Hamburg. Folge aus dem Nichtaufstieg in die Bundesliga: Hannes Wolf muss den HSV verlassen. Er selbst gesteht konkrete Fehler ein.
Geht er, geht er nicht oder doch nur vielleicht? Nach tagelangem Verwirrspiel hat der HSV am Freitag endlich Klarheit geschaffen und die Trennung von Trainer Hannes Wolf zum Saisonende bekannt gegeben. „Hannes wollte in dieser Woche eine Entscheidung. Wir haben entschieden, uns am Saisonende von ihm zu trennen", sagte Sportvorstand Ralf Becker in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wolf.
Er sei weiterhin "zu 100 Prozent überzeugt", dass Wolf "ein sehr guter Trainer" sei. Deshalb tue ihm die sportliche Entwicklung der vergangenen Wochen, in denen der Zweitliga-Herbstmeister HSV noch den Aufstieg verspielte, auch persönlich "sehr, sehr leid". Becker hatte Wolf (38), der mit dem VfB Stuttgart 2017 den Bundesliga-Aufstieg geschafft hatte, erst im Oktober zum HSV geholt.
Noch nach der 0:3-Heimniederlage gegen Ingolstadt vor zwei Wochen seien er, Vorstandschef Bernd Hoffmann und der neue Sportdirektor Michael Mutzel in einem "offenen Gespräch" mit Wolf zu der Überzeugung gelangt, dass der HSV weiterhin gute Aufstiegschancen habe und man auch über die Saison hinaus mit Wolf zusammenarbeiten wolle. Doch dann beendete die 1:4-Niederlage in Paderborn am vergangenen Sonntag die Hoffnungen auf eine schnelle Bundesliga-Rückkehr – und offenbar auch die Überzeugung, dass Wolf der geeignete Trainer sei.
Wolf zeigt Verständnis für HSV-Entscheidung
Bereits am Mittwoch war Becker dann dahin gehend zitiert worden, dass sich die Wege am Saisonende trennen werden. Der Sportvorstand redigierte umgehend ein "Vielleicht" in die Aussage hinein, ehe er am Freitag die Trainerposse beendete, die selbst beim HSV beispiellos ist.
Das sportlich bedeutungslose Saisonfinale am Sonntag (15.30 Uhr, Volksparkstadion/Sky, Liveticker bei Abendblatt.de) wird somit zu Wolfs Abschiedsvorstellung in Hamburg. Er selbst zeigte Verständnis für die Entscheidung des Clubs: „Die letzten Wochen waren nicht gut. Wir haben uns das alles ganz anders vorgestellt. Wir haben immer vertrauensvoll zusammengearbeitet. Die Entscheidung ist für mich nachvollziehbar.“
Die HSV-Trainer seit 2008
Wolf: Verzicht auf Wintertransfers war ein Fehler
Wolf hatte beim HSV nach dem zehnten Spieltag die Nachfolge von Christian Titz angetreten. Die Mannschaft hatte unter Titz noch im Schnitt 1,80 Punkte geholt. Wolfs Schnitt lag nach 23 Spielen mit 1,52 Punkten weit darunter, in der Rückrunde der 2. Bundesliga (16 Punkte in 16 Spielen) sogar nur bei 1,0 Zählern.
Er selbst räumte am Freitag ein, die Situation im Winter falsch eingeschätzt zu haben, insbesondere was den Angriff betrifft. Man sei davon ausgegangen, dass Aaron Hunt und Hee-Chan Hwang nach ihren Verletzungen schnell zurückkehren würden und dass Nachwuchsspieler wie Fiete Arp und Tatsuya Ito noch wertvoll werden könnten. Nichts davon sei eingetreten. "Ich kann der Argumentation immer noch folgen", sagte Wolf. Aber im Nachhinein sei es "die falsche Entscheidung" gewesen, die Mannschaft nicht zu verstärken. "Zu viel von dem, worauf wir uns verlassen haben, ist weggebrochen", sagte Wolf.
Schon in der Hinrunde seien viele der größtenteils knappen Siege nur möglich gewesen, weil die Mannschaft personell und vom Einsatz "am Limit" gespielt habe. In der zweiten Saisonhälfte dann seien die Defizite nicht mehr auszugleichen gewesen, schon weil Erfolgsgarant Hunt meist ausfiel. "Und wenn du offensiv Probleme hast und hinten Tore verschenkst, hast du ein Problem."
Wolf: "So tickt der HSV nun mal"
Rückblickend hinterfragt Wolf auch sein Bestreben, Hunt und Hwang nach ihren langwierigen Verletzungen in der entscheidenden Saisonphase wieder ins Spiel zu bringen. Dadurch sei etwa Lewis Holtby aus der Mannschaft gerutscht – bevor er sich selbst durch einen kurzzeitigen Streik vollständig disqualifizierte.
Zudem hätten häufiger taktische Änderungen zunächst funktioniert, um dann im nächsten Spiel zu verpuffen. "Aber ich kann nicht sagen, wie es anders gelaufen wäre", sagte Wolf.
Wie schwierig seine Mission war, sei ihm dabei immer klar gewesen: "Du hast wenig Geld und eine ganz neue Mannschaft, sollst aber aufsteigen. Aber so tickt der HSV nun einmal."
Wird Hecking der neue HSV-Trainer?
Dass auch sein Nachfolger nicht weniger als den Aufstieg schaffen muss, machte Sportvorstand Becker bereits klar. "Das ist ganz klar der Auftrag. Ich kann nicht hier sitzen und Platz fünf als Ziel ausgeben." Konkrete Fragen zum neuen Trainer wolle er aber "bitte erst ab Montag" gestellt bekommen.
Als Nachfolger von Wolf ist unter anderem Dieter Hecking im Gespräch, dessen Engagement bei Borussia Mönchengladbach am Saisonende endet. Bruno Labbadia hat nach Abendblatt-Informationen seine Fühler ins Ausland ausgestreckt. Seine Arbeit beim VfL Wolfsburg endet ebenfalls nach dieser Saison.
Becker will Hierarchie im Team stärken
Wer auch immer es wird: Er wird ein runderneuertes Team vorfinden. Die jüngste Mannschaft der Liga war der Aufgabe nicht gewachsen, das musste auch Becker einräumen. "Für die Zukunft brauchen wir eine klare Hierarchie, eine Achse an Führungsspielern, die vorangehen und an denen sich die jungen Spieler orientieren können."
Bei der Suche nach neuen Stützen sind Beckers Mittel allerdings begrenzt. Auch die bis zu sechs Millionen Euro, die der HSV an Ablöse für Filip Kostic von Eintracht Frankfurt überwiesen bekommt, gehen "nicht komplett in die Mannschaft", sondern müssen auch für die Tilgung von Altlasten aufgewendet werden.
Wohin Wolfs Weg führt, ist völlig offen. Trotz des Scheiterns gehe er nicht im Groll. "Es ist scheiße gelaufen", sagte Wolf, "aber der HSV bleibt ein fantastischer Verein."