Hamburg. Im Abendblatt-Interview spricht der Brasilianer über das Babyglück, neue Prioritäten und die wenigen Väter beim HSV.

Als Douglas dos Santos Justino de Melo, oder einfach: Douglas Santos, vor dem Spiel gegen Darmstadt 98 zum Interviewtermin erscheint, kann sich der knapp 25-Jährige ein breites Grinsen nicht verkneifen.

Hamburger Abendblatt: Herr Santos, darf man noch herzlichen Glückwunsch sagen?

Douglas dos Santos: Na klar. Sie spielen wahrscheinlich auf meinen Babyjubel im Derby an. Der war spontan – und musste einfach raus.

Wann ist Stichtag?

Santos: Im August. Meine Frau ist gerade im fünften Monat, beim nächsten Arzt-Termin sollen wir das Geschlecht erfahren.

Gibt es eine Präferenz?

Santos: Nein. Wir wünschen uns das, was sich alle Eltern wünschen: Hauptsache, gesund. Ein Baby ist das größte Glück, das man sich vorstellen kann. Aber einen Namen hätten wir schon für beide Fälle parat …

Nämlich?

Santos: Wird es ein Sohn, dann heißt er Benjamin. Wird es eine Tochter, dann heißt sie Laura. Uns war wichtig, dass es ein biblischer Name ist. Und beide Namen gefallen uns sehr.

Wie hat Ihre Frau Ihnen die gute Nachricht überbracht?

Santos: Wir hatten schon eine ganze Weile den großen Wunsch. Als ich dann vor ein paar Wochen vom Training nach Hause kam, habe ich ein paar Babysachen auf dem Tisch gesehen, dann das Gesicht meiner Frau – und spätestens dann wusste ich ganz genau, was Sache ist.

Merken Sie bereits, dass sich Prioritäten verschieben?

Santos: Natürlich ändern sich manche Dinge. Meine Frau und ich haben sehr gerne Städtetrips an trainingsfreien Tagen gemacht. Das geht dann jetzt nicht mehr so einfach. Das ganze Leben dreht sich ja zukünftig um den Nachwuchs. Das wird bei uns so sein – und das ist ja wahrscheinlich bei so ziemlich allen anderen frischen Eltern auch so. Unser ganzes Leben wird auf den Kopf gestellt.

Im Sommer – rund um die Geburt – wird die Entscheidung fallen, ob Sie in Hamburg bleiben oder zu einem potenziellen Cham­pions-League-Teilnehmer wechseln. Inwiefern spielt Ihr Baby bei dieser Entscheidung eine Rolle?

Santos: Unser Baby spielt tatsächlich bei dieser wichtigen Zukunftsentscheidung eine Hauptrolle. Es geht jetzt nicht mehr wie früher nur darum, lediglich aus sportlicher oder finanzieller Perspektive irgendeine Entscheidung zu treffen. Für uns muss das Gesamtpaket stimmen: das Klima, Gesundheitsversorgung, Perspektive und so weiter.

Ist die Entscheidung über Ihre Zukunft schon getroffen?

Santos: Nein. Noch haben wir ein paar Monate Zeit. Und mein Fokus liegt aktuell auch voll und ganz auf dem HSV. Nur eine Zukunftsentscheidung ist getroffen …

Nämlich?

Santos: Unser Kind wird in Brasilien zur Welt kommen. Das ist mir und meiner Frau sehr wichtig. Und natürlich hoffe ich sehr, dass ich trotz der Distanz die Möglichkeit haben werde, bei der Geburt dabei zu sein.

Ähnlich war es auch beim früheren HSV-Profi Walace, der zur Geburt seiner Tochter nach Brasilien reisen durfte …

Santos: Stimmt, ich bin sogar der Patenonkel. Wir suchen uns unsere Paten allerdings erst aus, wenn der oder die Kleine auf der Welt ist.

Sind Sie eigentlich nervös?

Santos: Ein bisschen nervös bin ich natürlich schon. Man kann sich darauf ja nicht wirklich vorbereiten. Was hat das Kleine, wenn es weint? Hat es Hunger? Und ich merke, dass meine Eltern auch total nervös sind. Sie rufen derzeit jeden Tag aus Brasilien an, fragen, ob alles in Ordnung ist, wie es uns geht. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass sie Oma und Opa werden. Meine Schwester hat bereits einen Sohn – und sie ist ebenfalls erneut schwanger. Meine Eltern werden also im Sommer Dreifach-Großeltern.

Waren Sie eigentlich selbst ein guter Sohn?

Santos: Da müssen Sie meine Eltern fragen (lacht). Aber ehrlich gesagt glaube ich schon, dass ich ein ganz guter Sohn war. Ich habe und hatte jedenfalls immer großen Respekt für meine Eltern.

In einem Interview haben Sie mal verraten, dass Ihr Vater als Busfahrer gearbeitet hat und dass Sie in seine Fußstapfen getreten wären, wenn Sie nicht Fußballer geworden wären. War Ihr Vater Ihr Vorbild?

Santos: Auf jeden Fall und in jeglicher Hinsicht. Mein Vater war ja auch ein ganz guter Fußballer, auch wenn er es nicht zum Profi geschafft hat. Er spielt auch heute noch sehr gut. Mein Vater ist gerade einmal 47 Jahre alt. Als ich 18 Jahre alt war, haben wir für seine Betriebsfußballmannschaft zusammengespielt. Wir hatten immer eine sehr enge Beziehung. Und ich bin mir auch immer noch sicher, dass ich in seine Fußstapfen getreten und Busfahrer geworden wäre, wenn ich keinen Profivertrag bekommen hätte. Mein Vater hat mir auch das Autofahren beigebracht – schon lange bevor ich das Führerscheinalter von 18 Jahren hatte. In Brasilien ticken die Uhren ein wenig anders (lacht).

Arbeitet Ihr Vater noch als Busfahrer?

Santos: Heute nicht mehr. Er darf sich jetzt ein bisschen ausruhen – immerhin wird er bald dreifacher Opa sein (lacht).

Sie spielen in einer jungen Mannschaft mit wenigen Familienvätern. Haben Sie sich trotzdem schon den einen oder anderen Rat geholt? Zum Beispiel von Léo Lacroix?

Santos: Léo habe ich tatsächlich schon gefragt. In Brasilien habe ich viele Freunde, die bereits Kinder bekommen haben. Aber Sie haben recht: Wir sind eine so junge Mannschaft, dass man die Familienväter bei uns an einer Hand abzählen kann. Das ist ungewöhnlich. Bei Spielen sind bei uns nur sehr wenige Kinder auf der Tribüne mit dabei.

Haben Sie Ihre schwangere Frau am vergangenen Wochenende mit ans Millerntor genommen?

Santos: Nein. Meine Frau guckt bei Heimspielen sehr gerne zu. Sie wird vielleicht auch gegen Darmstadt wieder dabei sein. Aber so ein Derby ist dann wohl doch ein wenig zu viel für eine werdende Mama.

Der werdende Papa schien das Derby aber genossen zu haben …

Santos: Das habe ich tatsächlich. Der Druck vor dem Spiel war ja riesig. Man hat die ganze Woche lang gemerkt, dass dieses Spiel etwas ganz Besonderes ist. Das geht natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Umso schöner war es dann für uns, dass wir ausgerechnet in diesem besonderen Spiel unsere bis dahin wahrscheinlich beste Saisonleistung abrufen konnten. Und in meinem besonderen Fall: Vielleicht hatte ich durch die Babynachricht tatsächlich noch ein paar Prozent mehr Energie in mir …

Die könnten auch gegen Darmstadt helfen …

Santos: Absolut. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, nach dem Derbysieg irgendetwas für selbstverständlich zu halten. Auch gegen Darmstadt werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir erneut in Derbyform auftreten. Am Ende kämpfen wir ja in jedem Spiel für das eine große Ziel: den Aufstieg im Sommer.

Was für ein Sommer: erst der mögliche Aufstieg im Mai mit dem HSV und dann die Geburt Ihres ersten Kindes im August …

Santos: Mehr geht tatsächlich nicht. Von mir aus kann der Sommer kommen …