Hamburg. Für das Scheitern der Mission Wiederaufstieg gibt es mehr als einen Schuldigen. Das Vertrauen in einen neuen HSV ist massiv gestört.
4 – 4 – 8. So lautet die Zahlenkombination des Grauens beim HSV. Nach nur je vier Siegen und Unentschieden, aber acht (!) Niederlagen belegen die Hamburger in der Rückrunden-Tabelle Abstiegsplatz 16 (punktgleich mit dem 17.) und haben mit der desaströsen 1:4-Pleite in Paderborn die sofortige Rückfahrkarte in die Fußball-Bundesliga verspielt.
Die Hoffnung auf eine schnelle Gesundung des Dauerpatienten – zerstört. Und wie. Wie sich die Hamburger am Sonntag unterm Strich präsentierten, ist kaum in Worte zu fassen. Das Team glich ähnlich wie in den Vorwochen einem Scherbenhaufen. Klar, man kann einen schnellen Wiederaufstieg nie garantieren. Aber wie der Club gescheitert ist, wird ihn noch beschäftigen.
Blicken wir kurz zurück. Der HSV sollte den Weg vieler gefallener Bundesligateams gehen: satte, überbezahlte und durchschnittliche Profis aussortieren und sich im Unterhaus mit talentierten Jungen und einer Achse der Erfahrenen neu aufstellen. Das Umfeld hatte traumhaft reagiert, in Scharen traten die Fans in den Verein ein, weil sie dachten: Schlimmer geht es nicht mehr.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Und bis zum Winter schien alles, zumindest ergebnistechnisch, nach Plan zu laufen. Tabellenführer nach 17 Spielen und ein eindrucksvoller Derbysieg im März. Doch nur ein missglücktes Heimspiel gegen Darmstadt eine Woche später (2:3 nach 2:0-Führung) brachte das stets wackelige System zu Fall. Es setzte acht sieglose Ligaspiele nach dem 4:0 gegen den FC St. Pauli – Erinnerungen werden wach an den Derbyfluch, der die Braun-Weißen 2011 nach dem Sieg im Volksparkstadion gegen den Rivalen packte: Nach zwölf Partien in Folge ohne Sieg und nur einem von 36 theoretischen Punkten stand der Abstieg fest – genau wie der HSV nun den Aufstieg leichtfertig aus der Hand gab.
Wie das alles passieren konnte? Es gibt mehr als einen Schuldigen.
- 1. Die (immer noch teure) Mannschaft war falsch zusammengestellt, das muss sich die Führung ankreiden.
- 2. Trainer Hannes Wolf schaffte es nicht, den negativen Lauf zu stoppen und wirkte zeitweise ratlos, fast verzweifelt. Man stelle sich vor, Christian Titz hätte sich solch eine Antiserie mit inflationär vielen Umstellungen geleistet, er wäre längst geteert und gefedert vom Vorstand aus dem Volkspark vertrieben worden. Die Trainerdiskussion ist spätestens jetzt eröffnet.
- 3. Die Profis haben nicht geliefert. Merke: Wer in einem großen Stadion vor vielen Menschen aufläuft und ein gutes Gehalt einstreicht, ist nicht automatisch ein guter Kicker. Fehlende Siegermentalität, fehlende Klasse, dafür ein gehöriges Maß an Selbstüberschätzung – es braucht schon wieder einen Neustart, und das mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln.
Man ahnt, dass das HSV-Team am kommenden Sonntag im letzten Heimspiel gegen Duisburg wenig Spaß mit den zu Recht tief frustrierten, immer erstklassig kämpfenden Fans haben wird. Sie alle, besonders Logen- und Business-Besitzer, für eine weitere Saison in der Zweiten Liga zu begeistern, wird verdammt schwer.
Der Club hat viel Vertrauen verspielt. Der Glaube, dass man aus den vielen Fehlern gelernt hat, ist massiv gestört. Ohne eine schlüssige Strategie, ohne eine Vision, wie es nach dem GAU wieder aufwärts gehen soll, drohen dem HSV die Abkehr vieler Kunden und Partner und damit große finanzielle Verluste und eine Beschleunigung der Negativspirale. Dass sich der Club zum Beispiel einen neuen Hauptsponsor suchen muss, ist klar. Emirates wird den auslaufenden Vertrag nicht verlängern.
Ja, es schmerzt, aber die Fußballfans müssen sich ernsthaft mit den Gedanken befassen, dass Hamburg vorerst die Hauptstadt der Zweiten Liga bleibt.