Hamburg. Der HSV im Stresstest: Die Hamburger müssen heute Abend gegen Greuther Fürth ihren Abwärtstrend stoppen.
Die Pressekonferenz des HSV mit Trainer Hannes Wolf war am Sonntagmittag eigentlich schon beendet, als einem Reporter doch noch eine Frage einfiel. „Jetzt bin ich aber gespannt“, sagte Wolf und lehnte sich auf dem Podium des Presseraums noch weiter nach vorne. „Jetzt habe ich Druck“, entgegnete der Reporter, ehe er dem Trainer nur eine harmlose Frage nach dem heutigen Gegner Greuther Fürth stellte.
Den Druck, so viel steht fest, hat am Montagabend im Volksparkstadion (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) nur einer: der HSV. Es ist eine richtungweisende Woche für die Hamburger mit dem Heimspiel gegen Fürth und dem Stadtderby beim FC St. Pauli am Sonntag. Gewinnt der HSV heute, ist er wieder voll im Soll. Gewinnt er nicht, könnte St. Pauli mit einem Derbysieg am kommenden Spieltag sogar am HSV vorbeiziehen und den Stadtrivalen auf den vierten Platz verweisen.
So viel Druck wie lange nicht mehr
„Die Nerven spielen immer eine Rolle“, sagte Cheftrainer Wolf am Sonntag. Nach drei Niederlagen aus den jüngsten sieben Ligaspielen, dem Verlust der Tabellenführung und dem vorübergehenden Sturz auf Rang drei ist der Druck beim HSV so hoch wie lange nicht mehr. „Wir wollen uns am Fußball festhalten. Das ist das Einzige, was hilft“, sagte Wolf am Tag vor dem Fürth-Spiel. Wolf ist bewusst, dass die Woche für seine Mannschaft zu einem echten Stresstest wird. Doch wie stresserprobt ist die junge Mannschaft des HSV eigentlich?
„Ich finde uns gar nicht so jung. Wenn man guckt, wer auf dem Platz steht, dann ist da schon genug Erfahrung“, sagte Wolf und zählte auf, von welchen erfahrenen Spielern er gegen Fürth eine dominante Rolle erwarte. Etwa von Gotoku Sakai, der heute den gesperrten Orel Mangala im defensiven Mittelfeld ersetzen wird. Der Japaner hat drei Jahre Abstiegskampf beim HSV miterlebt und sollte in der Lage sein, mit Druck umzugehen. Genau wie Lewis Holtby und Pierre-Michel Lasogga.
Hunt feiert Comeback
Zudem setzt Wolf auf Kapitän Aaron Hunt, der heute nach vier Wochen Verletzungspause sein Comeback feiern wird. „Wir brauchen ihn in einer guten Verfassung. Aaron ist ein Spieler, der immer etwas entwickeln kann. Sein Ausfall hat uns getroffen. Die anderen Spieler können sich an ihm festhalten“, sagte Wolf über den Fußballer Hunt. Vor allem aber braucht Wolf seinen Spielführer als Persönlichkeit. „Seine Erfahrung und seine Ruhe, da kann man sich schon auch ein bisschen anlehnen.“ Mit Julian Pollersbeck, Hee-chan Hwang, Douglas Santos oder Khaled Narey habe der HSV zudem weitere Profis, die in ihrer Karriere schon viele Spiele gemacht hätten. „Deswegen glaube ich, dass wir das aushalten“, sagte Wolf.
Der Trainer muss an diesem Montag nicht nur dafür sorgen, dass seine Mannschaft für das Fürth-Spiel richtig eingestellt ist. Er muss seinen Spielern auch vermitteln, die emotional aufgeladene Partie beim FC St. Pauli in sieben Tagen auszublenden. „Das Derby ist aktuell gar kein Thema. Ab Dienstagmorgen werde ich die Bedeutung dieses Spiels fühlen“, sagte Wolf. In der Tabelle liegt St. Pauli nach dem Sieg in Paderborn aktuell nur noch einen Zähler hinter dem HSV. Union Berlin hat nach Punkten mit dem HSV gleichgezogen und zudem die deutlich bessere Tordifferenz. Auch Köln gewinnt wieder regelmäßig. Aktuell sieht alles danach aus, dass das Rennen um den Aufstieg bis zum Ende der Saison ein Vierkampf bleibt.
Trainer erhöht den Druck
Und für den HSV wird es bis zum Ende ein Spiel mit den Nerven. Oder besser gesagt: gegen die Nerven. Je mehr sich die Saison der Zielgerade nähert, umso größer wird der Druck. Mit der unnötigen Niederlage am vergangenen Wochenende bei Jahn Regensburg haben sich die Hamburger selbst in die angespannte Lage manövriert. „Wir wussten immer, dass es solche Phasen gibt in der Saison“, sagte Wolf. Der Trainer erhöht daher auch selbst den Druck auf das eigene Team. „Es gibt jetzt keine Ausreden. Jeder muss seinen besten Fußball auf den Platz bringen. Wir brauchen einfach eine Topleistung.“
Zuletzt hatte Wolf einige Defizite im Auftreten der Mannschaft ausgemacht. „Es geht immer auch um die Kultur und die Haltung, mit der du spielst. Da haben wir ein paar Themen mitgenommen aus den vergangenen Spielen. Es geht darum, das jetzt jeder hier zu 100 Prozent wach ist.“ Mahnende Worte vor dem Spiel gegen Fürth. Die Franken sind unter ihrem neuen Trainer Stefan Leitl noch ungeschlagen, holten fünf Punkte aus den jüngsten drei Spielen. „Fürth hat einiges verändert und eine sehr aktive, offensive, aggressive Herangehensweise entwickelt“, sagte Wolf.
Noch keine Niederlage im eigenen Stadion
Hoffnung macht dem Trainer neben der Rückkehr von Kapitän Hunt vor allem auch die Heimstärke. Unter Wolf hat der HSV im Volksparkstadion noch gar nicht verloren. Die letzte Heimniederlage gab es im September beim 0:5 gegen Regensburg unter Trainer Christian Titz. Im Jahr 2019 haben die Hamburger bislang alle drei Heimspiele inklusive des DFB-Pokals gegen Nürnberg gewonnen – jeweils am Abend unter Flutlicht. Diese Serie will Wolf mit seiner Mannschaft ausbauen. „Wir haben in den Abendspielen bis jetzt immer ganz gut ausgesehen.“
Die Zuschauerzahl wird allerdings ähnlich wie zum Jahresauftakt gegen Sandhausen gering ausfallen. Damals kamen nur 36.564 Fans in den Volkspark. Gegen Fürth könnten es noch weniger werden. Nur 34.000 Karten wurden bis Sonntag verkauft. Das bereits fünfte Montagsspiel hat für den HSV Verluste in Millionenhöhe zur Folge. Ein großes Thema will der Club daraus aber nicht machen. Wolf sieht es ohnehin entspannt. „Für die Montagsspiele sind unsere Zuschauerzahlen trotzdem fantastisch.“
Ruhe und Verlässlichkeit
Der Trainer versucht in der Woche der Nervenspiele Ruhe und Verlässlichkeit auszustrahlen. Aus seiner Stuttgarter Zeit dürfte ihm diese Phase ohnehin bekannt vorkommen. Wolf ließ sich am Sonntag auch nicht aus der Ruhe bringen, als dem Reporter auf der Pressekonferenz nach der letzten noch eine allerletzte Frage einfiel. Ob denn ein Kantersieg erlaubt sei? Wolf lächelte und antwortete höflich: „Wir respektieren jeden Gegner. Aber ein Sieg wäre schon cool.“