum der „Club“ gegen den Hamburger 4:0-Sieg (mit Jatta) Einspruch eingelegt hatte: „Wenn wir am Ende der Saison wegen eines Punktes nicht aufsteigen sollten, könnte nur ein einziges Vereinsmitglied gegen uns Klage einreichen – mit der Begründung, dass wir als Vorstand es unterlassen haben, Einspruch einzulegen. Dann würden wir als Vorstand für dieses mögliche Vergehen privat haften.“

Eine Erklärung, die gleich von mehreren Juristen angezweifelt wird. Vorstände und Aufsichtsräte, so wurde es dem Abendblatt auch von mehreren HSV-Verantwortlichen bestätigt, seien durch spezielle Versicherungen für einen derartigen Fall abgesichert. Und so ist es vielleicht auch zu erklären, warum nach dem FC Chemnitz und Darmstadt 98 auch St. Paulis Verantwortliche einen eventuellen Einspruch bereits jetzt klar ausgeschlossen haben. Darüber hatte als erstes Medium die „Mopo“ berichtet.

Hecking steht Jatta emotional bei

„Ein großes Kompliment an den FC St. Pauli, wie sich der ganze Club durch Ewald Lienen und auch Oke Göttlich positioniert hat“, lobte dann auch Sportvorstand Jonas Boldt nach dem Schlusspfiff. „St. Pauli ist unser Stadtrivale. Aber in Hamburg erkennt man, worum es wirklich geht.“ Boldts Wunsch: „Ich würde mich generell freuen, wenn man sich in ganz Deutschland in diesem Fall etwas deutlicher positionieren würde.“

Zwei Trainer mit unterschiedlichen politischen Zeichen an die Gesellschaft: Dieter Hecking und der Karlsruher Alois Schwartz.
Zwei Trainer mit unterschiedlichen politischen Zeichen an die Gesellschaft: Dieter Hecking und der Karlsruher Alois Schwartz. © imago/Jan Huebner

Ein Wunsch, dem sich nach einem langen Arbeitstag auch Trainer Dieter Hecking anschließen wollte. „Wir müssen wohl damit leben, dass Fußballfans auf diese Situation reagieren. Das wird jetzt wohl in jedem Stadion so sein. Die, die wenig Verstand haben, werden das ausnutzen wollen.“

Man merkte Hecking an, dass er eigentlich nicht schon wieder etwas zu all dem sagen wollte, es dann aber doch tat: „Es muss jetzt mal Schicht sein. Die DFL und der DFB sind jetzt gefordert. Wobei, die sind gar nicht gefordert. Baka hat alle Dokumente vorgelegt, und die sind rechtsgültig. Baka hat einen gültigen Reisepass. Wenn wir dem deutschen Staat und den deutschen Behörden nicht mehr trauen können, dann können wir alle nach Hause gehen.“ Ein letzter Blick in die Runde. „Und damit ist das Thema für mich beendet – schönen Nachmittag noch.“