Hamburg. Der neue Sportvorstand muss gleich in seiner ersten Woche wichtige Entscheidungen treffen. Doch wie tickt der 37-Jährige?

Jonas Boldt wollte nichts sagen am Sonntag. Er habe schließlich fürs Erste alles gesagt, lässt der neue Sportvorstand des HSV ausrichten. Seit zwei Tagen ist Boldt offiziell Mitarbeiter im Volkspark, am Montag bezieht er sein Büro. Und dementsprechend will er jetzt nur eines: arbeiten. Gespräche führen. Sich bloß nicht verzetteln. Entscheidungen treffen. Denn davon stehen einige an in den kommenden Tagen und Wochen. Es ist ein Start, der anspruchsvoller kaum sein könnte für den 37-Jährigen. Wer sich aber etwas näher mit dem neuen Hamburger Manager beschäftigt, der erfährt schnell, dass Boldt in seinem Beruf zwei Dinge besonders gerne mag: Herausforderungen und Entscheidungen.

Entscheidung Nummer eins: der neue Trainer. Noch in dieser Woche soll der Nachfolger von Hannes Wolf präsentiert werden. Und alles deutet darauf hin, dass Dieter Hecking im Volkspark einen Vertrag unterschreiben wird. „Wir gehen davon aus, dass wir zeitnah einen Trainer präsentieren können“, sagte am Sonntag nicht Boldt, sondern Vorstandschef Bernd Hoffmann im NDR. „Es ist wichtig, dass Jonas Boldt dahinter steht und diese Entscheidung voll trägt.“ Erstmals äußerte sich Hoffmann damit offiziell über seinen neuen Vorstandskollegen, der am Freitag die Nachfolge von Ralf Becker angetreten hatte.

Hoffmann: Boldt ist die richtige Besetzung

Dass Hoffmann den ehemaligen Sportdirektor von Bayer Leverkusen gerne schon früher zum HSV geholt hätte, ist ein offenes Geheimnis. Hoffmann kennt und beobachtet Boldt schon seit vielen Jahren. „Jonas Boldt hat bei Bayer Leverkusen sehr erfolgreich gearbeitet und exzellente Management-Qualitäten nachgewiesen“, sagte Hoffmann. „Natürlich ist Hamburg ein völlig anderes Umfeld als Leverkusen, das hat er in den ersten Tagen schon gemerkt. Aber seine Kenntnisse und seine unfassbare Leidenschaft für den Job machen ihn zur richtigen Besetzung zum jetzigen Zeitpunkt.“

Hoffmann, der in Leverkusen geboren wurde, lernte Jonas Boldt einst über dessen Vater Jens-Uwe kennen, der bei Lufthansa in Düsseldorf arbeitete und nicht nur Kontakte zur damaligen Vereinsführung von Bayer Leverkusen um Reiner Calmund und Wolfgang Holzhäuser pflegte, sondern auch zum Sportvermarkter Sportfive (heute Lagardère) um Bernd Hoffmann. Vater Boldt war es, der seinen Sohn schon früh mit ins Stadion nahm. Es war der Beginn einer Verbindung, die erst in diesem Sommer endete.

Völler: Boldt wird beim HSV etwas bewegen

Boldt begann 2003 als Praktikant in der Jugendabteilung, wechselte dann ins Scouting und ging 2006 für ein halbes Jahr nach Argentinien, um spanisch zu lernen und schließlich für Bayer den südamerikanischen Markt zu erfassen. 2009 wurde Boldt Chefscout und Assistent von Sportdirektor Rudi Völler. Nachdem er in dieser Position über viele Jahre gute Transfers tätigte, folgte 2018 die Beförderung durch Völler auf die Direktorenposition.

Ein Jahr später wagt Boldt nun den Sprung auf die Vorstandsebene. „Das wird eine tolle Geschichte, es ist eine gute Wahl für beide Seiten. Ich habe Jonas zu Hamburg geraten, weil er nach all den Enttäuschungen genau der richtige Mann ist, um etwas beim HSV zu bewegen“, sagte Völler der „Bild“.

Ob Boldt in der ersten Reihe eines unruhigen Traditionsclubs bestehen kann, muss er nun beweisen. Wegbegleiter, die den zwei Meter großen Manager über Jahre in Leverkusen beobachtet haben, trauen ihm die Aufgabe zu. Boldt wird als kritischer, ehrgeiziger und entscheidungsfreudiger Mensch beschrieben, der kein Risiko scheut. Mitunter sei er auch schon mal durch Ungeduld aufgefallen. Gleichzeitig sei Boldt rational geprägt, Emotionen zeige er selten.

Was wird aus den Co-Trainern beim HSV?

Beim HSV wird Boldt seine Entscheidungen vor allem mit dem emotionalen Hoffmann abstimmen. Ergänzt wird das Duo in sportlichen Fragen durch den Sportdirektor Michael Mutzel, der eigentlich als Vertrauensmann von Becker installiert wurde. Aber auch unter Boldt soll Mutzel ein wichtiger Teil der Kaderplanung bleiben. „Ich kenne Michael Mutzel aus der Vergangenheit und kann mir das sehr gut vorstellen. Ich will die positiven Ressourcen hier bündeln.“ Dazu zählt auch Chefscout Johannes Spors, der mit Boldt bislang keine Berührungspunkte hatte.

Die drei müssen nun in Absprache mit dem neuen Trainer möglichst schnell die Kaderplanung vorantreiben. Viele Fragen sind dabei noch offen. Plant Boldt, anders als Vorgänger Becker, mit Torhüter Julian Pollersbeck? Hat Gotoku Sakai noch eine Zukunft beim HSV? Braucht es noch einen weiteren Stürmer im Kader? Oder setzt der künftige Trainer neben Lukas Hinterseer, dessen Wechsel der HSV am Sonnabend offiziell verkündete, womöglich doch auf Rückkehrer Bobby Wood?

Zudem muss Boldt in Absprache mit dem neuen Coach entscheiden, was aus den bisherigen Co-Trainern Maik Goebbels und André Kilian wird. Sollte Hecking zum HSV kommen, würde dieser mit Sicherheit seinen langjährigen Assistenten Dirk Bremser mit nach Hamburg bringen.

Labbadia sagt ab, Hoffmann schließt Schmidt aus

Klar ist seit dem Wochenende, dass Bruno Labbadia nicht ein drittes Mal zum HSV kommt („zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema“). Auch Roger Schmidt, den Boldt aus Leverkusen kennt, schloss HSV-Chef Hoffmann am Sonntag aus („keine Option“). So könnte es nun mit Hecking schnell gehen und Boldt in dieser Woche erstmals als Sportvorstand einen Trainer präsentieren.

Der Manager hat im Übrigen auch mal selbst Fußball gespielt. Als er mit 18 Jahren in Heidelberg lebte, kickte er beim FC Bammental in der Ober- und Verbandsliga. Sein Trainer damals: Hansi Flick, Co-Trainer der deutschen Weltmeister von 2014. Als Kaderplaner bei Bayer Leverkusen war er später nebenbei noch als Stürmer und Torwart beim Bezirksligisten TV Kalkum Wittlaer aktiv. In seinem letzten Jahr schaffte er den Aufstieg. Diesen will er jetzt auch in seinem ersten Jahr beim HSV.