Hamburg. Zwei Clubs der Gegensätze. Im Kampf um den Aufstieg treffen sich die beiden Mannschaften am Sonntag auf Augenhöhe.
Acht zu drei, sieben zu zwei, 30 zu zehn. Um die zwei Welten des HSV und des SC Paderborn zu verstehen, reichte am Freitagmittag schon ein Blick auf die offiziellen Pressekonferenzen der beiden Zweitligisten. Acht TV-Kameras waren im Medienraum des Volksparkstadions aufgebaut, um die Worte von HSV-Trainer Hannes Wolf aufzunehmen. 30 Minuten zuvor waren es nur drei Objektive, die sich im PK-Raum der Paderborner Benteler-Arena auf SC-Coach Steffen Baumgart richteten. Normalerweise steht dort nur die Kamera des clubeigenen TV-Kanals.
Zwei Mitarbeiter der Paderborner Medienabteilung leiteten die Veranstaltung, beim HSV saßen sieben Kollegen. Insgesamt zehn Gäste verfolgten die PK in Paderborn, im Volksparkstadion waren es rund 30, darunter auch der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann. Es ist ein Duell der Gegensätze, wenn sich am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) der SCP und der HSV im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga gegenüberstehen.
Steffen Baumgart, 47 Jahre alt, Dreitagebart, breite Schultern, grimmiger Blick, legt am Freitag die Ellenbogen auf den Tisch und holt kurz Luft. „Jetzt mal Butter bei die Fische“, sagt Baumgart. „Wir wollen hier nicht rumeiern. Wir wollen aufsteigen. Wir wollen die letzten beiden Spiele gewinnen und den letzten Schritt gehen.“ Für einen Moment ist Ruhe im Raum.
Bemerkenswerte Worte
Die Journalisten blicken in ihre Blöcke und notieren die bemerkenswerten Worte. Bemerkenswert, weil man sie in dieser Saison in Paderborn so noch nicht gehört hat. Der Tabellenzweite, das Überraschungsteam der Saison, der furios aufspielende Aufsteiger, er will sein Jahr nun auch offiziell krönen. Zum zweiten Mal nach 2014 will der kleine Club aus Ostwestfalen in die Bundesliga aufsteigen. Und dieser Schritt wäre, genau wie vor fünf Jahren, nicht weniger als eine Sensation.
282 Kilometer weiter nördlich sitzt Hannes Wolf im blauen Trainingspullover auf dem Podium und versucht positive Energie zu vermitteln. Der HSV-Trainer sieht trotz der sportlichen Krise und der Diskussion um seine Person aufgeräumt aus. „Wir haben jetzt nichts mehr zu verlieren. Keiner rechnet mehr damit, dass wir aufsteigen. Also können wir jetzt ganz, ganz viel gewinnen. Das kann eine große Chance sein“, sagt Wolf. Hinter ihm liegt eine trostlose Phase von sieben sieglosen Ligaspielen, die den HSV von Platz zwei auf Rang vier abstürzen ließen. Nach den jüngsten Leistungen spricht nicht mehr viel für eine sportliche Wende.
Ganz anders sieht die Welt in Pader-born aus. „Der nächste Bungeesprung“, titelte die „Süddeutsche“ am Freitag über einen großen Artikel zum Höhenflug des Aufsteigers. Hinter Paderborn liegen fünf Jahre einer spektakulären Reise durch die drei ersten Profiligen. Auf den Sensationsaufstieg 2014 mit einem kurzzeitigen Ausflug an die Tabellenspitze folgte der Absturz in die Dritte Liga. 2017 wäre die Mannschaft sport-lich sogar in die Regionalliga abgestiegen.
Mit ganz wenig Mitteln ganz viel erreichen
Weil 1860 München nach dem Abstieg in die Dritte Liga aber keine Lizenz beantragte, durfte Paderborn in der Liga bleiben. „Wenn 1860 die Lizenz beantragt hätte, hätten wir Insolvenz anmelden müssen“, sagt Geschäftsführer Markus Krösche heute. Der 38-Jährige ist nicht nur Rekordspieler des SC Paderborn, sondern gemeinsam mit Trainer Steffen Baumgart auch der Macher des Aufschwungs. Vor einem Jahr galt Krösche als Favorit auf den Posten des Sportvorstands beim HSV, doch Paderborn verlangte eine zu hohe Ablöse. Nach dieser Saison wechselt der Manager wohl als Sportdirektor zu RB Leipzig.
Zuvor hatte Krösche bewiesen, dass er mit ganz wenig Mitteln ganz viel erreichen kann. Ohne Transferausgaben stellte er einen Kader zusammen, der in der Dritten Liga 90 Tore erzielte und zum Aufstieg stürmte. Auch im vergangenen Sommer verpflichtete der SCP nur wenig bekannte Namen für kleines Geld, dafür eine Menge Geschwindigkeit. Acht Spieler laufen die 30 Meter in unter 3,9 Sekunden. Das ist selbst in der Bundesliga ein Topwert. Unter ihnen die Flügelspieler Christopher Antwi-Adjej (25) und Kay Pröger (26), die Krösche aus der vierten und fünften Liga holte.
Der Mannschaftsetat des Kaders liegt aktuell bei 6,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Beim HSV bezahlt man mehr als die Hälfte dieser Summe allein für Stürmer Pierre-Michel Lasogga. Der gesamte Hamburger Kader, der in der Rückrunde so böse enttäuschte, kostet den HSV rund 28 Millionen Euro. Das erstaunlichste: Paderborn spielt mit seinem Mini-Etat den attraktivsten Fußball der Liga. Das sieht auch HSV-Trainer Hannes Wolf so. „Paderborn spielt einen anderen Fußball als viele andere Mannschaften“, sagt Wolf voller Respekt. „Wir werden alles dagegenlegen, um sie ein drittes Mal zu schlagen.“
Das letzte Erfolgserlebnis
Wenn es beim HSV aktuell noch Hoffnung gibt, resultiert diese ausgerechnet aus dem Namen des Gegners. Die Hamburger gewannen nicht nur das Hinspiel im Volkspark mit 1:0, sondern auch das Viertelfinale im DFB-Pokal vor knapp sechs Wochen in Paderborn 2:0. Es war bis heute das letzte Erfolgserlebnis. „Die Mannschaft war zuletzt schon sehr niedergeschlagen, aber es baut sich wieder etwas auf. Das wird am Sonntag ein ganz anderes Fußballspiel“, sagte Wolf.
Und Baumgart? Der machte ebenfalls klar, was die Zuschauer in der ausverkauften Arena erwarten dürfen: „Offenes Visier, voll nach vorne, mit Spaß am Fußball.“ Ein 0:0, so viel ist wohl klar, wird es zwischen diesen Clubs der Gegensätze wohl nicht geben.