Hamburg. Der niederländische Verteidiger kommt für ein Jahr – oder auch länger. Vor allem aber hat er eine Vorgeschichte.

Im Hollandrad fuhr Timo Letschert am Mittwoch in den Innenraum des Volksparkstadions. „Moin“, ruft der Blondschopf lächelnd in die Kamera. Am Ende sagt er das hamburgtypische „Tschüs“. Wer das kurze Video anguckte, das der HSV nach der Vertragsunterzeichnung am Nachmittag veröffentlichte, konnte den Eindruck gewinnen, dass der Club einen außerordentlich netten und freundlichen Verteidiger verpflichtet hat. Dass die Hamburger den Niederländer aber aus eher gegenteiligen Gründen für ein Jahr unter Vertrag genommen haben, machte Chefcoach Dieter Hecking nach der ersten Einheit deutlich: „Timo ist sicher kein Jasager. Wenn er es nicht übertreibt, ist das erst einmal gewollt“, sagte Hecking.

„Er hat die Mentalität eines Gewinners“

Letschert, 26 Jahre alt, 1,88 Meter groß, ist zwar in der modernen Nachwuchsakademie von Ajax Amsterdam ausgebildet worden, gilt aber als Abwehrspieler alter Schule. „Er ist ein richtig harter Verteidiger“, sagt René van den Berg. Der Journalist vom Radiosender RTV Utrecht hat alle 97 Spiele kommentiert, die Letschert zwischen 2014 und 2019 für den FC Utrecht bestritten hat. Aus dieser Zeit resultiert auch der Ruf, den sich Letschert erworben hat.

„Er hat die Mentalität eines Gewinners, aber manchmal zu viel davon“, sagt van den Berg und erinnert sich vor allem an einen Vorfall in diesem Jahr, als sich Letschert in der Halbzeit des Spiels gegen ADO Den Haag (0:5) mit seinem Trainer Dick Advocaat anlegte und ausgewechselt wurde. Auch beim FC Groningen sorgte er für Ärger, weswegen er den Club 2014 vorzeitig verließ. „Er hasst es zu verlieren. Das hat ihm schon häufig Probleme bereitet“, sagt van den Berg.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ungewöhnliche Vertragskonstellation bei Letschert

Letschert bringt mit seinen Eigenschaften allerdings genau das Profil mit, das der HSV gesucht hat. „Das ist alles noch zu brav“, hatte Hecking nach dem Trainingslager über sein Team geurteilt. Ähnliches hörte man häufig auch über den HSV in der vergangenen Saison. Mit Letschert erhält der Club nun einen kantigen Typen, der neuen Wind in die Kabine bringt. „Timo will immer gewinnen. Vielleicht eckt er deswegen auch mal an. Aber genau das sind die Attribute, die wir brauchen, vor allem im defensiven Bereich“, sagt Sportvorstand Jonas Boldt, der den von Sportdirektor Michael Mutzel seit Wochen vorbereiteten Transfer zum Abschluss brachte.

Die beiden einigten sich mit US Sassuolo auf eine ungewöhnliche Vertragskonstellation. Bei dem italienischen Erstligisten stand Letschert seit 2016 unter Vertrag, ehe er in der vergangenen Saison für ein Jahr auf Leihbasis nach Utrecht zurückkehrte. Sein Kontrakt in Sassuolo lief noch bis 2020. Letschert wollte aber unbedingt weg. Und so kamen die Verantwortlichen dem HSV entgegen. Die Hamburger zahlen nach Abendblatt-Informationen zunächst nur eine fünfstellige Summe. Sollte der HSV am Ende der Saison aufsteigen und Letschert auf eine festgelegte Anzahl an Spielen kommen, wird aus der fünfstelligen eine sechsstellige Summe.

HSV sichert sich Option auf Verlängerung

Zudem sicherte sich der HSV die Option, Letscherts Vertrag nach der Saison zu verlängern. Sassuolo drängte zunächst auf ein Leihgeschäft mit einer verbindlichen Kaufoption von zwei Millionen Euro, sollte der HSV aufsteigen. Darauf wollten sich die Hamburger nicht einlassen. Hintergrund ist Letscherts Vorgeschichte. Einen zweiten Emir Spahic, dessen unberechenbare Wutanfälle vor drei Jahren oft für Ärger sorgten, will beim HSV niemand wieder erleben.

Die Verantwortlichen schätzen Letschert zwar als kon­trollierter ein als den Bosnier, informiert haben sie sich aber auch. „Ich habe auch das eine oder andere aus Utrecht gehört“, sagte Trainer Hecking. „Aber wenn er uns mit seiner Mentalität frischen Input geben kann, wäre das gut.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Erstes Training mit der Mannschaft am Donnerstag

Allerdings wird Letschert Zeit brauchen, um für die Startelf infrage zu kommen. „Er ist vom Stand der Vorbereitung zwei Wochen hintendran, deswegen müssen wir abwarten, wie schnell wir ihn auf das Niveau bringen, das wir brauchen“, sagte Hecking. Am Mittwoch arbeitete Letschert vor den Augen seines Vaters im Volkspark nur individuell, am Donnerstag soll er erstmals mit der Mannschaft trainieren.

Hecking freut sich in jedem Fall, eine verlässliche Alternative für Kyriakos Papadopoulos zu haben, auf dessen aktuell guten Gesundheitszustand sich niemand verlassen will. „Mit Timo bekommen wir in erster Linie einen Verteidiger, der es versteht, in der Box zu verteidigen. Da hat er herausragende Quoten“, sagt Hecking.

Und was sagt Letschert selbst? „Ich habe auch mit Rick van Drongelen über den Club und seine Fans gesprochen. Er ist total begeistert und hat nur gute Sachen erzählt“, meinte der Neuzugang, der künftig mit van Drongelen ein niederländisches Abwehrzentrum bilden könnte. Die Hoffnung des HSV beruht auch darauf, dass Holländer beim HSV fast immer funktioniert haben. Oder wie es van Drongelen mal formulierte: „HSV und Holländer – das passt zusammen.“