Wolfsburg. Seit dem Abgang aus Hamburg wirbelt der Offensivmann für Eintracht Frankfurt. Jetzt will der Serbe gegen Deutschland glänzen.

Filip Kostics Hotelzimmer ist längst gebucht. Nicht in Wolfsburg, sondern in der 60 Kilometer entfernten Alten Mühle in Weyhausen, einem 2400-Einwohner-Ort. Dass die serbische Nationalmannschaft vor dem Testländerspiel gegen Deutschland am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in der Einöde der Samtgemeinde Boldecker Land und nicht in Wolfsburg absteigt, hat natürlich keine gehässigen, sondern lediglich praktische Gründe. Das Ritz Carlton in der VW-Stadt hatte ja der DFB frühzeitig reserviert. Doch zumindest Kostic, einer der Frankfurter Überflieger dieser Saison, soll nicht traurig sein, dass die Serben nur zum Abschlusstraining und zum Spiel in Wolfsburg vorbeigucken.

Es ist bereits zweieinhalb Jahre her, als Wolfsburg und Kostic erstmals aneinandergerieten. Damals wollte der VfL den pfeilschnellen Serben um jeden Preis aus Stuttgart holen. Wolfsburgs damaliger Sportchef Klaus Allofs verhandelte mit Kostics Bruder, Kostics Onkel, Kostics Landsmann Miroslav Stevic, Kostics Berater Sedat Duraki und – und das war wohl Allofs’ größter Fehler – am Ende auch noch mit dem plötzlich dazwischengeschalteten Spielervermittler Giacomo Petralito. Und Kostic? Der reagierte genauso schnell wie sonst nur in dieser Saison bei der Eintracht auf dem Rasen. „Ich will unbedingt zum HSV!“, sagte der Serbe, als erste Medien von einer Einigung zwischen Wolfsburg und Stuttgart berichteten.

Labbadia wollte Kostic nach Wolfsburg lotsen

Das Ende dieser Geschichte ist bekannt: Kostic wechselte für die Rekordablöse von 14 Millionen Euro nach Hamburg und nicht nach Wolfsburg. Beim HSV spielte der Flügelflitzer mehr schlecht als recht – und wollte und sollte nach nur zwei Jahren (und dem erstmaligen Abstieg des Clubs) im vergangenen Sommer weiterziehen. Doch hier beginnt nun Staffel zwei der nicht enden wollenden Kostic-Wolfsburg-Serie.

Erneut war es Bruno Labbadia, der bereits 2016 den früheren Stuttgarter zum HSV gelotst hatte, der Kostic nun auch nach Wolfsburg holen wollte. Wieder gab es Verhandlungen, wieder Irrungen und Wirrungen, wieder waren mehrere Berater beteiligt und am Ende: Wieder gab es keine Einigung mit Kostic.

Kostic & Co.: Die teuersten HSV-Transfers

Walace und Co.: Die teuersten HSV-Transfers

Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig
Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig © WITTERS | ValeriaWitters
Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart
Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart © Witters
2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro
2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro © Witters
Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren
Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren © Witters
Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete
Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete © WITTERS | ValeriaWitters
9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug
9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug © Witters
Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro
Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro "Auflaufprämie" © Witters
Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer
Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer © Imago/Christoph Reichwein
Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9)
Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9) © Witters
Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10)
Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10) © Witters
Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling
Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling © Witters
Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ...
Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ... © WITTERS | TayDucLam
Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ...
Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ... © Witters
... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore
... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore © Witters
... sowie mit Kyriakos Papadopoulos, der im Winter 2017 zunächst auf Leihbasis kam und anschließend für 6,5 Millionen Euro fest von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde
... sowie mit Kyriakos Papadopoulos, der im Winter 2017 zunächst auf Leihbasis kam und anschließend für 6,5 Millionen Euro fest von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde © Witters
Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16
Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16 © Witters
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Kostic verprellte die HSV-Verantwortlichen

Doch diesmal waren nicht nur die erneut vor den Kopf gestoßenen Wolfsburger sauer, sondern auch die Verantwortlichen des HSV. Denn Kostic und dessen neuer Berater Fali Ramadani hatten nicht nur dem VfL, sondern auch einer Handvoll Alternativclubs abgesagt: dem FC Burnley und dem FC Southampton in England, Valencia in Spanien, Sporting Lissabon in Portugal und Florenz in Italien. Und das Beste: Auch für den Nocharbeitgeber HSV konnte sich der Serbe nicht so recht motivieren. Zum ersten Auswärtsspiel der Saison in Sandhausen wolle er lieber nicht mitreisen, erklärte Kostic dem damaligen HSV-Trainer Christian Titz.

Und spätestens an dieser Stelle könnte man einen dicken Punkt setzen. Ein Profi, der sich trotz Vertrags weigert, für seine Mannschaft zu spielen. Eine ganze Armada von Beratern und Familienmitgliedern im Hintergrund. Und nicht zu vergessen die Beteiligung von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne, dem vertraglich auch noch Teile einer möglichen Kostic-Ablöse zustehen. Einmal kräftig umrühren – und schon hat man die ungenießbare Suppe über den raffgierigen Fußballsöldner servierbereit. Oder doch nicht?

Eintracht-Coach schwärmt von Kostics Topcharakter

Das Schöne am Fußball ist ja, dass es nur selten Schwarz und Weiß gibt. Es sind die Grautöne, die für die richtige Mischung sorgen. Statt nach Wolfsburg, Burnley oder Southampton wechselte Kostic wenig später auf Leihbasis für zwei Jahre nach Frankfurt (die Kaufoption liegt bei 6,5 Millionen Euro) – und sollte mit diesem Wechsel die beste Entscheidung seiner bisherigen Karriere getroffen haben. „Filip ist nicht mit großen Vorschusslorbeeren zu uns gekommen. Er war in der untersten Schublade, das muss man klar sagen“, sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter, der schon nach kurzer Zeit zu einem überraschenden Urteil kam: „So wie ich ihn kennengelernt habe, ist er oberste Schublade. Er ist nicht nur ein sehr guter Spieler, sondern auch ein Topmensch mit Topcharakter.“

Kostics pulverisiert seine Scorer-Ausbeute

Der Topmensch Kostic entwickelte sich tatsächlich in Rekordgeschwindigkeit zu einer Topverstärkung. Frankfurts Trainer Hütter setzte den Offensivmann vornehmlich als Außenverteidiger mit allen Freiheiten nach vorne ein. Mit Erfolg: Wettbewerbsübergreifend stehen für Kostic bereits 15 Scorerpunkte (sechs Tore, neun Vorlagen) zu Buche. Zum Vergleich: Beim HSV schaffte er lediglich 13 Scorerpunkte – in zwei Jahren. „Durch diese neue Position, die Adi Hütter für mich gefunden hat, kann ich meine Qualitäten in beide Richtungen zeigen. Das ist mir auch wichtig“, sagt Kostic, der am Sonntag beim 1:0-Sieg gegen Nürnberg 13 (!) Flanken schlug und Hintereggers Siegtreffer vorbereitete.

„Zur Eintracht zu wechseln war sicherlich eine der wichtigsten Entscheidungen meiner Karriere“, sagte Kostic dem Abendblatt nach sieben Monaten in Frankfurt. Und obwohl er sich gegen Nürnberg eine leichte Adduktorenverletzung zugezogen hat, will Kostic auch gegen Deutschland zeigen, wie gut ihm seine Frankfurt-Entscheidung tut.