Hamburg. Neue Serie: Die Finanzen des Clubs bleiben die größte Herausforderung. Wie lange kann der HSV sich die Zweite Liga leisten?

Am 27. Juni ist Urlaubszeit. Dann beginnen die Hamburger Sommerferien für rund 200.000 Schüler der Hansestadt. Und auch für Bernd Hoffmann, Vater von vier Kindern und ganz nebenbei Vorstandsvorsitzender der HSV Fußball AG. Für eine Woche will Hoffmann dann in den Urlaub fahren. Und wenn sein Plan für die kommenden fünf Wochen aufgeht, wird der HSV dann rechtzeitig zum Start des neuen Geschäftsjahres am 1. Juli nicht nur die wichtigsten sportlichen, sondern auch die wichtigsten wirtschaftlichen Weichen für die Zukunft des Clubs gestellt haben.

Nach dem verpassten Wiederaufstieg geht es darum, sich sportlich und wirtschaftlich neu aufzustellen. „Wirtschaftlich ist der verpasste Aufstieg ein Schaden. Wir müssen daraus eine sportliche Chance machen“, sagte Hoffmann am Mittwoch im Gespräch mit dem Abendblatt über die finanzielle Zukunft.

Etat von 28 Millionen Euro

Bis Ende nächster Woche will der Club zunächst den neuen Trainer vorstellen. Dann gilt es, bis zum Start der Sommervorbereitung am 17. Juni den Großteil des neuen Kaders beisammenzuhaben. Schon jetzt ist klar, dass sich der HSV erneut einen der teuersten Kader der Liga leisten wird. Der Vorstand plant nach Abendblatt-Informationen mit einem Etat zwischen 25 und 28 Millionen Euro. Also in derselben Kostengröße wie in der abgelaufenen Saison.

Sollte der VfB Stuttgart die Relegation gegen Union Berlin gewinnen, dürfte der HSV sogar mit dem teuersten Kader der Liga in die kommende Spielzeit starten.

Entsprechend haben Sportvorstand Ralf Becker und Clubchef Hoffmann das Saisonziel schon klar formuliert. Der Aufstieg soll es sein. Diesmal aber wirklich. Für Hoffmann ist dieses Vorhaben gleichzeitig die größte Herausforderung, wenn es um die wirtschaftliche Zukunft geht. „Die größte finanzielle Herausforderung wird es sein, die ordentlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen, die wir auch in der kommenden Saison haben, endlich in sportlichen Erfolg umzumünzen. Damit wir in der Ligatabelle endlich den Platz einnehmen, den wir auch im Gehaltsvolumen haben“, sagt Hoffmann.

HSV rechnet 2018/19 mit Rekordminus

Es sind Worte, die vor allem Hoffnung ausdrücken. Dass der Hamburger Weg, mit viel Geld viel erreichen zu wollen, den HSV nicht nur in die Zweite Liga, sondern auch in ein wirtschaftliches Dilemma geführt hat, erfährt der Club in diesem Geschäftsjahr noch einmal mit voller Wucht. So wird der Jahresfehlbetrag aller Voraussicht nach bei einem Minus von rund 20 Millionen Euro liegen. Schuld daran sind vor allem die Abschreibungen von überteuerten Spielertransfers, die sinnbildlich stehen für den sportlichen Abstieg.

Dazu zählen insbesondere Alen Halilovic, André Hahn, Walace und Filip Kostic, die beim HSV langfristige Verträge hatten, die der Club nach dem Abstieg vor einem Jahr aber an andere Clubs transferierte und deren Abschreibungen für die Restlaufzeit entsprechend nun im laufenden Geschäftsjahr bilanziert werden. So wird der HSV das neunte Minus in Folge erwirtschaften – mit hoher Wahrscheinlichkeit ein neues Rekordminus.

Ob es im kommenden Geschäftsjahr das zehnte Minus geben wird? Möglich. Noch hat der Vorstand seine Budgetplanung für die neue Zweitligasaison nicht abgeschlossen. Sicher ist nur, dass sich die Clubführung eine verlässliche Vorgabe gesetzt hat. „Es gibt die klare Vereinbarung, dass wir in der Saison insgesamt nicht mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen“, sagt Hoffmann. Was nicht gleichbedeutend heißt, dass der HSV auf dem Transfermarkt nicht mehr Geld ausgeben wird, als er einnimmt. Die Kostenstruktur im gesamten Clubapparat soll sich die Waage halten.

Wie sich der HSV entschulden will

Das Vorgehen des Vorstands ist offensichtlich: Mit einem starken Kader soll der Wiederaufstieg in der kommenden Saison unbedingt gelingen. Hoffmann, Becker und Finanzvorstand Frank Wettstein wissen, dass ein erneutes Scheitern vermutlich auch persönliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Wenngleich Hoffmann versichert, dass sich der Club auch weitere Jahre in der Zweiten Liga leisten könnte. „Wir könnten dauerhaft ein gesunder Zweitligist werden. Aber wir wollen zwar dauerhaft wirtschaftlich gesund, aber nicht für ewige Zeiten ein Zweitligist bleiben.“

Die sportliche Gesundung, so die Annahme des Vorstands, könnte mit einer glücklichen Kaderzusammenstellung kurzfristig gelingen. Die finanzielle Gesundung der HSV Fußball AG ist dagegen ein Langzeitprojekt. Mit der vollständig gezeichneten Fananleihe von 17,5 Millionen Euro zur Rückzahlung der alten Fananleihe hat der HSV zwar die Lizenz für die kommende Spielzeit gesichert, die finanziellen Probleme aber wieder nur weit in die Zukunft verschoben.

Im Jahr 2026 ist nicht nur die Rückzahlung der neuen Fananleihe fällig, sondern auch das 2016 am Kapitalmarkt platzierte Schuldscheindarlehen in Höhe von 40 Millionen Euro. Nach Angaben von Finanzchef Wettstein wurde dieses bereits auf 32 Millionen Euro getilgt.

Hoffmann: Verhältnis mit Kühne normalisiert

Auch die Schulden durch die neue Fananleihe sollen noch während der Laufzeit Stück für Stück getilgt werden, sodass 2026 nicht erneut das gesamte Volumen zur Rückzahlung anfällt. Wettstein, der noch vor einem Jahr als Alleinvorstand die AG leitete, hat sich in den vergangenen Monaten zurückgezogen. Fragen zur finanziellen Zukunft des Clubs beantwortete der 45-Jährige schriftlich (das Interview lesen Sie HIER).

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    Eine wichtige Rolle spielte er zuletzt in der Kommunikation mit Investor Klaus-Michael Kühne bei der Umsetzung der jüngsten Vereinbarung, die Vereinspräsident Marcell Jansen als „wichtigsten Vertrag der vergangenen zehn Jahre“ bezeichnet hatte.

    Konkret hatte sich der HSV mit dem Investor im Rahmen der Verlängerung der Namensrechte am Volksparkstadion darauf geeinigt, dass mit einer Einmalzahlung von rund sechs Millionen Euro sämtliche Darlehen und bilanziellen Eventualverbindlichkeiten abgegolten sind. Für den Club war diese Vereinbarung eine Befreiung. „Wir haben das Verhältnis mit Herrn Kühne normalisiert“, sagt Hoffmann über den Deal. „Er ist weiterhin ein wichtiger Gesellschafter, deswegen ist uns seine Stimme sehr wichtig. Es gibt aber keine Vereinbarungen mehr mit Herrn Kühne, die uns in unseren sportlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen beeinflussen.“

    HSV verzichtet bei Transfers erneut auf Kühnes Hilfe

    Wichtig ist die neue Vereinbarung vor allem im Zusammenhang mit dem geplanten Transfer von Douglas Santos. Kühne hatte den Kauf des Brasilianers für 7,5 Millionen Euro vor drei Jahren mittels eines Darlehens finanziert, ebenso wie Halilovic und Kostic. Die Summe des Verkaufs von Santos – der HSV erhofft sich zwischen zehn und 15 Millionen Euro Ablöse – kann der Club nun völlig unabhängig von Kühne einplanen. Auch die anstehenden Transfers wird der Club ohne Kühnes Hilfe finanzieren.

    Ob mit oder ohne Kühne: Die wirtschaftlichen Herausforderungen werden in Zukunft nicht kleiner. Ein Aufstieg hätte Mehrerlöse von 30 Millionen Euro gebracht, 20 Millionen Euro davon durch die Medienrechte. Im TV-Ranking droht der HSV den Anschluss an die Bundesligisten zu verlieren. Aktuell hat der Club Verbindlichkeiten in Höhe von 85,5 Millionen Euro. Zudem benötigt das Volksparkstadion Renovierungsarbeiten, unter anderem muss die Dachmembran erneuert werden.

    Verlängert Emirates trotz Nichtaufstieg?

    Vorstandschef Bernd Hoffmann denkt daher kurz- und langfristig, wenn er seine Visionen zur wirtschaftlichen Zukunft des HSV erläutert. „Kurzfristig geht es darum, mit den wirtschaftlichen Mitteln eine wettbewerbsfähige Mannschaft aufzubauen, die eine gute Chance hat, aufzusteigen“, sagt er. Und langfristig? „Darüber hinaus muss es unser Ziel sein, uns innerhalb der nächsten fünf Jahre wirtschaftlich so aufzustellen, dass wir im Wettbewerb um Spieler mit dem Mittelstand der ersten Liga mithalten können.“

    Und schließlich wäre da ja auch noch der auslaufende Vertrag mit Hauptsponsor Emirates. Muss sich der HSV nach 13 Jahren einen neuen Hauptsponsor suchen? Hoffmann versichert, dass noch alles offen sei. Bis Ende Juni soll Klarheit herrschen. Damit der Vorstandschef in Ruhe Urlaub machen kann.

    Lesen Sie am Freitag hier im dritten Teil alles über die mögliche HSV-Struktur der Zukunft.

    Teil 1: Wie der HSV die sportliche Zukunft plant

    Die Saisonanalyse – was beim HSV jetzt passieren muss

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