Hamburg. Im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ spricht Abschlach-Sänger Michael Wendt über Änderungen in der Stadionshow.

Es war ein trüber Tag im November 1988, als Michael Wendt sein erstes HSV-Heimspiel im Volksparkstadion erlebte. 5:1 gewannen die Hamburger die Bundesliga-Partie gegen Waldhof Mannheim durch Tore von Sascha Jusufi, Uwe Bein, Manfred Kaltz, Fred Klaus und Ditmar Jakobs. Noch heute hat Wendt die Schüler-Stehplatzkarte aus der Westkurve zu Hause aufbewahrt.

Was dem 43-Jährigen von diesem Tag aber noch nachhaltiger in Erinnerung geblieben ist als die HSV-Tore, war die musikalische Einlage am Spielfeldrand. Mit einer sogenannten Hammondorgel saß Franz Lambert auf der Laufbahn des Stadions und sorgte für harmonische Klänge vor dem Spiel. „Damals gab es noch kein Lotto oder Pape“, sagt Wendt.

Abschlach über neue Songs und den HSV

HSV-Podcast im Abendblatt-Studio mit Abschlach-Sänger Michael Wendt und Kai Schiller sowie Henrik Jacobs (M.)
HSV-Podcast im Abendblatt-Studio mit Abschlach-Sänger Michael Wendt und Kai Schiller sowie Henrik Jacobs (M.) © Marcelo Hernandez

Der Leadsänger der HSV-Band Abschlach sitzt im kleinen Podcast-Studio des Hamburger Abendblatts und spricht über Stadionhymnen und Fußballmusik. Wendt ist der erste Gast des neuen Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“, der ab sofort jeden Montag um 16 Uhr erscheint. Einen passenderen Zeitpunkt hätte es für Wendt kaum geben können. Am kommenden Sonntag wird der HSV vor seinem Saisonstart gegen Darmstadt 98 erstmals seit 14 Jahren in der Stadionshow auf Lotto King Karl und Carsten Pape mit ihrem Lied „Hamburg, meine Perle“ verzichten.

Hier geht's zum HSV-Podcast mit Abschlach:

Zwei Tage zuvor erscheint am Freitag das neue Album von Abschlach mit dem simplen Namen „HSV“ und elf ausgewählten HSV-Liedern aus der jüngeren Vereinsgeschichte in Coverversionen. Mit dabei auch: „Hamburg, meine Fußballperle“, die Abschlach-Version von Lottos HSV-Hymne, dessen Aus unter den Fans für eine große Debatte gesorgt hat. Verbunden mit der Frage: Wie viel Tradition ist beim HSV noch erwünscht?

Franz Lambert mit der Hammondorgel beim HSV

Wendt holt kurz Luft und äußert dann ganz offen seine Meinung, so wie es in dem neuen Podcast erwünscht ist. „Ich finde es etwas vermessen von großer Tradition zu sprechen“, sagt Wendt über die Lotto-Debatte und erinnert noch einmal an Franz Lambert und seine Hammondorgel. Und doch hat die Entscheidung des HSV, einen Neustart einzuleiten und neben dem Abbau der berühmten Stadionuhr auch „Hamburg, meine Perle“ aus dem Stadionprogramm zu streichen, bei vielen Fans für Unmut gesorgt.

Auch Wendt hat das Lied jahrelang auf der Nordtribüne mitgesungen. Trotzdem sagt der Sänger nun: „Das Lied hatte seine Daseinsberechtigung und war Kult, aber alles ist irgendwann einmal vorbei. Vielleicht ist jetzt einfach mal die Zeit für etwas Neues.“

Am vergangenen Sonnabend bekamen die Fans bei der Saisoneröffnung gegen Anderlecht einen ersten Vorgeschmack darauf, wie sich der Stadionbesuch künftig ohne Lottos HSV-Hymne anfühlen wird. Viele hätten nun gedacht, dass das Abschlach-Lied „Mein Hamburg lieb ich sehr“ die neue offizielle Stadionhymne wird. Doch der Club will vorerst auf einen wiederkehrenden Liveauftritt vor dem Spiel verzichten und den Fokus verstärkt auf den Fußball lenken.

Für Wendt eine richtige Entscheidung, mit der auch seine Band gut leben kann. „Wir waren uns schnell drüber einig, dass wir nicht der Ersatz für Lotto sein wollen“, sagt Wendt. Allerdings wird sein Lied künftig deutlich dichter zum Anpfiff hin im Stadion gespielt.

Medienpartner NDR muss mitreden

Wie das Programm im Detail aussehen wird und wer künftig die Nachfolge von Lotto King Karl als Stadionsprecher antreten wird, entscheidet sich in dieser Woche, wenn sich der HSV mit dem bisherigen Medienpartner NDR über einen neuen Vertrag geeinigt hat – oder eben auch nicht. Mit der neuen zeitlichen Platzierung von „Mein Hamburg lieb ich sehr“ ist die Band Abschlach in jedem Fall zufrieden. „Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht“, sagt Wendt mit einem Lächeln im Gesicht.

Weniger Verständnis äußert der Hamburger für seine Musikkollegen Carsten Pape und den HSV-Rapper Elvis, die in ihrem neuen Lied „Traditionen“ über die zunehmende Kommerzialisierung und den Werteverfall beim HSV singen, ohne den Namen HSV dabei zu nennen. „Es ist für mich zu spät, fehlende Tradition dafür als Aufhänger zu nehmen. Das hätte man nach der Ausgliederung 2014 machen können“, sagt Wendt, der seit den 90er-Jahren eine Dauerkarte beim HSV hat. In dieser Zeit lernte er als Allesfahrer auch seine heutigen Bandkollegen kennen.

„Mein Hamburg lieb ich sehr“ war eines der ersten Lieder, das sie über den HSV schrieben. Bundesweit bekannt wurde dieser Song aber erst, als die HSV-Fans in der Stunde des erstmaligen Abstiegs aus der Bundesliga im Mai 2018 gemeinschaftlich die Abschlach-Strophen anstimmten.

Eine ähnliche Aktion erwartet Wendt am Sonntag. Er vermutet, dass die HSV-Fans auf der Nordtribüne vor dem Spiel gegen Darmstadt geschlossen „Hamburg, meine Perle“ singen werden. In ihrem neuen Album „HSV“ wird es das Lied von Lotto in jedem Fall in der Abschlach-Version geben. „Das ist auch eine Verneigung“, sagt Wendt mit versöhnlichen Worten zum Abschluss der Hymnen-Diskussion. In diesem Sinne: Auf Wiederhören.