Hamburg/Bochum. Großchancen waren da, aber am Ende meinte es der Schiedsrichter gut mit dem HSV. Becker spricht über Verstärkungen.

Am Ende ist es vielleicht gar nicht einmal schlecht gelaufen für den HSV. Natürlich, ein 0:0 bei einem ersatzgeschwächten Mittelklasseclub wie dem VfL Bochum ist nicht das, was man sich als Aufstiegsaspirant versprechen darf, und es hat auch nicht gereicht, um sich zumindest für einen Tag am 1. FC Köln (beide 51 Punkte) vorbei an die Spitze der 2. Fußball-Bundesliga zu schieben. Aber alles in allem darf dieser Punkt von den Hamburgern sogar als gewonnener verbucht werden, auch wenn zwei weitere möglich gewesen wären.

"Wir haben ein paar Themen, die wir bearbeiten müssen", sagte HSV-Trainer Hannes Wolf nach dem Spiel bei Sky, "aber ich weigere mich, jetzt alles schwarz zu reden. Es tut definitiv nicht so weh wie die 2:3-Heimniederlage in Darmstadt." Kritischer sah es Gotoku Sakai, der in Bochum wieder als HSV-Kapitän auflief: "Uns hat heute die Durchschlagskraft gefehlt. Wir haben den Rhythmus nicht gefunden und es nicht geschafft, den entscheidenden letzten Pass an den Mann zu bringen."

Für die Hamburger bleibt es somit bei nur einem Auswärtssieg (4:0 beim FC St. Pauli) in den vergangenen sechs Auswärtsspielen. Auch die Bochumer setzten ihren Negativtrend von nur einem Sieg aus den vergangenen acht Spielen fort.

Köhlert erlebt Profidebüt für HSV

Wolf konnte zunächst einmal aufatmen: Die Wackelkandidaten Berkay Özcan und Orel Mangala hatten die muskulären Probleme, die sie von ihren Einsätzen für ihre U-21-Nationalmannschaften mitgebracht hatten, rechtzeitig ausgestanden und waren bereit für die Startelf. Damit musste Lewis Holtby wieder erst einmal auf der Bank sitzen. In der Länderspielpause hatte der Verein mitgeteilt, dass er sich am Saisonende von dem früheren Nationalspieler trennen werde.

Neben Holtby nahm Kyriakos Papadopoulos Platz. Der Grieche gehörte nach dem Knorpelschaden, den er sich im Juli zugezogen hatte, zum ersten Mal wieder zum Kader. „Darüber sind wir sehr froh, weil er eine super Mentalität und Zweikampfstärke mitbringt“, sagte Wolf vor dem Anpfiff bei Sky. Zum allerersten Mal überhaupt im Profi-Kader stand U-20-Nationalspieler Mats Köhlert – er sollte später tatsächlich sein Zweitligadebüt vor 26.600 Zuschauern im ausverkauften Vonovia-Ruhrstadion geben und hat dabei, so viel sei vorweggenommen, Wolf "gut gefallen".

Fiete Arp (19) war dagegen nicht mit nach Bochum gereist, er war wie Sturmkollege Manuel Wintzheimer am Freitagabend für die zweite Mannschaft im Regionalligaspiel bei der SV Drochtersen/Assel (1:1) aufgelaufen. Jonas David, vergangene Woche wie Arp für die U-19-Nationalmannschaft im Einsatz, wurde kurzfristig aus dem HSV-Kader gestrichen. Er kann aber auf einen Einsatz am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) im DFB-Pokal-Viertelfinale in Paderborn hoffen.

Narey an den Pfosten

Die Bochumer hatten mit einigen Ausfällen zu kämpfen. Dem Tabellenneunten fehlte unter anderen Rechtsverteidiger Jan Gyamerah wegen einer Rotsperre. Der 23-Jährige unterschrieb erst vor kurzem einen Dreijahresvertrag beim HSV, der ab der kommenden Saison gilt. Der 17-jährige Stelios Kokovas kam so gegen den HSV zu seinem Debüt.

Und hatte gleich seine liebe Mühe: Gegenspieler Khaled Narey schüttelte ihn auf dem rechten Flügel ab und lief allein aufs Bochumer Tor zu, hämmerte den Ball aber aus 13 Metern an den rechten Außenpfosten (5. Minute).

Özcan vergibt die Riesenchance

Doch wer geglaubt hatte, das wäre das Startsignal zur großen Hamburger Offensive, sah sich getäuscht. Beide Mannschaften leisteten sich in der Folge schon im Spielaufbau viele Fehler. Und so war es eher dem Zufall zu verdanken, dass Bochum durch Milos Pantovic zum ersten Torschuss (ans Außennetz) kam – HSV-Verteidiger Douglas Santos war zuvor unter der Flanke hindurchgesprungen.

Im Gegenzug aber hätte die HSV-Führung fallen können, nein: müssen. Bakery Jatta setzte sich auf der linken Seite durch und fand mit seiner Flanke genau den Kopf von Özcan, doch der schaffte es, aus vier Metern genau auf den heranfliegenden Bochumer Torwart Manuel Riemann zu zielen (20.).

Kurz darauf konnte sich Hamburgs Torwart Julian Pollersbeck erstmals auszeichnen – auch der Schuss des früheren HSV-Profis Robert Tesche geriet zu zentral (24.).

Holtby und Jung für Jatta und Mangala

Überhaupt ließen es beide Mannschaften an Präzision fehlen: ob Bochums Tim Hoogland (34.) oder wenig später Mangala (36.). Selbst Edeltechniker Santos brachte bei einem Freistoß aus aussichtsreicher Position den Ball nicht über die Bochumer Mauer (42.). Der Halbzeitstand von 0:0 war nur konsequent.

Nach der Pause wurde es allerdings nicht besser. Jatta hatte die erste HSV-Chance, hätte sich nach guter Vorarbeit von Gotoku Sakai aber gern den Ball noch zurechtlegen können, anstatt überhastet vorbeizuschießen (56.).

Wenig später war der Arbeitstag für Jatta und auch Mangala beendet, für sie kamen Holtby und Gideon Jung ins Spiel (58.). Mehr Struktur vermochten aber auch sie dem HSV-Angriff nicht zu geben.

Bochum reklamiert zweimal Elfmeter

Vielmehr ereignete sich der nächste Aufreger im eigenen Strafraum: Innenverteidiger Rick van Drongelen traf Bochums Torjäger Lukas Hinterseer wohl leicht am Fuß, doch der hob offenbar etwas zu spektakulär ab, als dass Schiedsrichter Lasse Koslowski dafür einen Elfmeter hätte geben wollen (64.). Auch die Zeitlupe – sie steht den Schiedsrichtern der Zweiten Liga erst in der nächsten Saison zur Verfügung – entlarvte das nicht als Fehlentscheidung. Pollersbeck verhinderte in der Szene zudem noch mit einer starken Parade den Rückstand durch Stefano Celozzi.

Und der HSV? Er erhöhte nun das Risiko – nicht aber das fürs Bochumer Tor. Auch körperlich hielten die Hamburger nur bedingt dagegen. Die erste Gelbe Karte des Spiels handelte sich Bochums Görkem Saglam nach viel zu hartem Einsteigen gegen Narey ein (74.). Saglam – Köhlert war inzwischen für Vasilije Janjicic in die Partie gekommen (78.) – stand kurz darauf noch einmal im Blickpunkt: Seinen Fernschuss lenkte Pollersbeck stark zur Ecke (82.).

Ähnlich gefährlich wurde es nur noch einmal – und diesmal meinte es Koslowski wirklich gut mit dem HSV. Ein Schuss von Bochums Anthony Losilla traf van Drongelen im Strafraum aus kurzer Distanz an der Hand. Doch wieder blieb die Pfeife stumm. Nach Videobeweis wäre die Entscheidung womöglich revidiert worden.

Paderborn lässt HSV-Vorsprung wachsen

So kann der HSV von Glück reden, dass er nicht mit leeren Händen weiter ins Kurztrainingslager nach Harsewinkel reist, um sich dort auf das so wichtige Pokalspiel in Paderborn vorzubereiten.

Eine Steigerung dürfte nötig sein. Paderborn sorgte mit einem 3:1-Sieg bei Union Berlin dafür, dass der Vorsprung des HSV auf den Aufstiegsrelegationsplatz sogar angewachsen ist, und ist nun schon Tabellenvierter. "Wir nehmen den Punkt nach Unions Niederlage mal so mit", sagte HSV-Sportvorstand Ralf Becker, "aber im Großen und Ganzen war es schwere Kost. Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen." Becker hatte einen Sieg als klares Ziel ausgegeben.

HSV-Interesse an Hinterseer, Meier und Kinsombi

Vom Ausgang des Pokalspiels dürfte auch abhängen, welche Möglichkeiten er bei der Planung des HSV-Kaders für die kommende Saison hat. Dass Bochums Hinterseer ein Kandidat ist, dementierte der Sportvorstand am Sky-Mikrofon nicht: "Natürlich gibt es in der 2. Bundesliga viele gute Stürmer, und Lukas ist einer davon." Hinterseer selbst versicherte, sich nur auf den VfL zu konzentrieren: "Ich habe einen Vertrag, alles andere regelt mein Berater."

Auch St. Paulis "Fußballgott" Alexander Meier (36) ist offenbar ein Thema beim Lokalrivalen. Priorität habe laut Becker aber, den auslaufenden Vertrag mit Pierre-Michel Lasogga (27) zu verlängern.

Noch konkreter sind die Bemühungen des HSV um Kiels David Kinsombi (23). Holstein hat die Anfrage aus Hamburg offiziell bestätigt. Becker bekräftigte bei Sky, wie gern man den Mittelfeldspieler (Vertrag bis 2021) kommende Saison in den eigenen Reihen sähe. Im Raum steht eine unbestätigte Ablöse von vier Millionen Euro, dem HSV soll die Hälfte vorschweben.