Hamburg. Die Aufgaben im Volkspark in der Sommerpause sind gewaltig. Vor allem bei den jungen Spielern muss sich Sportvorstand Becker strecken.
Mit geröteten Augen ging Fiete Arp am Sonntagnachmittag um 17.42 Uhr in die Kabine und herzte auf dem Weg alle Mitarbeiter, die ihm in die Arme fielen. Um seinen Hals hatte er einen HSV-Schal gelegt, der auf dem Rasen des Volksparkstadions lag. „So einen schönen Schal kann man ja nicht einfach liegen lassen“, sagte Arp, als er noch kurz bei den Medienvertretern anhielt.
„Das ist ein schönes Andenken an das letzte Spiel hier.“ Es war ein emotionaler Moment für den 19 Jahre alten Stürmer, der nach dieser Saison zum FC Bayern München wechseln wird. Beim abschließenden 3:0 (1:0)-Sieg gegen den MSV Duisburg hatte sich Arp mit seinem ersten Tor seit eineinhalb Jahren von den Fans und vom HSV verabschiedet. „Da sind alle Dämme gebrochen“, sagte Arp über den Moment in der 64. Minute, als er jubelnd vor die Nordtribüne lief und schließlich in Tränen ausbrach.
Auch Hannes Wolf vom Abschied "angefasst"
Es war das melancholische Ende eines gelungenen Tages – und einer Saison zum Heulen. Und nichts konnte diese enttäuschende Spielzeit besser symbolisieren als der weinende Arp, der als einer der Hoffnungsträger der Mannschaft in die Saison gegangen war und nach dem verpassten Aufstieg als einer von vielen Spielern den Club verlassen wird.
Auch Hannes Wolf saß rund 40 Minuten nach seinem letzten Auftritt als HSV-Trainer sichtlich angefasst auf dem Podium des Presseraums und blickte noch einmal zurück auf den Abschluss eines am Ende missglückten HSV-Jahres. „Es war ein versöhnlicher Abschied vor fantastischen Fans“, sagte Wolf nach dem ersten Dreier seit dem 4:0 im Derby bei St. Pauli Anfang März durch die Tore von Léo Lacroix (15.), Manuel Wintzheimer (49.) und Arp (64.).
Lasogga und Co.: Sie alle verlassen den HSV
„Natürlich kann der Sieg die Ergebnisse der vergangenen Wochen nicht wieder wettmachen“, sagte Wolf. Nur einen Punkt lag der HSV nach 34 Spielen hinter dem Sensationsaufsteiger SC Paderborn. Man sollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken, wie viele Chancen die Hamburger im Laufe der Rückrunde – und ganz besonders im heimischen Volkspark – liegen gelassen hatten.
„Am schwersten ist es zu akzeptieren, das Ziel nicht erreicht zu haben. Das nagt an mir“, sagte Wolf, der nach einem letzten Treffen mit der Mannschaft am Montagmorgen nach Hause Richtung Dortmund fahren wird. Wolf ist weg, Arp ist weg. Lewis Holtby, der am Sonntag auf der Tribüne saß, ist weg. Auch Pierre-Michel Lasogga, der sein Abschiedstor in der letzten Minute kläglich verpasste, ist weg.
Douglas Santos wird gehen. Und wahrscheinlich auch Gotoku Sakai, der nach seiner Einwechslung von den ansonsten versöhnlichen Fans böse ausgepfiffen wurde. „So etwas hat Go nicht verdient. Er ist ein Super-Typ und nicht der Sündenbock für alles, was passiert ist“, schimpfte Rick van Drongelen.
Saisonfinale gegen Duisburg: das "Trauerspiel" des HSV
Selbst die Zukunft der jungen Spieler, die am Sonntag auflaufen durften, ist noch ungeklärt. Torschütze Wintzheimer würde den HSV gerne wieder verlassen. Auch Mats Köhlert, der sein erstes Spiel von Beginn an im Volkspark machte, dürfte nach dieser Saison gehen. Sein Vertrag läuft aus. „Ich mache mir meine Gedanken. Es ist alles offen. Deswegen bin ich ganz entspannt“, sagte Köhlert, der sich aber grundsätzlich vorstellen kann, zu bleiben.
Und trotzdem: Wieder mal wird es ein großer Umbruch werden, den Sportvorstand Ralf Becker und Sportdirektor Michel Mutzel nun einleiten. Zunächst einmal werden sie nach dem Aus für Wolf einen Trainer finden müssen. Namen wollte Becker am Sonntag nicht kommentieren. Auch der Frage nach dem Profil des neuen Trainers wich er bei Sky aus. „Ob jung oder erfahren, ist nicht entscheidend. Wir wollen einen Trainer finden, der mit uns aufsteigt. Es geht um die bestmögliche Lösung für den HSV. Und die kann auch noch etwas dauern.“
Im Video: Die Fans
Viel Zeit sollte sich Becker bei der Suche nicht lassen. Schließlich muss der neue Trainer auch bei den weiteren Transfers mitreden, um Spieler zu finden, die zur neuen Ausrichtung passen. Worauf es aber ganz besonders ankommen wird, brachte Torhüter Tom Mickel auf den Punkt. „Wir brauchen eine Mannschaft mit Herz und Leidenschaft, die von Anfang bis zum Ende alles für diesen Verein gibt. Anders geht es in der Zweiten Liga nicht. Man muss in jedem Spiel Mentalität zeigen.“
HSV-Capo singt zum letzten Mal vor
So wie Pollersbeck-Vertreter Mickel sie gegen Duisburg zeigte. Wie sie die Mannschaft in der Rückrunde viel zu selten zeigte. Im Gegensatz zu den Fans. Die gaben selbst in dem bedeutungslosen Spiel gegen die harmlosen Meidericher noch einmal alles und feierten die Mannschaft nach dem Schlusspfiff mit großem Applaus. Angeführt von Vorsänger Henrik Köncke, der passend zu all den Abschieden am Sonntag das letzte Mal als Capo auf der Nordtribüne stand. Es wird viele neue Gesichter geben in der neuen Spielzeit beim HSV.
Einer der wenigen Spieler, die mit dem Club auch in die kommende Spielzeit gehen, könnte und sollte Rick van Drongelen sein. „Ich werde aus meinem Herzen heraus entscheiden und mein Herz ist zu einem Teil schwarz-weiß-blau“, sagte van Drongelen und deutete damit einen Verbleib beim HSV mehr als an. „Wenn ich die Fans und meinen Papa auf der Tribüne sehe, brennt es in mir.“ Dieses Feuer hat offensichtlich nicht bei allen gebrannt. Oder wie es van Drongelen sagte: „Am Ende war es einfach einen Tick zu wenig."