Hamburg. Die 2:3-Niederlage gegen Darmstadt im März sorgte für einen heftigen Umbruch. Nun kommt es beim Saisonauftakt zum Wiedersehen.
Christoph Moritz und Julian Pollersbeck gingen am Dienstagmittag in den Champions-Tiebreak. Am Ende des Duells behielt der Mittelfeldspieler des HSV gegen den Torhüter aber die besseren Nerven. Die Rede ist vom Padel-Tennis auf dem Dach der Alexander-Otto-Akademie im Volkspark. Anschließend fuhren die beiden an ihrem freien Tag zum Tennis an den Rothenbaum. Seit Moritz von seinem halbjährigen Gastspiel bei Darmstadt 98 zurück beim HSV ist, haben Teamaktivitäten und Kabinenspiele wieder zugenommen.
Dass Moritz überhaupt wieder eine wichtige Rolle in Hamburg einnimmt, hat auch zu tun mit dem, was in der HSV-Kabine am 16. März zwischen 13.45 und 14 Uhr passierte. Es war ausgerechnet das Spiel gegen Moritz’ Ex-Club Darmstadt 98, das nicht nur die Saison, sondern den ganzen Club nachhaltig verändern sollte. Moritz, der in der Rückrunde vom HSV an Darmstadt verliehen war, fehlte an diesem Tag wegen einer Schulterverletzung.
Moritz: „Es war ein merkwürdiges Spiel“
Am Fernseher verfolgte er ein Spiel, an dem die Hamburger noch lange zu knabbern hatten. „Es war ein merkwürdiges Spiel“, erinnert sich Moritz rund viereinhalb Monate später im Gespräch mit dem Abendblatt. Rückblick: Es war das Wochenende nach dem furiosen 4:0-Derbysieg beim FC St. Pauli. 55.000 euphorisierte Fans im Volksparkstadion sahen einen befreit aufspielenden HSV, der die bis dahin auswärtsschwächste Mannschaft der Liga förmlich an die Wand spielte und nach 16 Minuten mit 2:0 führte. „Man musste Angst um Darmstadt haben“, sagt Moritz heute.
Zur Halbzeit sah der HSV wie ein sicherer Aufsteiger aus, ein Sieg hätte sechs Punkte Vorsprung auf Platz drei bedeutet. Doch der HSV erlitt in der Pause einen akuten Arroganzanfall. Von einem Spieler sollen die Worte gefallen sein: „Mann, sind die schlecht.“ Nach dem Spiel waren die Hamburger dann aber schlagartig verstummt. Ein Tor wie aus dem Nichts durch Marvin Mehlem, bei dem Gotoku Sakai den Torschützen völlig vergessen hatte, reichte aus, um das fragile Gebilde des HSV zusammenbrechen zu lassen.
Fehler von Pollersbeck beim 2:2
Ein Fehler, den die Fans Sakai nachhaltig übel nahmen und der auch dafür sorgte, dass der Japaner wohl noch in dieser Transferperiode zu Vissel Kobe in seine Heimat nach Japan wechseln könnte. Und auch der Fehler von Pollersbeck beim 2:2 ließ die Verantwortlichen das Vertrauen in den Torhüter verlieren. Am Sonntag zum Saisonstart gegen Darmstadt steht nun ausgerechnet Daniel Heuer Fernandes im HSV-Tor. Der Schlussmann, der im März noch beim Gegner zwischen den Pfosten stand, dürfte mit ziemlicher Sicherheit der Nachfolger von Pollersbeck als Nummer eins beim HSV sein.
Im März jubelte Heuer Fernandes, als Mehlem in der Nachspielzeit noch das 3:2 für Darmstadt schoss und der HSV in eine nicht für möglich gehaltene Negativspirale geriet. „Am Ende aber war es ein nicht unverdienter Sieg. Es hatte einen großen Bruch im Spiel des HSV gegeben, der vielleicht auch der Bruch in der Saison war“, sagt Moritz. „Für mich war es ein ganz komisches Gefühl. Einerseits wollte ich, dass Darmstadt gewinnt. Mit einem Auge habe ich andererseits aber auch nach Hamburg geschielt und die Daumen gedrückt.“ Hätte der HSV das Spiel gewonnen und wäre am Ende aufgestiegen, hätte es wohl auch kein Wiedersehen mit Moritz beim HSV gegeben.
Beckers Favorit war Markus Anfang
Darmstadt wollte den 29-Jährigen gerne fest verpflichten. Doch weil Hannes Wolf den Aufstieg verspielte, wurde Dieter Hecking neuer HSV-Trainer und Jonas Boldt neuer Sportvorstand. „Die Verantwortlichen haben mir klargemacht, dass sie mit mir planen“, sagt Moritz, der am Sonntag nun wieder auf Darmstadts Trainer Dimitrios Grammozis treffen wird, der nach der Saison sogar selbst als neuer HSV-Trainer im Gespräch war. Der damalige Sportvorstand Ralf Becker hatte den 41-Jährigen als einen der Kandidaten für die neue Saison auf dem Zettel.
HSV verliert gegen Darmstadt:
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Beckers Favorit war jedoch Markus Anfang. Clubchef Bernd Hoffmann dagegen favorisierte Dieter Hecking. Weil Becker die Trainerentscheidung für sich beanspruchte, kam es zum Dissens. Als Becker sich schließlich mit Hecking einigte, hatte sich der Aufsichtsrat schon auf Beckers Aus verständigt. Und so spielt am Sonntag ein runderneuerter HSV erneut gegen Darmstadt.
Grammozis hat dort weiter das Sagen und ein eingespieltes Team geformt. „Er hatte jetzt erstmals in der Vorbereitung Zeit, der Mannschaft ohne großen Druck seine Ideen zu vermitteln und ihr noch mehr seinen Stempel aufzudrücken“, sagt Moritz über den früheren HSV-Profi, der Ende Februar in Darmstadt seine erste Mannschaft im Herrenfußball übernommen hatte.
„Dimitrios Grammozis ist ein Trainer, der sehr nah an der Mannschaft ist. Er ist selbst noch sehr spielfreudig und zeigt auch im Training gerne mal, dass er noch einen guten Diagonalball spielen kann“, sagt Moritz und lacht. Alles auf Anfang heißt es nun für Moritz und den HSV. Und diesmal ist in der Kabine auch jedem bewusst, was Moritz sicher weiß: „Es wird ein richtig schweres Spiel.“