Hamburg/Karlsruhe. Karlsruher Supporters wehren sich gegen Rassismus-Vorwürfe, Anti-Rechts-Fanclub sammelt Eindrücke. Hecking “rügt“ Jatta.

Nach dem 4:2-Sieg des HSV beim KSC liefert das Verhalten des heimischen Anhangs gegenüber Bakery Jatta weiter Zündstoff. Der Gambier war während des Zweitligaspiels am Sonntag im Wildparkstadion vor allem in der ersten Halbzeit deutlich hörbar ausgepfiffen worden.

Während sich KSC-Sportchef Oliver Kreuzer nach dem Spiel für die konzertierte und mutmaßlich rassistisch motivierte Aktion einiger Stadiongänger entschuldigte, machte sich unter Karlsruhes Fans schnell eine weitere Lesart breit.

Demnach sei Jatta nicht aufgrund der schwelenden Debatte um eine mögliche andere Identität gezielt angegangen worden, sondern wegen einer vermeintlichen Schwalbe in der Anfangsphase des Spiels.

Hecking: "Gefundenes Fressen für Hardcore-Fans"

Eine Ansicht, die selbst HSV-Trainer Dieter Hecking in Betracht zog und der sich auch der Karlsruher Fanclub "Blau-Weiß statt Braun e.V." (BWSB) anschloss. "Unserer Wahrnehmung nach wurde Jatta wegen einer schauspielerischen Einlage/unsportlichem Verhalten bei Beginn der ersten Halbzeit ausgepfiffen", hieß es auf deren Facebook-Seite.

Hecking wiederum bekannte am Montag, mit einem Tag Abstand zum Spiel: "Baka hatte dann leider auch eine Szene drin, die hätte er nicht machen brauchen, als er in den Strafraum geht. Das war natürlich für die Hardcore-Fans ein willkommenes Fressen, noch mehr auf ihn zu gehen." Etliche Augen- und Ohrenzeugen hatten die Pfiffe gegen Jatta bereits vom Anstoß weg und damit vor der fraglichen Schwalbe vernommen.

Hatte einiges auszuhalten: HSV-Profi Bakery Jatta beim Spiel in Karlsruhe.
Hatte einiges auszuhalten: HSV-Profi Bakery Jatta beim Spiel in Karlsruhe. © Imago/Jan Hübner

"Rechte Sprüche" gegen Jatta aus dem Block?

Ungeachtet des Auslösers für die Unmutsbekundungen verwies BWSB auf Berichte über "rechte Sprüche" aus dem Karlsruher Block. "So etwas geht gar nicht", schrieb der eingetragene Verein, der sich den Kampf gegen rassistische Tendenzen innerhalb der Fanszene auf die Fahnen geschrieben hat.

Der Fanclub sammele nun weitere Beobachtungen der Stadionbesucher. Davon gab es bereits einige auf Facebook zu lesen. Neben den Rufen "Steh auf, du Sau!" berichtete ein User von einem vereinzelten Affengeräusch, ein anderer rezitierte angebliche "Geh zurück!"-Rufe.

Zu hören war während des Spiels mehrmals auch eine Polizeisirene, die mutmaßlich bei Ballkontakten von Bakery Jatta abgespielt wurde. Die entsprechenden Megaphon-Geräusche würden regelmäßig eingesetzt, um "den Block aufzuwecken", erklärte der Vorsitzende der KSC-Supporters, Marco Fuchs, dem Abendblatt.

Rassismus: Für KSC-Supporters "Unterstellung"

Der Dachverband, der die Interessen von rund 3300 organisierten KSC-Fans vertritt, verwehrt sich indes gegen eine Verurteilung des eigenen Anhangs. "Wer pauschal, anhand des Spiels gegen den HSV, der Karlsruher Fankurve Rassismus unterstellt, hat sich nicht im Ansatz die Mühe gemacht, sich mit der Fan-Kultur in Karlsruhe auseinanderzusetzen", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme mit BWSB.

Der Fanclub hatte sich zuvor auf seiner Facebookseite ähnlich geäußert. "Gefährlich ist es, zu pauschalieren und ebenso unangebracht ist es, in diesem Fall von Pfiffen von Rassismus zu reden", schrieb der Fanclub. Nach BWSB-Recherchen seien vereinzelte Rufe gegen Jatta im Heimblock umgehend unterbunden worden. "So kennen wir es auch in Karlsruhe", schrieb der e.V..

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KSC-Fans wurden wegen Jatta ermahnt

In der offiziellen Stellungnahme hieß es dann: "Die Karlsruher Fanszene setzt sich sehr stark für Menschlichkeit und Miteinander und gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus ein!" Bereits im Vorfeld seien die Karlsruher Zuschauer über das eigene Stadionmagazin zu einem besonnenen Umgang mit der Causa Jatta ermahnt worden.

Neuer HSV-Podcast: Wehmeyer über KSC-Pfiffe gegen Jatta:

"Die drei Punkte sollten im Spiel gegen den HSV durch eine sportliche (Glanz-)Leistung auf dem Platz und keinesfalls durch eine Protestnote am grünen Tisch eingefahren werden", hieß es in der Supporters-"Blockschrift" unter anderem. Eine Sichtweise, die der Dachverband auch nach dem verlorenen Spiel aufrecht erhält. "Ob Jatta gespielt hätte oder nicht, das Spiel wäre genauso ausgegangen", sagte Fuchs dem Abendblatt.

Supporters forderten Protest-Verzicht

"Wir fordern den Karlsruher SC dazu auf, die auf dem Platz eingefahrene sportliche Niederlage anzuerkennen und keinen Protest gegen die Spielwertung einzulegen", hieß es in der Mitteilung von Montag, bevor sich der KSC dann schließlich doch zum Einspruch entschloss. "Wir würden es vielmehr begrüßen, wenn unser Verein als Beispiel vorangeht und dadurch vielleicht einen Beitrag dazu leistet, die Sache im Interesse und im Sinn des Fußballs zu beenden."

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther (r.) und Sportchef Oliver Kreuzer (M., neben Trainer Alois Schwartz) haben sich nach der Niederlage gegen den HSV zu einem Protest entschlossen.
KSC-Präsident Ingo Wellenreuther (r.) und Sportchef Oliver Kreuzer (M., neben Trainer Alois Schwartz) haben sich nach der Niederlage gegen den HSV zu einem Protest entschlossen. © Imago/Sportfoto Rudel

Zur Erinnerung: Nach den Protesten des 1. FC Nürnberg (0:4) sowie des VfL Bochum (0:1) gegen die Wertung der jeweiligen Niederlagen gegen den HSV hatte auch der KSC in Betracht gezogen, Einspruch zu erheben – und das Vorhaben später in die Tat umgesetzt. Die vorigen Hamburger Gegner Darmstadt (1:1), Chemnitz (5:6 n.E./Pokal) hatten auf Rechtsmittel verzichtet, Stadtrivale St. Pauli schloss einen möglichen Protest vorab bereits aus.

Hecking: "Weiß nicht, wie der HSV reagieren würde"

Dass Dieter Hecking das Vorgehen der Protest-Vereine missfällt, unterstrich er am Montag noch einmal. "Ich finde es schade, auf einen Formfehler und so auf drei Punkte zu hoffen", sagte der erfahrene Trainer, der sich in dieser Deutlichkeit erstmals aber auch in die Gegenseite versetzte: "Ich weiß aber nicht, wie der HSV in so einer Situation reagieren würde. Das müsste man sicherlich auch mal diskutieren. Ob wir uns ähnlich gut verhalten würden, wie es jetzt Darmstadt, Chemnitz oder St. Pauli gemacht haben."

Schließlich gehe es für die Vereine "um sehr, sehr viel". Dennoch hätten sich die Clubs ihre Einsprüche "sparen" können. Andererseits habe der DFB "die Tür allerdings auch ein Stück weit geöffnet, indem er die Einspruchsfrist für den 1. FC Nürnberg verlängert hat", sagte Hecking: "Dadurch wird es unnötig in die Länge gezogen."

KSC-Fans appellieren an den DFB

Die Begleitumstände seien nicht schön, sagte Hecking mit Blick auf Jattas jüngsten Spießrutenlauf. Das habe sich unter anderem bei den Rufen nach einem Bodycheck gegen seinen Spieler geäußert. "Im Moment wird eine Stimmung geschürt gegen Jatta. Es war von Beginn an eine etwas vergiftete Atmosphäre."

Das Statement der KSC-Supporters

Nach Ansicht der KSC-Supporters sei daran auch die eigene Vereinsführung mit ihrer Protest-Erwägung im Vorfeld "nicht ganz unschuldig" gewesen. Auch die organisierten Karlsruher Fans nehmen daher den DFB in die Pflicht. "Wir fordern den Fußballverband auf, die Causa Jatta für beendet zu erklären!", schrieben Supporters und BWSB. "Der Verband hat gegenüber seinen Vereinen und Spielern eine gewisse Fürsorgepflicht, der es nun nachzukommen gilt."

Entschuldigung bei Bakery Jatta

Man müsse "doch klar anerkennen, dass es sich bei Bakery Jatta um einen Fußballspieler handelt, der – egal wie alt er nun wirklich ist, oder woher er auch immer kommen mag – seinen Job erledigt und dies so, dass er auch für den Karlsruher SC eine Bereicherung als Spieler wäre".

Ihre Stellungnahme schlossen die Fans mit einer Entschuldigung: "Sollte Bakery Jatta sich durch die Pfiffe im Wildparkstadion persönlich angegriffen, ausgegrenzt oder diskriminiert fühlen, so möchten wir uns im Namen aller fairen Fußballfans aus Karlsruhe entschuldigen."

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