Hamburg/Kiel. Bei Holstein Kiel wurde aus dem talentierten Abwehr- schnell ein begehrter Mittelfeldmann. Entscheidung wird wohl erst im Mai fallen.
Am Montagabend waren die Scheinwerfer nach langer Zeit mal wieder auf David Kinsombi gerichtet. Der derzeit verletzte Kieler lächelte in die Kameras und umfasste die ihm gerade überreichte Trophäe fest mit beiden Händen. „Schleswig-Holsteins Fußballer des Jahres 2018“, stand auf dem Plexiglas-Pokal geschrieben, dazu ein kleines Bild eines Fußballers beim Fallrückzieher. „Für mich ist das die erste Ehrung dieser Art. So eine persönliche Auszeichnung ist etwas Besonderes“, sagte Kinsombi, schwarzes Longsleeve, helle Hose, im ohnehin eher schmucklosen Druckzentrum des SHZ-Verlags am Montagabend in Büdelsdorf im Kreis Rendsburg-Eckernförde.
Was Kinsombi nicht sagte: Möglicherweise könnte schon auf dem nächsten Pokal „Hamburger Sportler des Jahres“ stehen. Wie das Abendblatt erfuhr, ist der 23 Jahre alte Kinsombi Top-Kandidat, um den zum Saisonende nach Stuttgart zurückkehrenden Orel Mangala als Mittelfeldchef vor der Abwehr zu ersetzen. Mangala soll nach Informationen der „Sportbild“ seinen VfB-Vertrag kürzlich sogar bis 2023 verlängert haben. Intern sollen sich die HSV-Verantwortlichen rund um Sportchef Ralf Becker, die gestern Vormittag Vorstandssitzung hatten, allerdings längst auf Kinsombi als Königslösung für die kommende Saison geeinigt haben.
Es gibt einen Haken
Einziger Haken: Der erhoffte Aufstieg des HSV wäre Pflicht für die Verpflichtung des jüngsten Kapitäns der Zweiten Liga, der derzeit an den Folgen eines Schienbeinbruchs laboriert. Und weil die Ligazugehörigkeit wohl frühestens erst Mitte Mai feststeht, wird es bis dahin auch keine endgültige Entscheidung über einen Transfer des Wunsch-Mangala-Nachfolgers geben.
Dabei lässt Becker keine Zweifel am Potenzial des Deutsch-Kongolesen aufkommen. „David besitzt für sein junges Alter bereits Erfahrung aus seiner Zeit in der Zweiten Bundesliga und Dritten Liga. Er passt sportlich und menschlich ausgezeichnet in unser Anforderungsprofil. Und er ist noch nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt“, sagte Becker. Nicht gestern. Sondern vor anderthalb Jahren, als er als Kiel-Sportchef Kinsombi ablösefrei vom Karlsruher SC als neuen Innenverteidiger verpflichtete.
Bei Holstein wurde aus dem talentierten Abwehr- schnell ein begehrter Mittelfeldmann – vielleicht sogar der beste Mittelfeldstratege der Liga. Im vergangenen Sommer zeichnete das Fachmagazin „Kicker“ den Kieler bereits als „herausragend“ zum besten Mittelfeldspieler der Zweiten Liga aus. Und nach der erneut sehr guten Hinrunde wiederholte Kinsombi die Bewertung im Winter sogar noch einmal.
Schwerer Trainingslagerunfall
„So schnell geht das im Fußball“, sagte Kinsombi nun am Montagabend. „2017 war noch ein schwieriges Jahr mit dem Abstieg beim KSC, und dann komme ich in eine so tolle Truppe und habe heute so einen Pokal in der Hand.“
Zum hinterlegten Interesse des HSV will Kinsombi vorerst noch nichts sagen. Der gebürtige Hesse kennt das Spiel. Kinsombi ist zwar gerade erst 23 Jahre alt, wird aber besonders in Kiel als „erfahrener Hase“ sehr geschätzt, dessen Horizont nicht durch das Seitenaus begrenzt ist. Die Zeit der Reha etwa nutzte Kinsombi, um sein Fernstudium im Marketing weiter voranzutreiben.
Eine Rückkehr auf den Rasen ist für den Rekonvaleszenten allerdings auch endlich wieder absehbar. Nach dem schweren Trainingslagerunfall in Oliva Nova im Januar wurde Kinsombi erfolgreich in Kiel operiert und soll bereits in der kommenden Woche wieder ins Lauftraining einsteigen. Sollte der Heilungsverlauf weiterhin so unproblematisch vonstattengehen, wäre sogar ein zunächst ausgeschlossenes Comeback noch in dieser Saison denkbar.
Eine gute Nachricht
Die gute Nachricht aus Hamburger Sicht: Selbst bei einer vorzeitigen Rückkehr kann Kinsombi den HSV in dieser Spielzeit sportlich nicht mehr schocken. Drei seiner vier Saisontore erzielte das 1,84-Meter-Kraftpaket in den beiden Duellen – eine dritte Partie sieht der Spielplan glücklicherweise nicht vor.
Finanziell könnte der Wunschtransfer den HSV-Verantwortlichen dagegen noch eine ganze Menge Kopfschmerzen bereiten. Und Schuld daran hat kein Geringerer als HSV-Sportvorstand Becker selbst. Denn als quasi letzte Amtshandlung vor seinem Wechsel zum HSV verlängerte Becker den Kinsombi-Vertrag im vergangenen Jahr vorzeitig bis 2021, wodurch nun eine nicht unempfindliche Ablöse auf die Hamburger zukommen würde. Laut „transfermarkt.de“ darf sich Kinsombi derzeit mit einem Marktwert von rund drei Millionen Euro schmücken, die tatsächliche Ablöse dürfte sogar noch etwas üppiger ausfallen.
Im Video: Pauli-Fans singen HSV-Song:
Ob sich der HSV Kinsombi wirklich leisten kann, dürfte sich in diesen Tagen auch in Frankfurt am Main, nur wenige Kilometer entfernt von Kinsombis Geburtsstadt Rüdesheim am Rhein, entscheiden. Dort müssen bis Freitag die HSV-Lizenzunterlagen für die kommende Spielzeit eingehen. Interessant: Einnahmen und Ausgaben für mögliche Transfers im Sommer werden bei den Lizenzunterlagen nicht berücksichtigt. Aber: Intern erwarten die Hamburger weder Auflagen noch Bedingungen im Falle eines Aufstiegs. Und nur wenn diese positive Prognose auch eintritt, könnte ein Kinsombi-Transfer tatsächlich realisiert werden – und somit das Projekt „Hamburger Sportler des Jahres“.